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Heinrich Otte (Schultze)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Viktor Schultze
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Titel: Otte, Heinrich
Untertitel:
aus: Realenzyklopädie für protestantische Theologie und Kirche, Band 14, S. 525–526
Herausgeber: Albert Hauck
Auflage: 3. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1904
Verlag: Hinrichs
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons = Internet Archive
Kurzbeschreibung:
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[525] Otte, Heinrich, Archäologe, gest. 1890 - Jul. Schmidt, Zur Erinnerung an Heinrich Otte, Halle 1891 - Heinrich Otte, Aus meinem Leben. Herausgegeben von seinen Söhnen Rich. Otte und Gust. Otte, Leipzig 1893 - Sein BIld in der 5. Aufl. der "Kunstarchäologie des Mittelalters"

Christoph Heinrich Otte, der Begründer und hervorragendste Vertreter der kirchlichen Altertumswissenschaft des deutschen Mittelalters, ist am 24. März 1808 in Berlin als Sohn eines Kaufmanns geboren. Vorbereitet durch das Joachimstahlsche Gymnasium, begann er Herbst 1826 seine theologischen Studien in Berlin, wo besonders Schleiermacher auf ihn wirkte, setzte sie in Halle, wenig befriedigt durch den in dieser Fakultät vorwaltenden nüchternen Geist, fort und bestand 1831 das erste und 1832 das zweite theologische Examen. Zwei Jahre nachher erlangte er unter etwas eigenartigen Umständen die Pfarrei Fröhden bei Jüterbog in der Provinz Sachsen, die er bis Herbst 1878 inne hatte, nachdem er ein Jahr vorher noch von dem Unglück betroffen war, daß das alte Pfarrhaus völlig niederbrannte, wobei seine Bibliothek zu Grunde ging. Nach seiner Emeritierung verlegte er seinen Wohnsitz nach Merseburg, wo er den 12. August 1890 starb. Niederschriften aus seinem Leben, die aber nur einige Einzelbilder enthalten, darunter ein Kapitel: "Wie ich Archäologe wurde" (separat schon vorher in den "Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins", Berlin 1889), haben seine Söhne nach seinem Tode veröffentlicht u. d. T. "Aus meinem Leben, Leipzig 1893.

Otte hatte auf der Universität keinerlei archäologische Anregungen erhalten. Die Denkmäler selbst, vor allem der Dom zu Merseburg, weckten in ihm in seinem Pfarramte das erste Interesse für ihre Geschichte und Beschaffenheit. Er trat in Beziehungen zu Puttrich, dem verdienten Herausgeber der "Denkmale der Baukunst des Mittelalters in Sachsen" und zu Prof. K. Ed. Förstemann in Halle und wurde von diesem zu weitern Forschungen angeregt. Letzterer veranlaßte ihn zur Abfassung des Büchleins: "Kurzer Abriß einer kirchlichen Kunst-Archäologie des Mittelalters mit besonderer Beziehung auf die Kgl. Preuß. Prov. Sachsen", Nordhausen 1842. Die bald notwendig gewordene Neuauflage dieses bescheidenen Erstlingswerkes nahm der rühige und kunstsinnige Leipziger Verlagsbuchhändler T. O. Weigel in seine Hand, der durch reichere Bildausstattung den Wert fortwährend zu steigern mit Erfolg beflissen war. Diese 2. Auflage (1845) faßte das ganze deutsche Gebiet ins Auge, die 3. Aufl. (1854) bildete unter dem neuen Titel: "Handbuch der kirchlichen Kunst-Archäologie des deutschen Mittelalters" einen stattlichen Band mit 13 Stahlstichen und 362 Holzschnitten, die 4. Aufl. (1868) wuchs auf zwei Bände an. Zu einer 5. Auflage hatte Otte bereits alle Vorbereitungen getroffen, da zerstörte ein Brand, wie erwähnt, seine Bibliothek und seine Manuskripte. In Oberpfarrer Ernst Wernicke in Loburg fand er jedoch einen bereiten und tüchtigen Mitarbeiter, so daß 1883 und 1885 die beiden Bände der letzten Ausgabe ausgehen konnten.

