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Jaques Callot

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Textdaten
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Autor: E. T. A. Hoffmann
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Titel: Jaques Callot
Untertitel:
aus: Fantasiestücke in Callot’s Manier, Erster Theil, S. 1–6
Herausgeber:
Auflage: Zweite, durchgesehene Auflage in zwei Theilen (= Ausgabe letzter Hand)
Entstehungsdatum: 1814–15, revidiert 1819
Erscheinungsdatum: 2. Auflage: 1819
Verlag: Kunz
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Erscheinungsort: Bamberg
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Quelle: pdf bei commons: Bd.1
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I. Jaques Callot.[a 1]

Warum kann ich mich an deinen sonderbaren fantastischen Blättern nicht satt sehen, du kecker Meister! – Warum kommen mir deine Gestalten, oft nur durch ein Paar kühne Striche angedeutet, nicht aus dem Sinn? – Schaue ich deine überreichen aus den heterogensten Elementen geschaffenen Compositionen lange an, so beleben sich die tausend und tausend Figuren, und jede schreitet, oft aus dem tiefsten Hintergrunde, wo es erst schwer hielt sie nur zu entdecken, kräftig und in den natürlichsten Farben glänzend hervor. –

Kein Meister hat so wie Callot gewußt, in einem kleinen Raum eine Fülle von Gegenständen zusammenzudrängen, die ohne den Blick zu verwirren, neben einander, ja in einander heraustreten, so daß das Einzelne als Einzelnes für sich bestehend, doch dem Ganzen sich anreiht. Mag es seyn, daß schwierige Kunstrichter ihm seine Unwissenheit in der eigentlichen Gruppirung, so wie in der Vertheilung des Lichts, vorgeworfen; indessen geht seine Kunst auch eigentlich über die Regeln der Mahlerei hinaus, oder vielmehr seine Zeichnungen sind nur Reflexe aller der fantastischen wunderlichen Erscheinungen, die der Zauber seiner überregen Fantasie hervorrief. Denn selbst in seinen aus dem Leben genommenen Darstellungen, in seinen Aufzügen, seinen Bataillen u. s. w. ist es eine lebensvolle Physiognomie ganz eigner Art, die seinen Figuren, seinen Gruppen – ich möchte sagen etwas fremdartig Bekanntes giebt. – Selbst das Gemeinste aus dem Alltagsleben – sein Bauerntanz, zu dem Musikanten aufspielen, die wie Vögelein in den Bäumen sitzen, – erscheint in dem Schimmer einer gewissen romantischen Originalität, so daß das dem Fantastischen hingegebene Gemüth auf eine wunderbare Weise davon angesprochen wird. – Die Ironie, welche, indem sie das Menschliche mit dem Thier in Conflikt setzt, den Menschen mit seinem ärmlichen Thun und Treiben verhöhnt, wohnt nur in einem tiefen Geiste, und so enthüllen Callots aus Thier und Mensch geschaffene groteske Gestalten dem ernsten tiefer eindringenden Beschauer, alle die geheimen Andeutungen, die unter dem Schleier der Skurilität verborgen liegen. – Wie ist doch in dieser Hinsicht der Teufel, dem in der Versuchung des heiligen Antonius die Nase zur Flinte gewachsen, womit er unaufhörlich nach dem Mann Gottes zielt, so vortrefflich – der lustige Teufel Feuerwerker, so wie der Clarinettist, der ein ganz besonderes Organ braucht, um seinem Instrumente den nöthigen Athem zu geben, auf demselben Blatte sind eben so ergötzlich.

Es ist schön, daß Callot eben so kühn und keck, wie in seinen festen kräftigen Zeichnungen, auch im Leben war. Man erzählt, daß, als Richelieu von ihm verlangte, er solle die Einnahme seiner Vaterstadt Nancy graviren, er freimüthig erklärte: eher haue er sich seinen Daumen ab, als daß er die Erniedrigung seines Fürsten und seines Vaterlands durch sein Talent verewige.[a 2]

Könnte ein Dichter oder Schriftsteller, dem die Gestalten des gewöhnlichen Lebens in seinem innern romantischen Geisterreiche erscheinen, und der sie nun in dem Schimmer, von dem sie dort umflossen, wie in einem fremden wunderlichen Putze darstellt, sich nicht wenigstens mit diesem Meister entschuldigen und sagen: Er habe in Callot’s Manier arbeiten wollen?




Anmerkungen (Wikisource)

  1. Jacques Callot (1592-1635), französischer Graphiker
  2. 1633 produzierte Callot – angeregt von seinen Erlebnissen bei der Invasion Lothringens durch Kardinal Richelieus Truppen – einen Zyklus von 18 Radierungen unter dem Titel Les Misères et les Malheurs de la guerre – Das Elend und Unglück des Krieges. Zu der Anekdote siehe Portal Westfälische Geschichte, besonders Anmerkung 3.