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Konrad König und der Brunnen auf dem Königstein

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Textdaten
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Autor: Cornelius Gurlitt
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Titel: Konrad König und der Brunnen auf dem Königstein
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 6, S. 214-218
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1895
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[214]

Erfinderlose.

Konrad König und der Brunnen auf dem Königstein.
Von Cornelius Gurlitt.


Die sächsische Festung Königstein liegt nahe der böhmischen Grenze auf der Höhe eines ringsum senkrecht abfallenden Felsens des Elbsandsteingebirges dicht über der Elbe. Die Natur hat ihr Bestes gethan, um sie für Feinde unzugänglich zu machen. Bis heute ist sie auch kriegerischer Waffengewalt noch nicht erlegen, wenngleich sie jetzt an strategischer Bedeutung eingebüßt hat. Sie gilt eigentlich nur noch als einbruchssicherer Geldschrank, in welchem Dresden seine Schätze verbirgt, sobald Gefahr im Verzuge ist, und als ein Sperrfort für den Durchzug von Truppen und Transporten auf der Verkehrsstraße des Elbthales. Als solches ist sie neuerdings wieder verstärkt worden.

Früher war das anders, da war der Königstein ein militärisch wichtiger Platz, dessen Befestigung auf der Höhe der damaligen Kriegswissenschaft zu halten sich seit dem Anfang des 16. Jahrhunderts die sächsischen Fürsten allezeit angelegen sein ließen. Unter diesen ragt Kurfürst August I. als vorsorglicher Landesfürst hervor. Er ist es, welcher der Feste eines ihrer stärksten Verteidigungsmittel gab, den Brunnen. Dieses viel bewunderte Werk ist nach neuen Messungen 152,5 Meter tief in den Felsen gehauen; früher scheint er tiefer gewesen zu sein. Die Angaben schwanken bis zu 190 Meter. Dieser Brunnen liegt also gesichert vor Zerstörung durch den Feind wie vor dem Versiegen des Wassers. Denn der Schacht reicht inmitten des riesigen Steinblockes, welcher die Festung trägt, bis fast auf den Spiegel der in die Elbe sich ergießenden Bergwässer des Elbsandsteingebirges hinab, während die Elbe selbst 246 Meter unter der Gleiche der Festung zwischen bewaldeten reizvollen Berghöhen in breiter Schlangenlinie vorüberzieht.

[215] Es ist nicht mehr so leicht wie früher, dem Königstein einen Besuch abzustatten. Es bedarf einer schriftlichen Anfrage beim Kommandanten und eines wirklichen Grundes, um die Erlaubnis zu erhalten. Wer die Erlaubnis zum Besuche erhält, den führt ein Unteroffizier mit vorsichtiger Gefälligkeit herum. So kommt man auch in das Brunnenhaus, einen stattlichen, aber äußerlich wie innerlich kunstlosen Bau. Man muß die Hebekunst für das Wasser des Brunnens bewundern, nachdem der Führer mittels einer Blendlaterne und eines Spiegels in die Tiefe hinabgeleuchtet hat. Da sieht man denn, über das gähnende schwarze Loch gebeugt, tief tief unten den matten Schein einer Wasserfläche. Der Brunnen selbst bildet einen Cylinder von 3,5 Metern Durchmesser. Der herumgleitende Lichtstrahl des Spiegels beleuchtet blitzweise hier und dort seine rauhen, triefenden Wände. Dann gießt der Führer einen Krug Wasser in die Tiefe. Es dauert eine ganze Weile, bis man es unten aufschlagen hört, denn die 17 bis 18 Sekunden gespannter Aufmerksamkeit verrinnen nicht so schnell wie sonst. Und während des Wartens überzieht wohl viele eine Ahnung der Mühen und Sorgen, welche einst dieser Brunnenbau den Werkleuten machte. Denn er entstand in einer jener technischen Hilfsmittel noch völlig entbehrenden Zeit, durch welche wir jetzt solche Bauausführungen so ungleich leichter zu bewältigen vermögen. Aber auch für uns wäre es eine nicht ganz leichte Aufgabe, etwa 1500 Kubikmeter festen Sandstein aus einer Tiefe zu brechen und zu fördern, welche der Höhe der Türme des Kölner Domes nur um 4 1/2 Meter nachsteht.

