Herbstgesang (Rudolphi)
[46]
Herbstgesang.
1777.
Sey gegrüßt im falben Nebelkleide,
Gott des Segens, sey gegrüßt!
Lieh dir gleich nicht Flora ihr Geschmeide,
Holder Gott des Segens, sey gegrüßt!
Und von goldnen Früchten schwer!
Laß mich, laß mich deines Nektars rauben,
Reich mir deinen Freudenbecher her;
Daß ich deines Feuers voll dich singe,
Daß dein Lob zum fernsten Aether dringe,
Bis zum hohen Sirius dein Lied!
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Ja, der Götter wonniges Entzücken,
Das dem Nektar Süße leiht,
Wohlthun ist des Himmels Seligkeit.
Seht ihrs nicht an diesem Gott der Freude? –
Wie sein Nebelschleyer flieht!
Wie geschmückt im lichten Aetherkleide
Denn er hat mit Segen unsre Fluren,
Unsre Hütten all erfüllt.
Seht, o seht! wie seines Fußes Spuren
Ueberall ein voller Strom entquillt!
In der Hoffnung Lichtgewand
Dein Verkünder, holder Gott der Freude,
Mit dem Blüthenscepter in der Hand.
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Liebe, Liebe stralt aus seinem Bilde;
Wandelt er in Edens Lustgefilde
Unsre Fluren, Hain und Thal.
Aber auf des Windes Flügel fliehet
Uns dies glückliche Gesicht,
Man die Spuren seines Pfades nicht.
Du, du reichst uns Freud’ und neues Leben
In dem edlen Rebenblut!
Deine vollen Nektartrauben geben
Seliger Autumnus! sieh die Menge
Froher Wesen, die dir singt,
Horch dem Jubel heller Lustgesänge,
Der beseelt von dir zum Aether dringt.
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Bleib’ und schaue deine Lust
An dem frohen dankenden Gewimmel,
Sieh der Himmel ist in unsrer Brust!