Italienische Kinderweihnacht

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Autor: Woldemar Kaden
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Titel: Italienische Kinderweihnacht
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aus: Die Gartenlaube, Heft 49, S. 837, 840
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1895
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[837]

Italienische Kinderweihnacht.
Nach einer Originalzeichnung von P. Scoppetta.

[840] Italienische Kinderweihnacht. (Zu dem Bilde S. 837.) Anders als bei uns im Norden verläuft Weihnachten im italienischen Süden, wo Kälte und Schnee seltene Gäste sind und der liebe Tannenbaum nicht grünt.

Wie die Schwalben den Lenz, künden die Hirten von den Bergen, die Pifferari oder Zampognari, mit ihren überlustigen Dudelsackweisen am 29. November schon das Nahen des schönsten Festes an. Vom 29. November bis 7. Dezember dauert die Andacht zur heiligen Jungfrau, deren Töne die Kinderwelt immer und immer wieder und immer noch wie vor hundert Jahren elektrisieren. Wie Orgelton erklingt der Dudelsack, ernst und tief, mahnend und tröstend, wie Rede der Alten; wie übermütiger Kinderjubel im Rhythmus des Pastorale hüpfen jauchzend und schmetternd die Töne der Schalmei darüber hinweg.

Eine übermütige Kinderschar, schwarzköpfig alle, mit dunkeln strahlenden Augen, umdrängt die beiden Spieler, und die tüchtigen Jungen suchen ihnen die Kunst abzulernen.

Das Ganze ist ja nur die Ouverture, aber eine Ouverture ohne Ende, eine von neun Tagen. Nach diesen giebt es eine große Pause bis zum 16. Dezember, an diesem Tage beginnt das eigentliche Stück, die „Novena del Gesù Bambino“, die neuntägige Andacht zum Jesuskind, und die dauert nun bis 24. Dezember. Aber das ist eine fieberhafte Zeit, denn das größte Schmausfest, der größte Festschmaus muß in magenwürdiger Weise vorbereitet werden: Hühner, Kapaunen, Truthähne, Lämmer, Kälber, Fische, Meerfrüchte, Krebse, dann Aepfel, Birnen, Feigen, Mandeln, Nüsse, Trauben, Melonen und Orangen, Kraut und Kohl füllen bereits alle Räume und häufen sich auf den Marktplätzen zu Hügeln und Bergen.

Aber die Kinder in der Stadt und auf dem Dorfe haben inmitten dieses materiellen Treibens noch etwas Besseres zu thun: der Präsepe (die Krippe) muß in seiner traditionellen Herrlichkeit aufgebaut werden, Bethlehem soll erstehen mit dem Stern und mit dem kleinen rosenroten Menschenkind in der Krippe, und unschuldige Kinderhände bringen das wächserne auf einem Schüsselchen getragen und alle, Kerzen, Blumen und Zweige in den Händen, goldene Früchte in den Schürzen, begleiten es singend in Prozession zur Kirche, dort werden die Lichter angezündet und aus Kindermund ertönt Christkindleins Wiegenlied:

 „Schlaf, o schlaf, schön Kindelein,
 König fein.
 Schlafe, schlaf, du Söhnchen mein.
 Träume, Engelsangesicht,
 Himmelskönig,
 Holde Lilie, zart und licht.‟

Und Don Biagio, der vielbeschäftigte Parroco (Pfarrer), der das Kind ins Moos gebettet, reibt sich weihnachtsfroh die Hände, schnuppt die Kerzen und setzt den großen goldpapierenen Bethlehem-Stern in schwingende Bewegung.

Das ist die Weihnachtswonne der süditalienischen Jugend, der Weihnachtsbaum ist ihr fremd. Das Bild P. Scoppettas zeigt den Aufbruch einer fröhlichen Kinderschar zur Kirche, das kleine Mädchen inmitten der Treppe trägt das wächserne Christkindchen vorsichtig auf den Armen. Woldemar Kaden.