Heilung der Diphtherie bei Thieren

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: C. F. = „Carl Falkenhorst“ = Stanislaus von Jezewski
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Heilung der Diphtherie bei Thieren
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 2, S. 26–28
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1891
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[26]

Der Kampf mit den Bakterien.

Heilung der Diphtherie bei Thieren.

Noch steht die Welt unter dem überwältigenden Eindruck der großen Entdeckung Robert Kochs, noch prüfen in allen Ländern tausend Aerzte die wunderbaren Eigenschaften der geheimnißvollen braunen Lymphe, und schon kommt von Berlin eine neue Siegesnachricht. Kochs Schüler mehren den Ruhm des Meisters.

Diesmal gilt es nicht dem Tuberkelbacillus; der Forschergeist hat in den denkwürdigen Räumen des hygieinischen Instituts zu Berlin zwei andere Todfeinde des Menschengeschlechtes mit tausend Listen umstrickt; es ist ihm gelungen, ungemein wichtige Gesichtspunkte für die Heilung zweier furchtbarer Krankheiten zu gewinnen, und die Tragweite dieser neuesten Errungenschaften deutscher Wissenschaft wird sofort jedem klar, wenn nur ihre Namen genannt werden: die Diphtherie und der Wundstarrkrampf!

Zwei Schüler Kochs, Stabsarzt Dr. Behring und Dr. Kitasato aus Tokio, fassen selbst ihre Erfolge in die Worte zusammen: „Bei beiden Infektionskrankheiten ist es uns gelungen, sowohl inficirte Thiere zu heilen, wie die gesunden derartig vorzubehandeln, daß sie später nicht mehr an Diphtherie bezw. Tetanus (Wundstarrkrampf) erkranken.“

Es sind vorläufig nur Thiere, die dieser Wohlthat theilhaftig werden; aber wir sind wohl berechtigt, an solche Errungenschaften auch Hoffnungen für die leidende Menschheit zu knüpfen. Hat nicht Robert Koch sein Heilmittel auch zuerst an Thieren versucht und ist es nicht heute bereits, soweit unsere Erfahrungen reichen, die mächtigste Waffe, die uns in Bekämpfung der Tuberkulose bei dem Menschen zur Verfügung steht? Wir dürfen niemals vergessen, daß auf dem so vielgelästerten Thierexperiment sich die glänzendsten Erfolge der medizinischen Wissenschaft aufbauen. Andererseits muß man dringend vor übereilten Schlüssen aus dem Thierexperiment auf den Menschen warnen, und vor allem in der Beurtheilung der Einwirkung bestimmter Heilmittel auf Bakterien, die im thierischen Körper leben, vorsichtig sein.

Die Medizin hat erst in jüngster Zeit in der Bakteriologie eine Stütze gesucht und gefunden, und die Bakteriologie selbst wandelt erst seit etwa zehn Jahren auf festen Füßen. Aus diesem Grunde stehen wir auf diesem Gebiete nur Anfängen einer neuen Heilkunde gegenüber; eine spätere Zeit wird die reife Frucht pflücken. Welche Aussichten aber diese Anfänge eröffnen, das werden die Leser am besten aus den nachfolgenden Mittheilungen über die zielbewußten Versuche zur Bekämpfung der Diphtherie und des Wundstarrkrampfes erfahren. Die Thatsachen mögen für sich sprechen. Beginnen wir zunächst mit der Diphtherie!

*     *     *

Wer von den Lesern der Gartenlaube über das Wesen der Diphtherie aus einem populär-medizinischen Werke, selbst neuester Auflage, Belehrung geschöpft hat, der wird seine Ansicht ändern müssen; denn erst in allerjüngster Zeit ist das Geheimniß dieses schrecklichen Würgengels unserer Kinderwelt entschleiert worden. Das Krankheitsbild, welches uns am Leidenslager eines von Diphtherie Befallenen entgegentritt, ist allgemein bekannt. Jedermann weiß, daß eine starke eigenartige Entzündung der Schleimhaut des Rachens den Ausgangspunkt der Krankheit bildet, daß an der erkrankten Stelle ein schmutziggrauer Belag erscheint, daß zu den örtlichen Störungen, welche diese Entzündung hervorruft, sich allgemeine Krankheitserscheinungen gesellen: Fieber, Delirien, Bewußtlosigkeit. Nicht nur der Hals, der ganze Körper ist erkrankt, und wenn selbst die erste Gefahr überwunden wird, so bleiben nach der Diphtheritis noch Nachkrankheiten, vor allem verschiedene Lähmungen der Rachen-, Kehlkopf-, Augenmuskeln, der Beine oder der Arme zurück. Die tiefgehenden Veränderungen der inneren Organe entziehen sich dem Verständniß der Laien.

