Indische Wassernoth
Indische Wassernoth.
Fast in derselben Zeit, in welcher Frankreich im vorigen Jahre von ungeheuern Ueberschwemmungen heimgesucht wurde, litt auch Indien in noch weit ausgedehnterer und verderblicher Art durch beispiellose Wassersnoth. Die großen Ströme dort, der Indus und der Ganges, mit zahlreichen Beiflüssen, traten über ihre Ufer und ergossen sich über das umliegende Land. Der Ganges stieg z. B. in Mirzapur fünfzig Fuß über seinen gewöhnlichen Stand. Die Fluten, die er über das Land ergoß, glichen einem Meere, und sie schwemmten Städte und Dörfer hinweg. Viele Tausende von Menschen fanden ihren Tod; und der Schaden, den die Wasser anrichteten, beträgt viele Hunderte von Millionen Thalern. Eigenthümlich schauerlich war der Anblick, den die überschwemmten Gegenden gewährten, denn man sah in diesem neu entstandenen Meere hier und da einzelne hohe Gebäude, auf Anhöhen ganz kleine Dörfer, an sehr vielen Stellen aber die Kronen hoher Palmen und anderer indischer Bäume hervorragen, während nach allen Richtungen hin Böte fuhren, um Unglückliche wo möglich zu retten, die entweder mit den Fluten selbst kämpften, oder sich auf die Dächer von Gebäuden, auf die Gipfel von Hügeln oder auch auf Bäume geflüchtet hatten. Die Strömung riß Hausgeräthe aller Art, Stücke von Häusern, ja ganze kleine Bambusgebäude mit sich fort. So weit die Ueberschwemmung reichte, wurden die Ernten vernichtet, aber so traurig dies für die Bewohner in der nächsten Zeit sein wird, gilt es doch auch zugleich als Segen für die Zukunft, denn das Wasser setzt eine große Menge Erde ab und führt den Feldern, die dort noch nie, seit sie bebaut worden sind, also seit Tausenden von Jahren, ein Theilchen Dünger empfangen haben, neue Fruchtbarkeit zu, wie ja bekanntlich in Egypten die Ueberschwemmung des Landes durch den Nil auch das einzige Düngemittel ist.
Bei jener grauenhaften Ueberschwemmung in Indien in einer Ausdehnung von vielen Hunderten von Meilen kamen unter herzzerreißenden auch solche Scenen vor, die Verwunderung, wohl gar ein Lächeln zu erregen im Stande waren. Es wimmelt dort bekanntlich von wilden Thieren, Schlangen und anderem Ungeziefer. Alles was lebt, fürchtet den Tod; es vergaßen darum bei dem Herannahen der verderblichen Flut selbst die wildesten Raubthiere ihre Mordsucht und sie dachten an nichts, als an die Rettung
[37]ihres Lebens. Die erbittertsten Feinde achteten nicht auf einander, ja es kam vor, daß sie neben einander auf einer Anhöhe oder gar auf einem Baume Schutz vor dem Wasser suchten.
Eine solche Scene, eine solche gefährliche Nachbarschaft, zeigt unser Bild. Eine riesige Schlange hat sich auf einen Baum geflüchtet und sich da bequem zusammengeringelt und zurecht gelegt, auch zur größeren Sicherheit mit dem eigenen Schwänze angebunden. Eine andere, die sich verspätet hat, erreicht soeben noch den Fuß desselben Baumes, blickt sehnsüchtig hinauf und wird, aber vergebens, hinaufzuklettern versuchen. Zwischen diesen beiden Ungethümen sehen wir einen Tiger, der verzweiflungsvoll über das neue Meer hinblickt. Mürrisch, wie ein eingefangener verstockter Verbrecher, der keine Möglichkeit, zu entkommen, vor sich sieht, versunken in trübe Gedanken darüber, daß diesmal sein Ende wohl unvermeidlich sein dürfte, sitzt er zusammengekauert zwischen zwei Aesten und stiert gerade vor sich hin, selbst ohne auf die gefürchtete Gegnerin, die Schlange über ihm oder auf die von unten heraufkommende zweite zu achten.
Auf dem Gipfel des Baumes haben sich Adler und andere Vögel niedergelassen, die wohl verwundert, aber nicht bekümmert sich umschauen, da sie ja wissen, daß das Wasser ihnen nicht verderblich werden kann.
Wahrhaft komisch nahmen sich manche Bäume aus, auf denen sich ganze Schaaren von Affen gesammelt hatten, die in den possirlichsten Stellungen da saßen, auf das von ihnen so sehr gefürchtete nasse Element hinabsahen, um die besten Plätze unter einander sich kratzten und bissen und dabei einen unaufhörlichen Lärm verführten.