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In der Brautzeit

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Textdaten
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Autor:
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Titel: In der Brautzeit
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 18, S. 552–553, 578
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1890
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[552–553]

In der Brautzeit.
Nach einem Gemälde von E. Spitzer.

[578] In der Brautzeit. (Zu dem Bilde S. 552 und 553.) Wie viel Glück in dem kleinen Raum eines Zimmers! Wie viel ist gegenwärtig und wie viel winkt in nächster und in fernerer Zukunft! In selige Gedanken versunken näht die Braut an ihrer Aussteuer, neben ihr über den Stuhl gebreitet prangt schon das beinahe vollendete Hochzeitskleid; in Schrank und Koffer aber ruhen reiche Schätze an allerlei Linnenzeug, darüber sie einst als waltende Hausfrau gebieten soll im eigenen Heim. Über den rosigen Bildern ihrer Phantasie, über dem emsigen Wert ihrer kunstfertigen Finger und über dem Klappern der Nähmaschine, an der die alte Vera, des Hauses unentbehrlichstes Rüstzeug, der herangeblühten Tochter die Brautausstattung näht, wie sie einst vor Jahren dem Kinde sein erstes Kleidchen gefertigt hatte – über all dem hat das liebliche Mädchen den leisen Schritt überhört, der hinter ihr über den Teppich gleitet.

Ihre Gedanken, die den Geliebten fern in der Residenz als Arzt von einem Krankenbette zum andern eilend, überall Trost und Hilfe spendend wähnen, sie sind noch von keiner Ahnung durchzuckt, daß er ihr so nahe sei, daß nur eine Sekunde sie noch von dem seligen Augenblicke trennt, wo sie von zwei kräftigen Armen sich fest umschlungen und Wangen und Mund von ungezählten Küssen bedeckt fühlen wird. Auch die Mutter, die dem jüngeren Schwesterchen Anleitung in den Künsten der Nähnadel giebt, damit es auch fein Theil zum großen Aussteuerwerke beitragen könne, hat noch nichts von dem unerwarteten Ankömmling bemerkt; wohl aber die alte Vera und der Bruder, dessen Aufmerksamkeit nicht so streng bei seinem Schulbuche war, daß er den Schwager in spe nicht sofort unter der Thür entdeckt hätte. Kaum zähmt er den lachlustigen Mund, und die Gefahr ist groß, daß er noch im letzten Augenblick durch ein vorzeitiges Kichern den Ueberfall vereitle – was übrigens dem Glücke dieser anmuthigen Familiengruppe auch keinen Eintrag thun würde.