Man wußte längst, daß die Diphtherie eine ansteckende Krankheit sei, und vermuthete, daß sie durch Bakterien verursacht werde. Man forschte nach diesen, aber es war mit ungeheuren Schwierigkeiten verbunden, unter den zahlreichen Bakterien, die stets den Mund und Rachen bevölkern, den wirklichen Krankheitserreger zu entdecken. Erst im Jahre 1884 fand Löffler, einer der Aerzte im Kaiserl. Gesundheitsamte zu Berlin, die richtige Fährte, die er jahrelang unablässig verfolgte, bis er unzweifelhafte Beweise für die Existenz des Krankheitserregers der Diphtherie beibrachte.

Er ist ein Stäbchenbakterium oder ein Bacillus, der etwa die Länge des Tuberkelbacillus besitzt, aber doppelt so breit ist wie dieser. Er ist in dem diphtherischen Belag zu finden, entwickelt sich bei Temperaturen von 20 bis 42° C. und besitzt eine ziemlich große Lebensfähigkeit. An Seidenfäden angetrocknet bleibt er 3 bis 10 Wochen ansteckungsfähig. Noch größer ist seine Lebensdauer in den abgestorbenen Hautstückchen (Membranen), wie sie von Diphtheriekranken ausgehustet werden. Aus den kleinsten eingetrockneten Stückchen konnte Löffler noch nach 8 Wochen, aus größeren selbst nach 14 Wochen Bazillen züchten, die voll ihre giftige Wirkung ausübten. Auch in dem Rachen und Munde des Kranken halten sie sich noch auf, wenn die Krankheitserscheinungen abgelaufen sind. In einem Falle konnte Löffler noch 3 Wochen, nachdem das Fieber abgefallen war, ansteckungstüchtige Bazillen im Munde der Rekonvalescenten nachweisen.

Es wurde ferner festgestellt, daß der Löfflersche Bacillus nur der menschlichen Diphtherie eigenthümlich ist, und ähnliche auch [27] als Diphtherie bezeichnete Erkrankungen des Rachens bei Thieren und Vögeln ganz verschiedene Krankheiten sind. Unter natürlichen Verhältnissen erkranken die Thiere niemals an menschlicher Diphtherie; es hat sich aber gezeigt, daß man durch Ueberimpfung der betreffenden Bacillen auf verletzte Schleimhäute etc. bei einigen Thieren Diphtherie erzeugen kann, die alsdann je nach der Impfstelle unter denselben oder sehr ähnlichen Erscheinungen wie beim Menschen abläuft. Man erhielt dadurch werthvolles Versuchsmaterial, aber das Wesen der Krankheit blieb noch dunkel, bis die Chemie Licht in dasselbe brachte.

Die Bakterien erzeugen bekanntlich durch Zersetzung der Nahrungsböden, auf denen sie leben, verschiedenartige neue Stoffe, welche man Stoffwechselprodukte der Bakterien nennt. Auch die Hefe verhält sich ähnlich - aus dem Traubenzucker ihrer Nährlösung bildet sie Alkohol und Kohlensäure. Die Chemie hat nachgewiesen, daß auch die Bakterien Gifte erzeugen; sie hat diese Gifte rein dargestellt, und als man sie nun Thieren ins Blut brachte, da fand man, daß jene Gifte einen Theil der Symptome erzeugten, die wir sonst bei Krankheiten beobachten, welche durch die betreffenden Bakterien verursacht werden. Dadurch wurde erwiesen, daß die krankheitserregenden Bakterien den Körper sozusagen vergiften und dadurch zu Grunde richten.

