Hampelmanns Abschied vom alten Schauspielhaus
[r]
Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit, und neues Leben blüht aus den Ruinen.[1]
Fahr wohl!
Hampelmanns Abschied vom alten Schauspielhaus.
Du goldig, lieb, treu Schauspielhäusi
Mei Berjerherz is dief bewegt –
Zum Abschied nemm von mir des Sträussi
Dei letzte Stunn jetz aach bald schlägt!
Stand mer einst an der Gallerie,
Kaam Mensch hat da was draa gelege –
Dei Schutzdach war noch Phantasie.
Den Eingang dorch die Eisestange
E eisern Kett sollt später lange,
Die bald druff hat des Volk gesprengt!
Die Neuzeit hat gebracht viel Gutes,
Doch dabei älter ward des Haus,
Von „Alt-Frankfort“ – sei Zeit is aus!
[v]
Die Offenbächer Log[2], die scheene,
Steht aach uff ihre letzte Fies;
Mer muss ans Neue sich gewehne:
Wie viele wunnerscheene Stunne
Hat Frankfort doch in dir verlebt, –
Asyl hat Mancher hier gefunne,
Der vor die Kunst gewerkt, gestrebt.
Hab drinn gehabbt manch Stelldichei,
Wann ich gemacht bei Wind unn Wetter
„Die Landparthie nach Königstei!“[4]
Der Berjercapitain, der Alte,[5]
So bliebst de uns bis jetz erhalte.
Doch Alles hat dich nix genitzt.
Eweck – häässt’s – mit dem alte Plunner!
Du stehst schon iwwer hunnert Jahr,
Unn iwwerall droht dir Gefahr!
Vor dein histor’sche Platz, den alte,
Da war mer aach net mehr dervor,
E Prachtbau duht sich jetz entfalte,
Von Vielem musst schon Frankfort scheide –
So manch Erinnerung duhts uns kund,
Jetz misse mer aach dich bald meide,
Bald schlägt aach dir die Abschiedsstunn!
Obs drauss so werd, wies hier einst war?
Hoffts, Berger, unn macht euch kaa Sorje,
Dann unser Hoffnung, die is … Claar!
Des Bild hier liess ich mir noch zeichne
Des Jedes sich ja aa kann eigne
Als bleibende Erinnerung.
Drum sei betrübt net, holde Muse,
Die Trauerzeit, sie is bald aus,
Schütz Gott das neue Schauspielhaus!
Albert Desprez.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Zitat aus Friedrich Schiller: Wilhelm Tell, 4. Aufzug (Wikisource-Edition)
- ↑ Plätze auf der Galerie, die angeblich besonders bei Offenbachern beliebt waren
- ↑ Namen für bestimmte Bereiche im alten Schauspielhaus. Die „Wolfsschlucht“ (nach einem Handlungsort in Webers Oper „Der Freischütz“) war gefürchtet, da von ihrem Publikum angeblich über Gefallen oder Nichtgefallen einer Vorstellung entschieden wurde. Das Paradies (auch: Olymp) ist der höchste Rang eines Logentheaters. (Vgl. Bernhard Frank: Die erste Frankfurter Theater-AG (1792–1842) in ihrer Entwicklung von der Nationalbühne zur Frankfurter Volksbühne, 1967, S. 21–22, und Samuel Friedrich Hassel: Die Frankfurter Localstücke auf dem Theater der freien Stadt, 1821-1866. Frankfurt 1867, Anmerkung S. 54 Google)
- ↑ Carl Malß: Herr Hampelmann oder die Landparthie nach Königstein, Uraufführung Frankfurt 1832
- ↑ Carl Malß: Die Entführung oder der alte Bürger-Capitain, ein frankfurter Heroisch-Borjerlich Lustspiel in zwei Aufzügen, Uraufführung Frankfurt 1821