So lange der Brunnen so große Tiefe noch nicht erreicht hatte, mochte seine Wetterführung wenig Schwierigkeiten bieten. Der Bau begann 1559. Bis zur Zeit der Reformation stand auf dem Felsen ein Kloster, aber schon 1556 ließ Kurfürst August einen Stall aus dessen verfallenem Gemäuer errichten, wohl in Voraussicht der Baufuhren, welche nun für die zur Festung bestimmten Felsenhöhe nötig sein würden. Anfangs mag der Brunnen sogar als Steinbruch für diese Bauten betrachtet worden sein. Aber je tiefer man kam, desto beschwerlicher wurde das Heraufziehen der Lasten, das Arbeiten in der feuchten, bei mangelnder Luftbewegung dumpfen Unterwelt. Im Jahre 1568, begann man ein großes Laufrad zu bauen, welches von vier Mann getreten wurde. Ein solches Rad war ein recht ungefüges Ding. Etwa 3 Meter breit und 5 Meter im Durchmesser hoch, bewegte es sich um eine mächtige, wagerecht liegende Achse. Die Speichen waren so gestellt, daß im Inneren des Rades eine freie Laufbahn in Gestalt einer Trommel blieb. Latten waren auf diese aufgenagelt – und nun stellte man die Arbeiter, meist Sträflinge, in das Rad. Sobald dies in Bewegung war, mußten die Arbeiter vorwärts laufen, um nicht mit in die Höhe gerissen zu werden, und so waren sie denn, bis man von außen das Rad anhielt, zu einem ununterbrochenen Trabe gezwungen, zu einem endlosen Vorwärtsschreiten, ohne von der Stelle zu kommen, da das Rad unter ihren Füßen immer zurückrollte. Es war dies eine wahre Sisyphusarbeit, ohne Rast, ohne Ziel, ohne Belohnung.

Etwa 1574 scheint die Tiefe im Brunnen erreicht worden zu sein, welche für reichliche Wasserversorgung Gewähr bot. Damals entwarf der italienische Graf Rochus Quirin von Lynar, derselbe, welcher Teile des Berliner Schlosses baute und die Festungswerke von Dresden und Spandau schuf, eine neue, den damals gültigen Gesetzen der Befestigungskunst entsprechende Ummauerung des Berges, an die man wohl nicht gedacht hätte, wenn das wichtigste Erfordernis, um einer langwährenden Belagerung widerstehen zu können, das Wasser, gefehlt hätte.

Also etwa 15 Jahre dauerte der Tiefbau im Brunnen. Es mag nicht eben leicht gewesen sein, Arbeiter zu finden, welche sich zu solchem Werke hergaben. Wie der Kurfürst, auch in diesen Dingen der Sohn einer rauhen Zeit, dafür sorgte, daß es seinen Brunnenbauten nicht an Kräften fehlte, das zeigt das Beispiel der gleichzeitig betriebenen Anlage am Schloß Augustusburg. Er ließ die ihres Verbrechens überführten Wilddiebe auf die Baustelle bringen, sie in Eisen legen und zu der schwersten Arbeit heranziehen. Ein „Steckenknecht“ trieb diese Zwangsarbeiter auf des Kurfürsten ausdrücklichen Befehl alle Abend in einen Stall und durfte ihnen nicht mehr geben als notdürftige Speise und Kleidung. „Andern Wilddieben zur Abscheu“ solle der Steckenknecht sie mit Peitschenhieben zur Arbeit anhalten. Ja, als drei der Gepeinigten entflohen, befahl der Fürst, den Steckenknecht im Gefängnis selbst mit scharfen Ruten zu streichen, die Wilddiebe aber von nun an nur im Brunnen selbst arbeiten zu lassen, bis sie Wasser fänden, und ihnen ihren Lebensbedarf mit dem Haspel hinab zu lassen. In der feuchten Tiefe, fern von der Sonne, mußten die Sträflinge unter den Peitschenhieben des Steckenknechts, nur getrieben von der Hoffnung, daß die Feuchtigkeit, welche der Fels ausschwitzte, endlich durch eine reichliche Wasserader ersetzt werde, ihr Leben unter harter Arbeit fristen. Der Kurfürst lehnte alle Bitten, sie aus ihrer Lage auch nur auf Zeit zu befreien, entschieden ab. Mancher mag nur als Leiche seine Arbeitsstätte verlassen haben. Solche Sträflinge waren es wohl auch, welche auf dem Königstein den Brunnen teuften. In die ungeheure Tiefe wurden die Seufzer der von einer harten Zeit in die Unterwelt Hinabgestoßenen mit versenkt.

