Herr Nickert und der Saaltanz bei Großwirschleben

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Autor: Friedrich Gottschalck
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Titel: Herr Nickert und der Saaltanz bei Großwirschleben
Untertitel:
aus: Die Sagen und Volksmährchen der Deutschen, S. 246-249
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1814
Verlag: Hemmerde und Schwetschke
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Erscheinungsort: Halle
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Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
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Herr Nickert und der Saaltanz bei Großwirschleben.

Jeder Fluß wird von einem geistigen Wesen beherrscht. Dieß war für unsere Ahnherren eine ausgemachte Wahrheit, wovon sie sich täglich überzeugt fühlten; denn sie empfanden ja den Einfluß eines solchen Wassergottes von guten und von bösen Seiten, sie sahen ihn auch wohl.

Der Flußgott der Saale ist Nickert. Bei Bernburg ist ein kleines Hölzchen, das jetzt der Prinzenwerder heißt, da hat er nicht weit davon in unergründlicher Tiefe seine Wohnung. Er ist zwar ein gutartiges Wesen, übt aber doch gern Schabernack aus. Fährt ein Kahn Strom auf oder ab, worin ein Leichtsinke mit sitzt, so dreht er den Kahn im Kreise herum, und dann haben die Schiffer alle Mühe, ihn wieder in den Gang zu bringen. Bei ungewöhnlichen Gelegenheiten läßt er sich sehen, und badet sich sichtbar. In den Jahren 1805 und 1806 hat er sich sogar noch sehen lassen. Er steckte da den Kopf aus dem Wasser, und plätscherte mit den Händen.

Wenn ein Mensch in den Fluß gestürzt ist, so ist er sehr geschäftig, ihn zu retten, und wehe dem Fischer, der alsdann nicht gleich bei der Hand ist und Hülfe leistet. Der hat gewiß jedes Mal, wenn er angelt, statt eines Aals, einen Frosch an der Nachtschnur.

Dem Nickert zu Ehren, und zum Vergnügen, hält das junge Volk von Großwirschleben[1] jährlich einen Tanz, welchen man den Saaltanz nennt.

An der ersten Mittewoche nach Pfingsten (die Knoblauchsmittewoche genannt) werden nämlich die öffentlichen Brunnen gereinigt. Ist diese schmutzige Arbeit vollbracht, so zieht alles an die Saale, und reinigt und wäscht sich an einer seichten Stelle. Dabei geht es mitunter sehr lustig zu. Man treibt muthwillige Streiche, bespritzt sich, und kein Zuschauer kommt unbenetzt durch, wofür die losen Dirnen noch obendrein eine Belohnung verlangen. Wer sich nun in die Gewohnheit fügt, mit lustig ist und die Wasserweihe hinnimmt, der darf hinterdrein auch am Tanze Theil nehmen. Denn kaum ist die allgemeine Reinigung vollbracht, so erhebt sich die Dorfmusik. Alles kleidet sich trocken und reinlich an, und nun gehts Paarweise auf den Gemeineplatz. Hier wird von der Jugend getanzt und vom Alter zugeschaut bis zum Untergang der Sonne, wo das Fest ein Ende hat.

Vordem sangen die Mädchen, wenn sie zur Reinigung in die Saale gingen, folgende Worte nach der Melodie: Mein Jürge, mein Jürge, u. s. w.

Herr Nickert, Herr Nickert! da sind wir nun hier,
Und tanzen im Wasser ein Tänzchen vor dir.
Du bist in der Mitte, so tanze voran;
Es folget dir gerne, wer Lust hat und kann.

Nach geendigter Wäsche folgte der zweite Vers:

Herr Nickert, Herr Nickert! für dieß Mal gemacht
Ist nun unser Tänzchen, im Saalstrom vollbracht.
Wenn Knoblauchsmittwoche wieder erscheint,
Dann tanzen wir wieder in Eintracht vereint.

Das hat sich aber jetzt verloren. Man wäscht sich ohne diesen Gesang.

*     *     *

Aus schriftlichen Mittheilungen.


  1. Ein Dorf bei Bernburg.