Klage der Ceres
Ist der holde Lenz erschienen?
Hat die Erde sich verjüngt?
Die besonnten Hügel grünen,
Und des Eises Rinde springt.
Lacht der unbewölkte Zeus,
Milder wehen Zephyrs Flügel,
Augen treibt das junge Reis.
In dem Hayn erwachen Lieder,
Deine Blumen kehren wieder,
Deine Tochter kehret nicht.
Ach! wie lang ists, daß ich walle
Suchend durch der Erde Flur,
Sandt’ ich nach der theuren Spur,
Keiner hat mir noch verkündet
Von dem lieben Angesicht,
Und der Tag, der alles findet,
Hast du Zeus! sie mir entrissen,
Hat, von ihrem Reiz gerührt,
Zu des Orkus schwarzen Flüßen
Pluto sie hinabgeführt?
Meines Grames Bote seyn?
Ewig stößt der Kahn vom Lande,
Doch nur Schatten nimmt er ein.
Jedem selgen Aug verschlossen
Und so lang der Styx geflossen,
Trug er kein lebendig Bild.
Nieder führen tausend Steige,
Keiner führt zum Tag zurück
Vor der bangen Mutter Blick.
Mütter, die aus Pyrrhas Stamme
Sterbliche gebohren sind,
Dürfen durch des Grabes Flamme
Nur was Jovis Haus bewohnet,
Nahet nicht dem dunkeln Strand,
Nur die Seligen verschonet
Parzen, eure strenge Hand.
Aus des Himmels goldnem Saal,
Ehret nicht der Göttinn Rechte,
Ach! sie sind der Mutter Qual!
Wo sie mit dem finstern Gatten
Träte mit den leisen Schatten
Leise vor die Herrscherinn.
Ach ihr Auge, trüb von Zähren,
Sucht umsonst das goldne Licht,
Auf die Mutter fällt es nicht,
Bis die Freude sie entdecket,
Bis sich Brust mit Brust vereint,
Und zum Mitgefühl erwecket,
Eitler Wunsch! Verlorne Klagen!
Ruhig in dem gleichen Pfad
Rollt des Tages sichrer Wagen,
Fest bestehet Jovis Rath.
Wandt’ er sein beglücktes Haupt,
Einmal in die Nacht gerissen
Bleibt sie ewig mir geraubt,
Bis des dunkeln Stromes Welle
Iris mitten durch die Hölle
Ihren schönen Bogen zieht.
Ist mir nichts von ihr geblieben,
Nicht ein süß erinnernd Pfand,
Keine Spur der theuren Hand?
Knüpfet sich kein Liebesknoten
Zwischen Kind und Mutter an?
Zwischen Lebenden und Todten
Nein! Nicht ganz ist sie entflohen,
Nein! Wir sind nicht ganz getrennt!
Haben uns die ewig Hohen
Eine Sprache doch vergönnt!
Von des Nordes kaltem Hauch
Blatt und Blume sich entfärben,
Traurig steht der nakte Strauch,
Nehm ich mir das höchste Leben
Opfernd es dem Styx zu geben,
Mir des Saamens goldnes Korn.
Traurend senk’ ichs in die Erde,
Leg es an des Kindes Herz,
Meiner Liebe, meinem Schmerz.
Führt der gleiche Tanz der Horen
Freudig nun den Lenz zurück,
Wird das Todte neu gebohren
Keime, die dem Auge starben
In der Erde kaltem Schoß,
In das heitre Reich der Farben
Ringen sie sich freudig los.
Sucht die Wurzel scheu die Nacht,
Gleich in ihre Pflege theilet
Sich des Styx, des Aethers Macht.
Halb berühren sie der Todten
Ach sie sind mir theure Boten
Süße Stimmen vom Cozyt,
Hält er gleich sie selbst verschlossen
In dem Schauervollen Schlund,
Redet mir der holde Mund,
Daß auch fern vom goldnen Tage,
Wo die Schatten traurig ziehn ,
Liebend noch der Busen schlage,
O so laßt euch froh begrüssen
Kinder der verjüngten Au,
Euer Kelch soll überfließen
Von des Nektars reinstem Thau.
Mit der Iris schönstem Licht,
Will ich eure Blätter mahlen,
Gleich Aurorens Angesicht.
In des Lenzes heiterm Glanze
In des Herbstes welkem Kranze
Meinen Schmerz und meine Lust.