Als aber der Brunnen selbst fertig war, begannen erneute Schwierigkeiten, jetzt galt es, Vorkehrungen zur Hebung des Wassers in solche Höhen zu treffen, wie hier nötig war. Die verschiedenen Versuche, welche in Bergwerken gemacht worden waren, um den Wasserandrang zu bekämpfen, hatten bisher meist nur geringen Erfolg ergeben. Statt der Hebewerke legte man daher lieber mit hohen Kosten Stollen an, um das Grubenwasser nach den Thalsohlen zu aus den Bergwerken zu entfernen. Im Königsteiner Brunnen aber mußte ein Werk angelegt werden, welches für eine größere Garnison genügendes Wasser 150 Meter hoch zu heben vermöchte. Und da war guter Rat teuer!

Der Kurfürst hatte einen Uhrmacher aus Altenburg kennengelernt, dessen Begabung ihm viel versprach. Konrad König hieß der Mann. Er hatte sich ihm 1574 durch Einsendung einer „General-Sonnenuhr“ empfohlen, welche die Form eines vergoldeten Büchleins hatte. Der Kurfürst gab ihm 500 Gulden für dieses Werk. Andere Bestellungen folgten, die zur Zufriedenheit ausfielen. Durch all dies veranlaßt, begann der Kurfürst seine Hoffnung auf den neuen Künstler zu richten. In jener Zeit des beginnenden Studiums der Naturwissenschaften mischte sich noch so viel kindliches Hoffen, so viel kühnes Wagen mit unter die thatsächlichen Entdeckungen, daß selbst die Besten ihrer Zeit geneigt waren, geschickten Projektemachern Glauben zu schenken, zumal auch diese meist nicht Betrüger, sondern selbst durch ihre Phantasie Betrogene waren. Es geht durch die Reihe der besten Fürsten jener Zeit die Sucht, sich mit Geldmachern zu verbinden, und es genügten Jahrhunderte der Mißerfolge nicht, um den Glauben zu zerstören, daß es möglich sei, aus minderwertigen Metallen das edelste herauszumischen. Es brauchte noch viel längerer Zeit und ist zum Teil noch heute nicht gelungen, spintisierenden Köpfen die Ansicht zu nehmen, daß man eine Maschine erfinden könne, welche, einmal in Bewegung gesetzt, nie wieder in Ruhe käme, ja deren Kräfte sich selbst steigerten. Der Stein der Weisen, welcher den Schlüssel für die Goldbereitung liefern sollte, und das Perpetuum mobile, die sich selbst in unendlicher Bewegung haltende Maschine, zu erfinden, war der Ehrgeiz aller jener, welche die Wissenschaft mit beweglicher Phantasie ergriffen.

Kurfürst August war ein Mann ohne hohen Geistesflug. Aber er sah sehr wohl ein, welchen Nutzen die beiden so eifrig angestrebten Künste seinem Lande und seinem Schatze bringen könnten. Er hatte daher ein scharfes Auge auf alle sich ihm darbietenden technischen Neuerungen. Der mathematisch-physikalische Salon in Dresden, ein Teil der berühmten Kunstsammlungen der sächsischen Hauptstadt geben noch heute Kunde vom Sammeleifer des Fürsten auch nach dieser Richtung. So wurde denn auch Konrad König dem Kurfürsten wichtig, seit er mit einer neuen Erfindung sich meldete und zwar 1576 im Schlosse Annaburg bei Torgau, dem damaligen Sitze des Hofes, eine „Wasserkunst“ im Modell vorlegte, durch welche er das Wasser im Königsteiner Brunnen von der Sohle bis zur Höhe der Festung zu heben versprach. Sein Vorschlag fand so lebhaften Anklang, daß er bald darauf aus seiner Heimat Altenburg genauere Risse für die Arbeit einsenden mußte. Der Kurfürst ließ ihn in einem besonderen Wagen abholen, später auch seine Frau und seine Söhne, in der kurfürstlichen Gießerei wurden Röhren hergestellt, alles vorbereitet, damit das Werk bald in Gang gesetzt werde. Königs Glück schien gemacht, denn der Kurfürst war als ein Mann bekannt, welcher einmal aufgenommene Gedanken mit zäher Gewissenhaftigkeit durchzuführen liebte.