Zu Anfang dieses Jahres ist es nun Brieger, der auf diesem Gebiete die umfassendsten Forschungen angestellt hat, gelungen, aus der Flüssigkeit, in welcher Diphtheriebacillen gezüchtet wurden, das wirksame Gift rein dazustellen. Es besteht aus einer weißen krümligen Masse, welche eine eiweißähnliche Zusammensetzung hat, im Wasser löslich ist und in hohem Grade giftige Eigenschaften besitzt. Es wurde darum „Toxalbumin“ genannt. Spritzt man dieses Gift Thieren ins Blut ein, so erkranken sie nach Tagen, mitunter auch nach Wochen, je nach der Größe der Gabe, unter Erscheinungen, die völlig diphtheritischer Natur sind. Wir können also auch auf diese Weise Thiere diphtheriekrank machen, ohne ihnen die Krankheitserreger selbst einzuverleiben, indem wir ihnen nur das von denselben erzeugte Gift beibringen.

Diese Versuche, auf die wir hier ausführlicher nicht eingehen können, erklären uns den Verlauf der furchtbaren Krankheit beim Menschen.

Demnach lassen sich Diphtheriebacillen an einer Stelle der Rachenschleimhaut nieder; sie dringen nur in die oberflächlichen Schichten ein, rufen hier durch den Reiz eine Entzündung hervor und erzeugen, indem sie sich vermehren, ihr Gift. Sie bleiben an derselben Stelle, sie gehen nicht ins Blut über, sie verbreiten sich nicht durch den ganzen Körper, aber das Gift, welches sie erzeugt haben, wird von den Säften aufgesogen und verbreitet sich von Organ zu Organ, wo es wie ein Ferment[1] wirkt.

Die zunächst der Angriffsstelle liegenden Zellen des Gewebes werden in erster Linie von dem Gifte durchdrungen und getödtet. Von dem Lymphstrom fortgetragen, verschleppen sie das Gift in weitere Entfernungen; so erkranken neue Stellen am Kehlkopf, in der Luftröhre etc., so dringt das Gift in die Milz, so ruft es Entzündungen in der Leber, in dem Brustfell, in den Nieren hervor; so dauert der Prozeß fort, bis der Körper erliegt, oder bis es ihm gelingt, die an der Oberfläche der Schleimhaut im Rachen haftenden Bakterien sammt der brandigen Haut abzustoßen; dann erfolgt Heilung, obwohl das Gift in den Säften noch eine Zeit lang wirken kann und die Nachkrankheiten, Lähmungen und dergl. noch zurückbleiben.

In diesem düsteren Bilde, welches wir nur flüchtig skizziert haben, giebt es noch viele nicht völlig aufgeklärte Punkte, aber das Wesen der Krankheit ist durch die deutsche Wissenschaft in den Grundzügen festgestellt worden, und darin besteht die erste große Errungenschaft, die wir auf diesem Gebiete zu verzeichnen haben. Auf ihr baut sich naturgemäß die Heilkunst auf; dem Arzte ist jetzt in dem Suchen nach Heilmitteln gegen die Diphtherie ein klarer Weg vorgezeichnet, und die Medizin hat nicht gesäumt, ihn sofort zu beschreiten. Von den vielen Heilmethoden, welche für die Behandlung der Diphtherie beim Menschen empfohlen wurden, wird man jetzt diejenigen ausbauen, welche am zweckmäßigsten sind und sich in der That bereits bewährt haben; aber der Fortschritt ist hier nur ein langsamer; denn mit Menschenleben kann man nicht experimentieren, dazu sind die Thierversuche da; durch sie wird weitere Aufklärung gegeben und auf solche Versuche müssen wir uns vorläufig beschränken.

Bei der Bekämpfung der ansteckenden Krankheiten kommt zweierlei in Frage: 1) Schutz gegen die Ansteckung und 2) Heilung der ausgebrochenen Krankheit.

