In eigener Sache
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Der Umstand, daß ich in meiner kürzlich veröffentlichten „Originalstenographie für Esperanto“ R nach Stolze-Schreyscher Art bezeichne, veranlaßt Dr. Mager in Nummer 7/8 des „Elbwart Stolze-Schrey“ zu der Schlußfolgerung, ich hätte mich auf die Dauer der Einsicht nicht verschließen können, daß das Radzahn-R mit dem kurzschriftlichen Fortschritt unvereinbar sei und mein neues Bekenntnis zum Kreis-R sei für die „Reichskurzschrift“ (?) eine schwere moralische Niederlage.
Demgegenüber bemerke ich:
1. Ich schuf keine Übertragung der Einheitskurzschrift, sondern eine Originalstenographie für Esperanto, suchte also, ohne Rücksicht auf andere Sprachen, das stenographische Problem für Esperanto in zweckmäßigster Weise zu lösen.
2. Die Welthilfssprache mit ihren vielen mehrsilbigen Wurzeln, ihren nur fünf Selbstlauten und ihren gegenbüer dem Deutschen viel geringeren Unterschieden in den Häufigkeiten der einzelnen Selbstlaute bot mir erwünschte Gelegenheit, ein Vokalisationsprinzip durchzuführen, das, soviel mir bekannt ist, grundsätzlich noch nie verarbeitet worden war: Die verschiebende Auslautvokalisation vom Fuß- oder Schnittpunkt des vorausgehenden Zeichens unabhängig zu machen und ausnahmslos alle Zeichenstellungen auf die stets unbewegliche Grundlinie zu beziehen (absolute Zeichenstellung[VL 1]), also bei denkbar leichtester Mechanisierbarkeit alle Kletterwortbilder zu vermeiden. Die Durchführung dieses Grundsatzes führt zwangsläufig zur Bedeutungslosigkeit der Kopf- und der Fußschlingen und zur Bedeutungslosigkeit der Vergrößerung aller halbstufigen Mitlautzeichen und gibt daher für die Nachlaut-R-Konsonanzen keine einzügigen Zeichen frei.
3. Solche sind aber für diese Konsonanzen entbehrlich, denn sie sind im Esperanto viel seltener als im Deutschen und können dort auch nicht für unbetonte Endsilben weiter ausgewertet werden.
4. Auch als Einzelbuchstabe ist R im Esperanto viel seltener als im Deutschen und kommt dort außer den Wurzeln nur in einer Vorsilbe (re), in zwei sehr seltenen Nachsilben (ar und er) und in keiner Endung vor. Da es wünschenswert ist, die Buchstaben der überaus häufigen Endungen -j, -n, -jn halbstufig zu gestalten, so kommt dem Radzahn die Bedeutung jn zu, in der er gar nie in die Tiefe rückt.
[218] 5. Für S ist die Kreisschlinge leicht entbehrlich, da es namentlich auch als Nachlaut viel seltener ist als im Deutschen und da sich im Esperanto die Gabelsbergersche H-Form im Zusammenhalt mit dem weichen S, dem Sp, St, dem weichen und dem harten Sch besser eignet.
6. Für mich ist die Bezeichnung jedes Lautes, also auch die des R, eine Frage der graphischen Zweckmäßigkeit. Diese weist aber in verschiedenen Sprachen und innerhalb verschiedener systemaler Rahmen verschiedene Wege. Oder wollte man in der deutschen Kurzschrift für Tsch ein hochwertiges einzügiges Zeichen verlangen, weil dieser Laut in den slavischen Sprachen häufig ist? Daher kann aus der Art, wie ich R im Esperanto bezeichne, auf meine Ansicht über seine zweckmäßigste Bezeichnung im Deutschen kein zutreffender Schluß gezogen werden. Ich stehe auch heute noch auf dem Standpunkte, daß der Radzahn für R und einzügige Formen für dessen Anlautkonsonanzen auf der Gabelsberger-Stolze-Schreyschen Grundlage ein Gebot der graphischen Zweckmäßigkeit für die deutsche Kurzschrift ist, schon deshalb, weil auch die breitspurigsten Abhandlungen dagegen die Tatsache nicht aus der Welt schaffen können, daß kein einziger auf dieser Grundlage mit dem Ringel-R veröffentlichter deutscher Entwurf eine befriedigende S-Bezeichnung bot.
7. Auf die allgemeinen Ausführungen im Elbwart und auf die Haltung Dr. Magers in der R-Frage, seit dem Stolze-Schreyschen Stenographentage in Eisenach komme ich im Herbste zurück.
St. Egidi bei Murau, Obersteier.Anmerkungen der Vorlage
[Bearbeiten]- ↑ Auf die Einheitskurzschrift übertragen, ergäbe sich beispielsweise für „dividieren“: „divederum“![WS 1]
Anmerkungen (Wikisource)
[Bearbeiten]- ↑ Hier ist zu lesen: „divederun“.