Am 1. Dezember 1576 begann der Baubetrieb auf dem Königstein. König mochte sich und seinem Bauherrn die Sache [216] leichter vorgestellt haben, als sie war. Denn schon nach einem halben Jahre, Ende Juni 1577, wurde der Kurfürst ungeduldig und frug an, ob noch nichts fertig gestellt sei, König habe ja nun Zeit genug gehabt, seine Ideen auszuführen. Er beruhigte sich aber, als der Kammermeister Hans Harrer, ein Mann, welcher etwa den Rang eines Finanzministers einnahm, ihm meldete, das Brunnenwerk sei bereits im Gange, er sei ganz entzückt von seiner Zierlichkeit. Doch diese Freude war verfrüht. Das Werk ging auch 1580 noch nicht, obgleich die Löhne allwöchentlich ausgezahlt werden mußten. Dem Kurfürsten, mit dem in Geldsachen nicht zu spaßen war, begann die Geduld zu reißen. Er beauftragte Paul Buchner, seinen Oberzeugmeister – das ist etwa soviel wie Kriegsminister – zu untersuchen, woher die Verzögerung käme. Und damit begann für den armen Uhrmacher, dem das Fehlschlagen seiner Hoffnungen und Versuche schon selbst Angst und Sorgen genug bereiten mochte, eine wahre Leidensgeschichte.

Ohne Zweifel lag der Grund des Mißlingens seiner Arbeit darin, daß die von ihm angelegten Pumpen in der Tiefe des Brunnens nicht so funktionierten wie im Modell. Ein uralter Lehrsatz des griechischen Philosophen Aristoteles, daß die Natur einen Abscheu vor dem Leeren, einen „horror vacui“ besitze, daß daher das Wasser dorthin in Röhren ströme, wo ein luftleerer Raum gebildet werde, wurde damals noch unerschüttert von allen Mechanikern und Naturforschern für richtig angesehen. Erst der große Galilei erklärte der Welt, daß dieser Abscheu seine Grenzen habe, und erst sein Schüler Evangelista Torricelli erkannte 1643 die uns heute als so selbstverständlich erscheinenden Gesetze des Luftdruckes, daß nämlich dieser einer Wassersäule von etwa 10 Metern oder einer Quecksilhersäule von 76 cm die Wage halte und daß jener „horror“ in das Reich der Fabel zu verweisen sei.

Es wäre unbillig, von König gleiche Kenntnis zu verlangen. Er hätte dann in erstaunlicher Weise geistig über seiner Zeit stehen müssen, er, der im Grunde doch nicht mehr als ein mit technischem Geschick, mit jener der Zeit eigentümlichen Fertigkeit in Basteleien ausgestatteter Handwerker war. Er glaubte natürlich fest an das Bestehen des horror vacui und schloß überall dort, wo ihn sein Lehrsatz im Stich ließ, wo die Pumpen plötzlich, nachdem sie das Wasser 10 Meter hoch gezogen, versagten, daß hier ein technischer Fehler in seiner Konstruktion liegen müsse. Und so bastelte er ratlos weiter, in seinem so viel kleineren Modelle immer seine Theorie bestätigt findend und immer aufs neue überrascht, daß er an den großen teuren Rohrwerken im Brunnen gleiche Ergebnisse nicht erzielen konnte.

König wird vor dem Urteil der besser unterrichteten Nachwelt durch den Umstand noch mehr entlastet, daß er in seinem Bestreben sogar Wettbewerber besaß.

Ein solcher war ein gewisser Hans Mader in Altdresden, welcher 1581 dem Kurfürsten eine Hebekunst zeigte, ein „perpetuum mobile“, welches den Fürsten höchlich in Erstaunen setzte. Hatte dieser doch, angeregt durch die vielfachen Versuche, welche ihm angeboten wurden, einen Preis von 4000 Gulden auf eine solche Erfindung gesetzt. Wir erfahren aus den Briefen Maders genauer, wie seine Erfindung beschaffen war.