Was nun den Schutz anbelangt, so bieten uns die Vernichtung der Bacillen durch Desinfizieren des Auswurfes der Kranken, der Wäsche, des Krankenzimmers u. s. w., die Sorge für Absperrung der Kranken, ein Krieg gegen feuchte Wohnungen, die Brutstätten der Diphtheriebacillen, wichtige Handhaben zur Beschränkung der Epidemie. Wir wissen aber, daß es noch einen anderen Schutz gegen anstehende Krankheiten giebt, die Schutzimpfung, wie wir sie bei den Pocken kennen. Der Geimpfte wird gegen eine Ansteckung mit dem Pockengift unempfänglich, er ist „immun“, wie man in der Wissenschaft zu sagen pflegt.

Die Immunität, welche gegen bakterielle Krankheiten den höchsten Schutz gewährt, braucht aber nicht erst durch Impfung erworben zu werden; sie kann auch angeboren sein. Es giebt Arten, welche von einer Krankheit völlig verschont werden, während andere Arten ihr erliegen. So ist z. B. der Mensch für den Typhusbacillus empfänglich, aber es ist bis jetzt nicht gelungen, ein einziges Thier typhuskrank zu machen. Für uns kommt hier nur die erworbene Immunität in Frage. Es ist erwiesen, daß man durch verschiedene Verfahren Thiere mit Erfolg impfen kann, so daß sie gegen gewisse Krankheitserreger unempfänglich werden. Ist es nun möglich, sie auch gegen die Diphtherie immun zu machen? Die Antwort darauf wird eben durch die neuesten Veröffentlichungen aus dem hygieinischen Institut von Robert Koch gegeben: Dr. Behring ist es gelungen, zunächst Meerschweinchen und Kaninchen auf fünffache Art gegen die Diphtherie unempfänglich zu machen.

Bis jetzt hat man zu derartigen Schutzimpfungen immer abgeschwächte Bakterienkulturen oder deren Stoffwechselprodukte genommen; diese Impfungen sind oft mit Gefahren verbunden, weil ein Theil der Thiere schon an der Schutzimpfung zu Grunde geht. Diese Methoden wurden auch von Behring angewandt, und zwar mit Erfolg. Wie wichtig auch diese Ergebnisse für die Wissenschaft sind, so werden sie durch eine neue von Behring geschaffene Methode erst zu einer wirklich epochemachenden Entdeckung, und diese wollen wir hier allein ins Auge fassen.

Unsere Leser haben vielleicht schon vom Wasserstoffsuperoxyd gehört. Dieser Stoff wird zum Bleichen verwendet. Reines Wasser besteht bekanntlich aus zwei Atomen Wasserstoff und einem Atom Sauerstoff; seine chemische Formel ist H2 O (Wasserstoffoxyd); verbindet sich nun Wasser chemisch mit noch einem Atom Sauerstoff, so entsteht H2 O2, das ist Wasserstoffsuperoxyd. Es ist sehr leicht zersetzlich und hält sich nur in wässerigen Lösungen; es zerfällt leicht in Wasser und freien Sauerstoff, worauf seine bleichende Wirkung beruht. Da Wasserstoffsuperoxyd auch desinfizierende Eigenschaften besitzt, so wurde es von Behring als Heilmittel gegen Diphtherie bei Thieren versucht. Er fand aber bald, daß dieses Mittel keine heilende Wirkung zeigte, im Gegentheil den Tod der infizierten Thiere noch beschleunigte.

Nun wurde die Versuchsanordnung abgeändert. Behring spritzte zunächst gesunden Thieren Wasserstoffsuperoxyd ein und infizierte sie erst einige Tage nach dieser Vorbehandlung mit Diphtheriebacillen. Nun zeigte es sich, daß diese vorbehandelten Thiere einen mehr oder weniger ausgesprochenen Grad von Immunität erlangt hatten, sie erlagen viel später dem Gifte und einige blieben dauernd gesund, obwohl ihnen eine Dosis von Bacillen beigebracht wurde, welche normale, nicht vorbehandelte Kaninchen binnen 24 Stunden tödtete!

