Hervorragende Persönlichkeiten in Dresden und ihre Wohnungen: Joachim Murat
← Friedrich Wilhelm III. von Preußen | Hervorragende Persönlichkeiten in Dresden und ihre Wohnungen (1918) von Adolf Hantzsch Joachim Murat |
Jean Louis Ebenezer Reynier → |
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext. |
[162] Nr. 159. Murat, Joachim, König von Neapel, 1771–1815. Obgleich er der Sohn eines Gastwirtes war, hat er es doch durch seine ganz hervorragende Tüchtigkeit als Reitergeneral und durch seine engen Beziehungen zu Napoleon I. zu besonders hohen Ehren gebracht. Erst in [163] der Garde Ludwigs XVI. dienend, kämpfte er später unter Bonaparte in Italien, wurde 1796 Brigadegeneral und noch während des Feldzuges in Ägypten Divisionsgeneral. Im Jahre 1800 verheiratete ihn Bonaparte mit seiner jüngsten, damals 18jährigen Schwester Karoline, und nun stieg M. auf der Leiter menschlicher Würden schnell weiter empor. Nach seiner Thronbesteigung ernannte ihn Napoleon zum Marschall, 1805 zum kaiserlichen Prinzen und zum Oberbefehlshaber der Reiterei. Als solcher hatte er einen wesentlichen Anteil am Siege bei Austerlitz und wurde dafür zum Großherzog von Berg, dann 1808 für seine sehr erfolgreiche kriegerische Tätigkeit in den zwei vorhergegangenen Jahren zum König von Neapel erhoben. Am Feldzuge gegen Rußland beteiligte sich M. wieder als Oberbefehlshaber der gesamten Kavallerie, ebenso in den Schlachten bei Dresden am 26. und 27. August und bei Leipzig vom 16. bis 19. Oktober 1813. Nach der letzteren stand er bald auf Napoleons, bald auf Österreichs Seite. Bei dem Versuche, sein Königreich wiederzugewinnen, das ihm abgesprochen worden war, wurde er gefangengenommen und am 13. Oktober 1815 auf dem italienischen Schlosse Pizzo standrechtlich erschossen.
Als M. vom 17. bis 22. Juli 1807 mit seinem kaiserlichen Schwager in Dresden weilte, war ihm das Cosel'sche Palais, jetzt An der Frauenkirche 12, zur Verfügung gestellt worden. Diese erste Anwesenheit des Königs von Neapel in Dresden erwähnen Lindau und Taggesell ebensowenig als seine zweite im Mai 1812. Der letzteren gedenkt aber, wenn auch nur ganz kurz, Wilhelm v. Kügelgen, der gemütvolle Verfasser der „Jugenderinnerungen eines alten Mannes“ S. 147–149. Er erwähnt, daß bei seinen Eltern ein Flügeladjutant M's. aufgenommen werden mußte, während letzterer in dem danebenstehenden Lynar'schen Gebäude, Hauptstraße, jetzt 11 (O.-Nr 132), Wohnung genommen hatte (S. ??). Daher konnte ihn Wilhelm von Kügelgen gut beobachten. In seinem erwähnten Buche erzählt er von M.: „Er sah phantastisch aus, wie ein Theaterprinz, trug ein Barett mit Straußenfedern, gestickte Schnürstiefel und einen kurzen, reich mit Gold belegten Waffenrock.“ Höchstwahrscheinlich hat M. auch diesmal an den zu Ehren seines kaiserlichen Schwagers hier veranstalteten Festlichkeiten teilgenommen und unsere Stadt verlassen, nachdem Napoleon abgereist war.
Auch im Kriegsjahre 1813 und zwar nach Lindau und Taggesell am 13., nach Schimpff und Brabant am 14. August erschien M. wieder in Dresden, wohin ihn N. aus Neapel berufen hatte. Bei den bevorstehenden Kämpfen sollte er erneut die Reiterei führen. Da der Kaiser damals im Marcolini'schen Palais wohnte, war M. (nach Brabant S. 235) in dem nicht so fernen Gartenpalais des Prinzen Max, zuletzt Ostra-Allee 22 (O.-Nr. 678, s. Nr. 70) abgestiegen. Jedenfalls wollte sich der Kaiser über den neuen Feldzug mit seinem Schwager gründlich aussprechen, da er auf dessen Urteil großen Wert legte. Nach nur ein- bez. zweitägigem Aufenthalte verließ M. gemeinsam mit Napoleon am Spätnachmittag des 15. Augusts unsere Stadt, und beide begaben sich nach der Lausitz zur Armee. Hier [164] erfuhr der Kaiser bald, daß sich von Böhmen her eine feindliche Armee der sächsischen Residenz nähere. Sofort mußte M. nach Dresden eilen, um hier die Lage zu erkunden und dem Marschall St. Cyr zu melden, Napoleon werde mit seiner schlesischen Armee der bedrängten Stadt möglichst schnell zu Hilfe eilen. In der 11. Vormittagsstunde des 24. Augusts war M. in Dresden angelangt und hatte sich „nach kurzem Aufenthalte in seinem alten Ouartier, dem Maximilianischen Gartenpalais an der Ostra-Allee“ (Brabant S. 256), ein Stück südwärts vor die Stadt begeben, um die bei Räcknitz und Zschertnitz befindlichen feindlichen Stellungen zu erkunden. Etwa in der Gegend der heutigen Strehlener Straße wäre er beinahe einer Kosakenschar in die Hände gefallen, die aus einem Hinterhalte hervorbrach, aber rechtzeitig durch Artilleriefeuer aus einer nahen französischen Schanze vertrieben wurde. – Natürlich war M. in der Schlacht bei Dresden, in der er den französischen rechten Flügel befehligte, hervorragend beteiligt. Es gelang ihm nicht nur, der Armee Schwarzenbergs den Rückzug nach Freiberg zu verlegen, sondern auch deren linkem Flügel sehr schwere Verluste beizubringen und die Verbündeten bis ins Erzgebirge zu verfolgen. Am 2. September kehrte M. von dort nach unserer Stadt zurück, verließ sie aber am Abend des nächsten Tages gemeinsam mit seinem kaiserlichen Schwager, um sich gegen den in Schlesien stehenden Blücher zu wenden. Nach Dresden ist M. nie wieder gekommen.