Ist die Erde im Laufe der Zeiten kälter geworden?

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Autor: unbekannt
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Titel: Ist die Erde im Laufe der Zeiten kälter geworden?
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aus: Die Gartenlaube, Heft 47, S. 751–752
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1864
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[751] Ist die Erde im Laufe der Zeiten kälter geworden? Wenn einmal, wie es im laufenden Jahre geschehen, unsere Breitengrade einen kühleren Sommer als gewöhnlich haben, da entsteht so oft die obige Frage, trotzdem daß die Wissenschaft sie schon längst unzweifelhaft verneinte. Natürlich von jener Zeit an gerechnet, in der die Erde als feuriger, flüssiger oder doch als weicher Ball entstand, hat sie sich abgekühlt bis zu dem Punkte, auf welchem angekommen sie durch Ausstrahlung in den kalten Weltraum nur ebensoviel Wärme verliert, wie sie andererseits jährlich von der Sonne empfängt. Dabei hat die Oberfläche unseres Planeten, wenn man die ganze Wärmemenge des Jahres über alle Punkte desselben sich gleichmäßig vertheilt denkt, eine Temperatur von 11,7° R. Soviel aber hat sie vor tausenden, vielleicht hunderttausenden von Jahren auch gehabt, jedenfalls so lange schon, als Menschen auf ihr herumwandeln. Einen Beweis dafür liefert die Pflanzengeographie, welche lehrt, in welcher mittleren Jahrestemperatur diese oder jene Pflanze im Freien gedeihe, und welche dafür die geographischen Grenzen, denen also doch eine bestimmte mittlere Temperatur zukommt, angiebt. Die allerältesten Nachrichten nun, verglichen mit den Erfahrungen unserer Tage, weisen jeder Pflanze noch einen und denselben Standort an; die Temperatur dieser einzelnen Gegenden kann sich also nicht vermindert haben, sonst wären die Grenzen, welche den von der Natur gegebenen Standort der Pflanzen bezeichnen, südlicher, d. h. näher nach dem Aequator gerückt, das ist aber nicht der Fall. Im Gegentheil hat die intensive Cultur, die Entwaldung vieler Bodenstrecken, eher eine wenn auch sehr geringe höhere Erwärmung derselben Gegenden hervorgebracht.

[752] Doch noch einen Beweis giebt es, der unumstößlich darlegt, daß eine Verminderung der Summe der Wärme des ganzen Erdballs nicht stattgefunden hat. Er ist zwar keineswegs neu, doch verdient er durch seine sinnreiche Ableitung sicher eine größere Verbreitung, als er bis jetzt haben wird. Bekanntlich dehnt die Wärme alle Körper aus, die Kälte zieht sie zusammen. Wenn ein Körper sich um seine Axe dreht, und zwar mit einer gewissen sich gleichbleibenden Kraft, so wird seine Drehung eine um so schnellere, je kleiner derselbe wird. Hätte die Temperatur der Erde abgenommen, so würde sie sich in dem Maße ihrer Abkühlung zusammengezogen, also verkleinert haben, ihre Umdrehung würde mithin schneller geworden sein. Mit unseren irdischen Uhren hätten wir das freilich nicht controlirenn können, wenn die Differenz für vierundzwanzig Stunden etwa 1/100 Secunde betrüge. Wenn wir aber außer unserem Planeten liegende Uhren benutzen, nämlich die Beobachtung der Stellung anderer Himmelskörper zu einander, wie sie uns von der Erde aus erscheint, so wird doch eine Controle möglich. Nun hat nämlich Hipparch vor etwa zweitausend Jahren die Länge des Tages nach den in gewisse unwandelbare Perioden eingeschlossen wiederkehrenden Mondfinsternissen bestimmt, zwischen denen allemal so und so viel Tage, Stunden, Minuten und Secunden verlaufen, und heute – beträgt der Zeitraum noch ebensoviel. Drehte sich aber die Erde täglich um 1/100 Secunde schneller um ihre Axe, so würde das im Verlaufe eines Jahres schon etwas über 31/2 Secunden Differenz für die vorausberechneten Finsternisse ergeben, ein Unterschied, der bei den so unendlich genauen Beobachtungsinstrumenten der Jetztzeit schon viel, viel eher bemerkbar werden müßte.

Also getrost! – so lange das Menschengeschlecht besteht, hat sich die Temperatur der Erde gewiß nicht um 1/100 Grad vermindert, und wenn einmal ein Sommer bei uns kühler ist, dann hat ihn die westliche Halbkugel der Erde desto wärmer, und ein späterer wird das Versäumte auch bei uns einholen.