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Ich seh’ Dich an und glaub’ es kaum

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Heinrich Heine
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Titel: Ich seh’ Dich an und glaub’ es kaum
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube,
Nr. 40, S. 633 (Aus dem Schwanengesange eines deutschen Dichters)
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1869
Verlag: Ernst Keil
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Originalherkunft:
Quelle: Scan auf Commons
Kurzbeschreibung:
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Bearbeitungsstand
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[633]

Ich seh’ Dich an und glaub’ es kaum –
Es war ein schöner Rosenbaum –
Die Düfte stiegen mir lockend zu Häupten,
Daß sie mir zuweilen das Hirn betäubten –

5
Es blüht hervor die Erinnerung –

Ach! damals war ich närrisch und jung –
Jetzt bin ich alt und närrisch – Ein Stechen
Fühl’ ich im Aug’ – Nun muß ich sprechen
In Reimen sogar – es wird mir schwer,

10
Das Herz ist voll, der Kopf ist leer!


Du kleine Cousinenknospe! es zieht
Bei Deinem Anblick durch mein Gemüth
Gar seltsame Trauer, in seinen Tiefen
Erwachen Bilder, die lange schliefen –

15
Sirenenbilder, sie schlagen auf

Die lachenden Augen, sie schwimmen herauf
Lustplätschernd – die Schönste der ganzen Schaar
Die gleicht Dir selber auf ein Haar.

Das ist der Jugend Frühlingstraum –

20
Ich seh’ Dich an und glaub’ es kaum!

Das sind die Züge der theuren Sirene,
Das sind die Blicke, das sind die Töne –
Sie hat ein süßkrötiges Stimmelein,
Bezaubernd die Herzen groß und klein.

25
Die Schmeicheläuglein spielen in’s Grüne,

Meerwunderlich mahnend an Delphine.
Ein bischen spärlich die Augenbraun,
Doch hochgewölbt und anzuschaun
Wie anmuthstolze Siegesbogen –

30
Auch Grübchenringe, lieblich gezogen

Dicht unter das Aug’ in den rosigen Wänglein –
Doch leider weder Menschen noch Englein
Sind ganz vollkommen – das herrlichste Wesen
Hat seine Fehler, wie wir lesen

35
In alten Märchen. Herr Lusignan,

Der einst die schönste Meerfee gewann,
Hat doch an ihr, in manchen Stunden,
Den heimlichen Schlangenschwanz gefunden.