Im Verlaufe seiner Geschichte ist das Buch von 39 Seiten auf 1462 gewachsen und hat zugleich sein Abbildungsmaterial von 3 Tafeln auf 17 Tafeln und 533 Abbildungen vermehrt. In dieser Entwicklung kennzeichnet es das rasch wachsende Interesse und die schnellen Fortschritte auf diesem Arbeitsgebiete, zugleich aber auch das zunehmende Hineinleben des Verfassers nicht nur in den reichen Umfang, sondern auch in das Verständnis des Stoffes. Daß Otte vorwiegend Archäologe war, kommt in der Zurückstellung des kunstgeschichtlichen, entwicklungsgeschichtlichen Momentes zum Ausdruck. Außerdem ist gerade die kunstgeschichtliche Forschung in den letzten Jahren seit dem Erscheinen der 5. Auflage vielfach zu neuen Anschauungen durchgedrungen, so daß zum Teil einschneidende Korrekturen vorzunehmen sind. Ganz anders verhält es sich mit dem archäologischen Teile, der überhaupt den Inhalt des Werkes bestimmt. Hier ist dieses nicht nur ein einzigartiger Thesaurus, ein unentbehrlicher Führer zu den Quellen, sondern auch in Darstellung und Beurteilung, wenn man auf das Ganze sieht, unübertroffen. Es erweckt immer wieder Staunen, dass ein Dorfpfarrer sich in alle Einzelheiten dieses weiten, damals zum Teil noch gar nicht entdeckten oder nicht verstandenen Gebietes hineingearbeitet hat. Ottes Buch ist heute noch, wie wenig auch seit 1885 die Forschung stillgestanden [526] hat, der brauchbarste und beste Lehrmeister der deutschen kirchlichen Kunstarchäologie.

Im Verlaufe dieser Jahre zog Otte den Kreis seiner persönlichen Beziehungen zu Fachgenossen und seiner Interessen und Arbeiten immer weiter. Ein Beweis dafür ist sein durch französische und englische Vorbilder angeregtes "Archäologisches Wörterbuch zur Erklärung der in Schriften über mittelalterliche Kunst vorkommenden Kunstausdrücke", Leipzig 1857. Der Stoff ist sprachlich geordnet und zwar in die Abteilungen: deutsch, französisch, englisch, lateinisch. Die wesentlich vermehrte 2. Auflage von 1877 hat auch die altchristliche Zeit und die Renaissance mit einbezogen und die Zahl der Illustrationen auf 285 erhöht. Letzterem Zwecke bewies sich aber in noch höherem Grade förderlich der 1859 erschienene "Archäologische Katechismus. Kurzer Unterricht in der kirchlichen Kunstarchäologie des deutschen Mittelalters." Die nähere Erläuterung dieses Titels: "mit Rücksicht auf das in Kgl. Preuß. Staaten der Inventarisation der kirchlichen Kunstdenkmäler amtlich zu Grunde gelegten Fragenformular bearbeitet", erklärt die Entstehung. Als Ziel wird bezeichnet, "den Geistlichen eine kurze und bequeme Einleitung in die kirchlichen Altertümer unseres Vaterlandes an die Hand zu geben." Eine 2. Auflage folgte 1872; eine 3. Auflage mit wesentlicher Vermehrung des Inhaltes und eingehender Berücksichtigung der Entwicklung besorgte nach dem Todes des Verfassers Heinrich Bergner 1898. Auch hierin zeigt sich der auf Erlernung der Realien in erster Linie gerichtete praktische Sinn Ottes. Vorher (1858) veröffentlichte er eine ursprünglich auf die Grubersche Encyklopädie bestimmte "Glockenkunde", die in ihrer 2. Auflage (1881) als die heute noch beste Behandlung dieses Gegenstandes bezeichnet werden darf. Zur Ergänzung dient ein nachgelassenes Bruchstück "Zur Glockenkunde", welches in der oben genannten, auf Veranlassung der historischen Kommission der Provinz Sachsen herausgegebenen Schrift von Julius Schmidt mitgeteilt ist. Das letzte größere Werk, welches Otte in seiner wissenschaftlichen Unermüdlichkeit plante, war eine Geschichte der deutschen Baukunst von den Anfängen bis zur Gegenwart. Im Jahre 1874 war der in Lieferungen erschienene 1. Bd. "Geschichte der romanischen Baukunst", fertig; das Unternehmen geriet dann ins Stocken und fand keine Fortsetzung. Der ganzen Eigenart des Verfassers entsprechend überwiegt in diesem Buche, das durch neuere Forschungen und Publikationen antiquiert ist, das Archäologische. Ein Torso blieb auch leider die von Ferd. von Quast in Gemeinschaft mit ihm herausgegebene "Zeitschrift für die christliche Archäologie und Kunst"; sie brachte es nur auf 2 Bde (Leipzig 1856 u. 1858). Mehr zurückgetreten sind auch seine "Grundzüge der kirchlichen Archäologie des Mittelalters (1. Aufl. 1855; 2. Aufl. 1862 unter dem entsprechenderen Titel "Geschichte der kirchlichen Kunst des deutschen Mittelalters in ausgewählten Beispielen). Groß ist die Zahl der in verschiedenen Zeitschriften und sonst gedruckten Aufsätze und Beiträge Ottes zur Geschichte der kirchlichen Kunst (ein Verzeichnis bei Julius Schmidt a.a.O.).