Zum Inhalt springen

Karlsruhe (Meyer’s Universum)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
CCLVII. Die Heldburg und der Straufhain Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band (1839) von Joseph Meyer
CCLVIII. Karlsruhe
CCLIX. Valenzia
  Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
[Ξ]

CARLSRUHE

[67]
CCLVIII. Karlsruhe.




Nach einem Salvator-Rosa-Bilde kann auch noch ein de Heem ergötzen, und aus dem romantischen Grenzgau Franken’s wandern wir gern in das segenreiche Flachland des Oberrheins, voll fetter Wiesen, fruchtbarer Kornfelder, lachender Obst- und Rebengärten, und stattlicher, sorgfältig gepflegter Waldungen. Einem solchen Bilde geht zwar der Reiz des Romantischen ab, – Ebenen widersprechen dem Begriffe, – aber dafür hat es den der Anmuth. Gibt es wohl ein fröhlicheres Bild, als eine Landschaft, wo man das reinliche Bauernhäuschen kaum vor Fruchtbäumen, die runden Kindergesichter an den Fenstern kaum vor Rosen, oder Weinblättern, die Heerden nicht vor der bunten Fluth des Grases, die Schnitterinnen nicht vor den goldnen Aehren sieht? Und solche Bilder bietet die Gegend von Karlsruhe, der Hauptstadt des Badener Landes, in Menge dar.

Karlsruhe’s Entstehung ist, der Ursache nach, ein merkwürdiger Beleg zu der Wahrheit, daß Kleines oft Großes gebiert. Einige auf die Wahrung vermeintlicher städtischer Gerechtsame eifersüchtige, blödsinnige Magistratspersonen Durlach’s, der alten badischen Residenz, widersetzten sich zu Anfang des vorigen Jahrhunderts den Verschönerungs- und Erweiterungsplänen ihres Fürsten, des Markgrafen Karl Wilhelm. Dieser, unwillig darüber, baute sich an der Stelle des heutigen Karlsruhe ein Schloß und machte es zu seiner bleibenden Residenz. Bald knüpfte sich daran die Anlage einer Stadt, für deren Bau der Markgraf einen originellen Plan entwarf und bestimmte, daß von demselben niemals abgewichen werden sollte. – Hinter dem prachtvollen Schlosse breitet sich der von Alleen durchschnittene, aus Eichen und Buchen bestehende große Hartwald aus; vor der Fronte des Palastes ist ein geräumiger Platz, und von diesem laufen, als aus einem gemeinschaftlichen Mittelpunkte, die 9 Hauptstraßen der Hauptstadt in so viel Strahlen aus, und bilden einen weiten Halbkreis, den die Querstraßen bogenförmig durchschneiden. Mit ihren dem Schlosse zugekehrten Spitzen bilden jene 9 Straßen einen von Arkaden eingerahmten Halbzirkel, der, da alle Häuser einerlei Höhe und Styl haben, eine imponirende Totalansicht gibt. Die öffentlichen Plätze, deren Karlsruhe 5 zählt, sind der Regelmäßigkeit der Straßen angemessen, und den neuen Markt schmücken eine Menge palastähnlicher Gebäude. Das Schloß ist im altfranzösischen Styl erbaut, hat ein Hauptgebäude mit zwei Flügeln, deren Fronte sich einerseits durch die Orangerie- und Gartengebäude, andererseits durch die [68] Marställe und Reitschule verlängert. Es enthält berühmte Kunstsammlungen; Gemäldegallerie, Antiken- und Kupferstichkabinet, und eine große Bibliothek. Fast alle öffentlichen Gebäude sind mit Geschmack, viele mit Pracht aufgeführt. Die neue evangelische Hauptkirche, die katholische mit ihrer 100 Fuß weiten, herrlichen Kuppel, die Synagoge, zeichnen sich durch Umfang, oder Styl aus. Großartig ist die Münze, ein schöner Palast; ferner das Hochberg’sche Schloß und das Theater, welches 2000 Zuschauer faßt. An den Privatwohnungen ermüdet die Einförmigkeit der Bauart, so wie überhaupt das Allzuregelmäßige der ganzen Anlage, – diese immer wiederkehrenden geraden oder Bogen-Linien, die immer gleich weiten Entfernungen und Durchschnitte der Straßen und die endlosen Pappelalleen, welche vor der Stadt sich nach allen Richtungen als schnurgerade Linien in die Ebene verlaufen, – nur für den Augenblick gefällt. Bald tritt Ueberdruß ein und der Blick sehnt sich nach Abwechselung.

Karlsruhe, durch den Hof gegründet, blüht, unter dem Schirme des Fleißes und des gewerblichen Sinns seiner Bewohner, zu großem Gedeihen auf. Während Durlach die bittere Frucht der kurzsichtigen Spießbürgerlichkeit ärndtet und verwelkt, ist die neue Residenz zu einer der schönsten Städte Deutschlands empor gewachsen, die jetzt in 1400 Häusern über 24,000 Bewohner zählt. Ein hoher Grad von Bildung und eine humane Denkweise, von vortrefflichen Unterrichtsanstalten ausgehend und gepflegt, ist in allen, selbst in den niedrigern Bürgerkreisen, mehr oder weniger heimisch geworden, und Karlsruhe gebührt in dieser Beziehung unter den deutschen Städten ein Platz in der vordersten Reihe.