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Interlaken in der Schweiz

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LXXVII. Bonn Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Zweiter Band (1835) von Joseph Meyer
LXXVIII. Interlaken in der Schweiz
LXXIX. Der Theseus-Tempel bei Athen
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INTERLACKEN
in der Schweiz

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LXXVIII. Interlaken in der Schweiz.




An der Felsenpforte zu der Zauberwelt des Berner Alpenlandes, zwischen den Seen von Brienz und Thun, welche die wilde Aar bildet und durchströmt, liegt in einem engen romantischen Thale Interlaken, ein freundliches, wohlhabendes Dorf. Neun Monate im Jahr ist es der Sitz der Stille, Einsamkeit und Ruhe; aber in den Sommermonaten gleicht es dem lebendigsten, geräuschvollsten Badeort. Dann ziehen ihm die Reisenden in großen Schaaren zu und es wird der Sammelplatz Aller, welche nicht ausschließlich die canonisirten Wege in die Gebirgswelt verfolgen, sondern, vom Genius des Ruhms, oder der Wißbegierde, oder von der Lust am Ungewöhnlichen getrieben, den Chausseen abtrünnig werden und auch auf einsamern, mühe- und gefahrvollern Stegen Helvetiens Alpennatur zu erforschen trachten. Es sind dies meistens Britten, und jede Hütte wird dann zur Wohnung von einer oder mehren englischen Familien. Schottische und englische Weisen verdrängen dann fast die heimischen, und obschon inmitten der Schweiz, glaubt man sich in einer englischen Kolonie.

Die Gegend von Interlaken vereinigt in einem Umkreis von wenigen Stunden in der That Alles, was der Schweiz-Reisende zu sehen begehren mag: Bilder der stillen, heitern, idyllischen Natur, die malerischen Landschaften der waldbewachsenen Mittelgebirge mit ihren Matten, Sennen und Heerden, die Scenerien der Hochalpen in ihrer ganzen Majestät, und alle Varietäten der Seelandschaft, vom flachen Wiesengestade an mit in Reben- und Nußbaumpflanzungen gehüllten Weilern und mit den reichsten Fernsichten, bis zum grauenhaften Dunkel der Seeschlucht, wo 1000 Fuß hohe Felsenmassen die Ufer überhängen, und die Aussicht sich auf das strahlende Blau des Aethers beschränkt, in dessen Abglanz die wallenden Wogen meergrün schimmern.

Die belohnendsten Parthien um Interlaken sind das Aarthal hinauf, die über Meiringen und Guttanen auf den Grimsel, ferner die nach Grindelwald, in die Gletscherwelt des Wetterhorns, die Tour dem Reichenbach-Fall vorbei in die wenig besuchten, an Naturschönheiten reichen Thäler Kien, Kander und Adelboden und dann hinauf in die Höchstalpenwüste, in das Polarreich des ewigen Winters, wo die unerstiegene Jungfrau thront, durch das Lauterbrunnerthal, das für sich schon als eine Welt der herrlichsten Naturscenen gelten mag. Die Fahrten auf den beiden Seen, wozu immer eine Menge Boote, die von starken, flinken Bauernmädchen geführt werden, welche den Ruderschlag mit Volksgesängen begleiten, bereit stehen, und die Wasserparthieen auf der krystallhellen Aar nach Thun hinab haben [82] eigenthümliche Schönheiten. – Es ist nichts Ungewöhnliches, in Interlaken während der Saison einen Kreis der ausgezeichnetsten Männer Brittaniens anzutreffen. Byron, der hier einen Sommer zubrachte und in dieser Gegend die Urbilder fand für seine grandiosen und ergreifenden Beschreibungen der Alpen in Childe-Harold und Manfred – lebt mit seiner Gutmüthigkeit, mit seiner Verschwendung und seinen exzentrischen Streichen noch in Aller Andenken fort.

Das Volk, welches diese Gegend bewohnt, vermehrt ihre Reize. Unter einer freien Verfassung und fast ohne Abgaben, lebt der Berner Aelpner, und fast ohne Ausnahme, im Wohlstand. Es ist ein Menschenschlag, dem die Freiheit seit vier Jahrhunderten ihr eigenthümliches Gepräge – Schönheit, Stärke und edlen Anstand – aufgedrückt hat, und es ist etwas Alltägliches, Hirten und Sennerinnen zu begegnen, die an die Zeiten erinnern, da junge Helden, oder die Töchter der Fürsten, es nicht unter ihrer Würde achteten, am umwölkten Olymp die väterliche Heerde zu hüten.