Auch er stützte sich auf den Satz des Philosophen „Die Natur läßt keine Leere zu“, baute ein Faß mit nur einem Boden, tauchte es ins Wasser und führte den Boden in die Höhe. Die Beobachtung, daß in diesem Falle das Faß voll Wasser blieb – eine Beobachtung, die man an jedem in das volle Waschbecken getauchten Glase machen kann – brachte ihn auf die Meinung, daß das Wasser im Fasse von unten nach oben ströme, aus Scheu vor dem leeren Raum, der sonst in diesem entstehen müsse. Es ist dies ein überraschender Beweis, auf wie bescheidenem Standpunkt damals noch die Naturbeobachtung stand und zu wie kühnen Schlüssen das Gefundene Veranlassung bot. Nun käme es, so meinte Mader, nur darauf an, „des Wassers oben zu genießen“, d. h. oben das Faß anzuzapfen, um somit einen ewigen Kreislauf und dadurch die Triebkraft für eine Wassermühle zu erhalten. Auch diese Erfindung führte Mader so weit, daß er auf die ausgeschriebene Belohnung Anspruch machen zu können glaubte. Freilich mußte er eingestehen, daß „trotz tiefen und hohen Nachdenkens und aufgewandter Unkosten“ doch noch einiges an der Vollendung fehle. Das Schlimme war eben, daß, sobald oben ein Rohr eingesetzt wurde, also der Luftdruck auch von dort wirkte, das „Strömen von unten nach oben“ sich plötzlich ins Gegenteil verkehrte, das Faß eben einfach auslief, nie aber das oben abgezapfte Wasser von unten her ergänzt wurde. Noch 1594 arbeitete Mader an seiner Erfindung – mit der Hartnäckigkeit der Verzweiflung.

Er war, wie gesagt, nicht der einzige, den in Dresden der ausgesetzte Preis lockte. Neben ihm strebte der Uhrmacher Martin Feil aus Naumburg demselben nach. Er schuf ein Werk, das sich nicht nur selbst bewegen können sollte, sondern auch arbeiten, „als sei es von Menschen, Rossen oder Winden getrieben“. Seine Erfindung sei derart, daß er gar keinen Zweifel habe – so schrieb er an den Kurfürsten – dies höchste und herrlichste Kunststück zu machen, es habe ihm zur Probe nur an den Mitteln gefehlt. Obgleich er wisse, wie viel stattliche Künstler großes Geld und Gut daran verstudiert hätten, so schrecke ihn dies doch nicht ab, denn er hoffe, Gott habe ihn zu dem Werke berufen. Er sprach im Tone der Ueberzeugung und er bewies in der Folge, daß seine Ueberzeugung eine ehrliche, wenn auch eine trügerische war.

Der Kurfürst gab ihm wirklich Geld, und zwar bis 1586 nicht weniger als 751 Gulden. Aber er erlebte die Vollendung nicht. Seinem Sohne Kurfürst Christian I. schrieb Feil 1590, sein Instrument sei so weit fertig, daß es nicht nur „umgehe“, sondern auch die Möglichkeit seiner weiteren Durchführung klar erkennbar sei. So weit hatten viele schon die Kunst gebracht. Aber auch der neue Versuch kam nicht zur Vollendung. Der gutmütige leichtsinnige Christian schoß zwar immer noch Geld zu, aber der Kurverwalter Herzog Friedrich Wilhelm, sein Nachfolger, lehnte den Kauf des Modells ebenso ab wie die Bewilligung der Ausführung im großen, obgleich Feil sein Modell als fertig erklärte. Die Not begann ihm auf die Finger zu brennen. Er hatte all seine Wohlfahrt und Nahrung hintangesetzt, seine ganze Kraft seit zwölf langen Jahren dem undankbaren Werk geopfert, eine Anleihe nach der andern bei der kurfürstlichen Kasse gemacht. Nun erstrebte er ein Patent vom Kaiser, damit nicht andere den Vorteil seiner Mühe genössen. Aber der Kuradministrator war nicht einmal zu bewegen, die „unbezahlbare“ Erfindung selbst anzusehen, er schickte seine Räte statt seiner und, als Feil aus Furcht vor dem Verrat seines Geheimnisses diesen sein Werk nicht zeigen wollte, den Mathematiker Melchior Jostel. Dieser erklärte das mühsame Werk einfach für unbrauchbar. Nun war die Not groß in Feils Hause. Der sparsame Fürst forderte von dem unglücklichen Erfinder die ihm bewilligten Vorschüsse – nun schon 1028 Gulden – zurück. Feils wirtschaftlicher Ruin war damit besiegelt. Man pfändete ihm sein Haus weg, sein Weib gab, um ihn zu retten, sogar ihr Ehe- und Erbgeld heraus – der große Traum der Zeit hatte wieder einmal ein Lebensglück vernichtet.

