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König Glaß

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Textdaten
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Autor:
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Titel: König Glas
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 13, S. 192
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1859
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[192] König Glaß. Ein kürzlich in London erschienenes Buch, dessen Verfasser Dr. Knighton ist, enthält unter andern folgende interessante Erzählung, deren Inhalt gewiß der deutschen Leserwelt noch nicht bekannt ist. Fern in der Südsee liegt ein Eiland, Aumda genannt, welches so entlegen ist, daß es selten ein Schiff zu Gesicht bekommt, wenn man den schmutzigen Wallfischfänger abrechnet, der hin und wieder hier anlegt. Diese Insel wurde während der Gefangenschaft des Kaisers Napoleon auf St. Helena von der englischen Regierung mit einer Artillerieabtheilung besetzt, und in diesem Commando diente als Corporal ein Mann, Namens Glaß, welchem das öde Eiland so wohl gefiel, daß er beschloß, einem Robinson ähnlich, sein noch übriges Leben hier zu verbringen.

Als die Insel wieder aufgegeben und seine Dienstzeit abgelaufen war, brachte er diesen Entschluß wirklich zur Ausführung. Die Regierung ging ihm dabei hülfreich an die Hand und er ward, mir Weib und Kindern so wohl, als auch mit mehreren seiner Freunde, die er für seinen Plan gewonnen hatte, nach seiner 1100 Meilen vom nächsten bewohnten Orte entfernten Insel zurückgebracht. Dieselbe war vor der Besetzung durch das erwähnte Commando nie bewohnt gewesen, aber diese hatte sie in etwas für die Aufnahme der kleinen Colonie vorbereitet.

Glaß landete im Jahre 1623 mit 6 Gefährten, welche sämmtlich verheirathet waren und zusammen 11 Kinder hatten, und schon 1829 zählte, einer sichern Quelle vom Cap der guten Hoffnung nach, der junge Staat 29 Seelen, nämlich 7 Männer, 6 Frauen (eine war gestorben) und 16 Kinder. Im Jahre 1849 waren 86 Einwohner auf der Insel; Glaß lebte noch immer als Monarch dieses kleinen Reiches. Man hatte 600 Acker Land urbar gemacht und der Viehstand hatte sich bedeutend vermehrt, denn aus 5 Stück Rindvieh waren 100 geworden und die Zahl der Schafe war von einem Dutzend auf 300 gestiegen. Die Schweine und Ziegen, die noch von der Besetzung durch die Soldaten her da waren, waren wild geworden und auf der ganzen Insel zu finden. Alles war in einem viel versprechenden Zustande und man konnte sehen, daß Glaß sein Scepter gut zu führen verstehe. Er hatte und hat vielleicht noch alle einem Fürsten nothwendigen Eigenschaften und war der König und der Priester seines Volkes zugleich. Dieses betrachtete ihn als den Weisesten der Weisen und liebte ihn dabei wie einen Vater! trotzdem aber hielt er streng auf Ordnung und seine Unterthanen hatten eine heilsame Furcht vor ihm.

Am meisten mußten sie die Wallfischfänger fürchten, deren Mannschaft in der Regel das Eigenthum Anderer nicht sehr achtet, und in früheren Jahren floh Glaß mit seinen Gefährten in das Gebirge, welches die halbe Insel einnimmt, sobald man ein solches Schiff auf dieselbe zukommen sah. Ein 8000 Fuß hoher Berg nahm dann Heerden und Familien in seinen Schluchten auf, und die Räuber fanden gewöhnlich nicht, was sie brauchten. Im letzterwähnten Jahre jedoch war die Bevölkerung der Insel bereits mächtig genug, um sich vor solchen Angriffen zu schützen, und so sehr man früher der Annäherung eines Schiffes mit Besorgniß entgegengesehen hatte, eben so sehr war man jetzt darüber erfreut. R. W.