Dies ist nun eine Thatsache, welche das größte Staunen hervorrufen muß; denn es ist bis jetzt noch niemals bekannt geworden, daß ein einfacher, fabrikmäßig hergestellter chemischer Stoff einem Thiere, welchem er eingespritzt wird, Immunität gegen eine todbringende Krankheit verschafft! Der Erfolg bei der Diphtherie ist noch nicht so schlagend, daß er die vollste Ueberzeugungskraft beanspruchen konnte; aber wir werden im nächsten Artikel erfahren, daß ein anderer ebenso einfacher Stoff Kaninchen gegen eine andere fürchterliche Krankheit, gegen den Wundstarrkrampf, völlig immun macht. [28] Wenden wir uns nunmehr den Heilversuchen Behrings zu!

Er infizierte die Versuchsthiere durch Einspritzung von Bacillenkulturen und suchte sie zu retten, indem er ihnen nachträglich verschiedene chemische Stoffe einspritzte. Es wurden gegen 30 Mittel geprüft und durch Natriumchlorid, Naphthylamin, Trichloressigsäure und Carbolsäure vereinzelte Thiere geheilt.

Am wirksamsten erwies sich Jodtrichlorid. Meerschweinchen, denen eine absolut tödliche Dosis von Diphtheriebacillen beigebracht war, wurden gerettet, wenn man ihnen unmittelbar nach der Infektion Jodtrichloridlösung einspritzte. Die Rettung war aber nur dann möglich, wenn die Einspritzung spätestens sechs Stunden nach der Infektion erfolgte.

Die überlebenden Meerschweinchen waren noch lange krank; nachdem sie sich aber völlig erholt hatten, waren sie infolge dieser Behandlung gegen Diphtherie immun und vertrugen Impfungen mit giftigen Kulturen, an denen nicht vorbehandelte Thiere in 36. Stunden starben. Bei Kaninchen erwies sich das Jodtrichlorid noch heilsam, selbst wenn die Einspritzung 24 Stunden nach der Infektion erfolgte.

Leider ist dieses Jodtrichlorid, das eine stark ätzende Wirkung besitzt, kein Heilmittel für Menschen. „Ich bin,“ sagt Behring, „durch besondere vorsichtig an diphtheriekranken Kindern angestellte Versuche zur forcierten Anwendung des Jodtrichlorids nicht sehr ermuthigt worden, und ich betone, daß ich für den Menschen kein Diphtheriemittel habe, sondern erst danach suche.“

Wenn wir uns jetzt erinnern, wie die Diphtherie beim Menschen verläuft, so werden wir wohl zu der Ueberzeugung gelangen, daß man eine Heilung oder Milderung des Krankheitsprozesses nicht allein von der Zerstörung der Bacillen, sondern auch von der Zerstörung des im Körper durch sie verbreiteten Giftes erwarten könnte, denn das Gift, welches in die Säfte dringt, verursacht die schlimmen Symptome; und in dieser Beziehung sind die Ergebnisse der von Behring angestellten Versuche von höchster Bedeutung.

Das Blut diphtherie-immun gemachter Thiere besitzt nämlich die Eigenschaft, das Diphtheriegift völlig unschädlich zu machen. Und da erwächst die hochwichtige Frage, ob es möglich ist, ein an Diphtherie erkranktes Thier dadurch zu heilen, daß man eine Blutüberleitung von einem immungemachten Thier vornimmt?

Zu welchen glänzenden Ergebnissen solche Blutüberleitungen, namentlich bei dem Wundstarrkrampf geführt haben, davon werden wir im nächsten Artikel berichten. Der Erfolg ist so groß, daß Mäuse, selbst wenn sie beinahe schon in Todeszuckungen liegen, noch mit großer Sicherheit gerettet werden können. Freuen wir uns des Erfolges und hoffen wir mit der unermüdlichen Forscherschar, daß ihre Arbeiten bald auch für die leidende Menschheit sich segensreich erweisen werden! C. F.     


  1. * Fermente oder Enzyme nennt man organische Körper, welche innerhalb bestimmter Temperaturgrade in kleinen Gaben verhältnißmäßig große Mengen anderer organischer Körper in neue Körper umzuwandeln vermögen. So ist z. B. das Pepsin des Magens ein Ferment, welches unlösliches Eiweiß verdauen hilft.