Herzogin Hadwig wird von Ekkehard über die Klosterschwelle getragen
[756] Herzogin Hadwig wird von Ekkehard über die Klosterschwelle getragen. (Zu dem Bilde S. 745.) Das zweite Kapitel von Scheffels „Ekkehard“, dieser vielgelesenen und weitverbreiteten Geschichte aus dem zehnten Jahrhundert, berichtet uns, wie Hadwig, die Herzogin im Schwabenland, mit großer Gefolgschaft das Benediktinerkloster zum heiligen Gallus in der Schweiz besuchen kommt. Ihr Vetter, der Abt Cralo, zögert anfangs, sie zu empfangen, da kanonische Satzung ihr als Frau das Thor sperrt, die Herzogin aber besteht auf ihrem Wunsch. Da läßt der Abt die Brüder in den Kapitelsaal laden zur Berathung und hier ist es der junge Mönch Ekkehard, der das lösende Wort findet. „Die Herzogin von Schwaben,“ meint er, „ist des Klosters Schirmmacht und als solche so gut wie ein Mann. Und wenn nach den Satzungen kein Weib den Fuß über des Klosters Schwelle setzen darf, so kann man sie ja darüber tragen.“ Der Vorschlag findet allgemeine Zustimmung und Ekkehard selbst wird dazu ausersehen, des eigenen Rathes Vollstrecker zu sein.
Das ist die Scene, die uns Eduard Kämpffer in seinem Bilde vorführt. Den Mittelpunkt desselben bilden die Herzogin und ihr Träger, und wer diese lieblichen feingeschnittenen Gesichter, diese edlen Gestalten nebeneinander sieht, der ahnt den Herzensroman, der sich an diese seltsame Begegnung knüpft. Ganz der Zeichnung des Dichters entspricht auch der Abt in seiner Kutte, mit dem schmalen Büschel Haare, das ihm inmitten des kahlen Schädels noch stattlich emporwächst gleich einer Fichte im öden Sandfeld, mit dem güldenen Kettlein, an dem das Klostersiegel hängt, und dem Abtsstab von Apfelbaumholz mit dem reichverzierten Elfenbeingriff. Große Freude über das seltene Schauspiel zeigen die Klosterknaben, welche das Weihrauchfaß schwingen, und der Kämmerer und die Dienstmannen der Herzogin, welche ihr und ihrem Träger auf dem Fuße folgen.