Nicht viel anders als diese Werke des Mader und Feil mag jenes von König gewesen sein. Der Kurfürst schickte dem Uhrmacher endlich am 15. Februar 1580, nachdem er ihn also schon 4 Jahre ruhig hatte gewähren lassen, Sachverständige auf den Hals. Der bereits genannte Paul Buchner nahm den vielerfahrenen Bergmeister Martin Plener mit auf den Königstein, um die Sachlage zu untersuchen. Da ihnen König aber die Erklärung seiner Geheimnisse verweigerte, versiegelten sie seinen Besitz und den Brunnen; man verhörte seine Frau, welche die Hoffnung aussprach, daß er in einem Jahre fertig werden könne, man stieg in den Brunnen und sah 30 Ellen hoch die Röhre aufgerichtet. Das war allerdings herzlich wenig. Aber König warf sich, nachdem die Kommission wieder oben angelangt war, auf die Knie, dankte Gott aufs höchste für die Gnade, ihm solche Kunst anvertraut zu haben, und sagte, er hoffe, daß sein Werk, welches in seiner Werkstatt im Modell so gut von statten gehe, wohl auch mit des Höchsten Hilfe unten im Brunnen sich herstellen lassen werde.

Die Kommission beschloß, nochmals in die Tiefe zu steigen. Sie besichtigte das Rohrwerk, welches in 11 Absätze geteilt war. Am untersten Absatz befand sich ein Hebearm, durch welchen 2 Mann das Wasser 30 Ellen hoch heben sollten. Man brauchte also über 20 Mann zum Betrieb des Rohrwerkes, das im ganzen eine Höhe von 330 Ellen (= 188 Meter) erhalten sollte. Das Wasser stand 111/2 Ellen (= 6,6 Meter) hoch. Soweit war denn Königs Berechnung ganz in Ordnung. Nur stieg das Wasser eben nicht jene 30 Ellen (= 14 Meter), während es im kleinen, im Modell, willig der Kraft des Hebearmes, des Pumpwerkes folgte. Hier versagte auch das Wissen der Kommission. Aber aus dem Umstande, daß diese für König und namentlich für die Fortbewilligung von [217] Geldmitteln dem knauserigen und mißtrauischen Kurfürsten gegenüber eintrat, beweist, daß König sie in der Theorie von der Richtigkeit seiner Meinung zu überführen gewußt hatte.

Der Kommissionsbericht befriedigte den ungeduldigen Fürsten keineswegs. Er witterte hinter der Verzögerung nur die Absicht Königs, bequem von seinem Gehalte zu leben, und fürchtete, einfach hintergangen zu werden. Daher befahl er, dem Säumigen kein Geld mehr „in die Fäuste“ zu geben, die Fortschritte des Werkes von Woche zu Woche zu überwachen und ihn zu veranlassen, darüber eine bündige Erklärung abzugeben, bis wann er seine Arbeit fertigstellen wolle. Ein freundlicher Hinweis auf den Galgen unterstützte die Entschiedenheit dieses Befehles.

Aber König weigerte sich, einen Termin zu stellen. Er war sichtlich selbst zweifelhaft am Gelingen seines Werkes geworden. Daher ließ ihn der Kurfürst festnehmen und auf der benachbarten Feste Hohnstein einsperren. Seine Frau und Kinder wurden von Königstein, als „des Orts nichts mehr nütze“, nach Altenburg zurückgeschafft, König aber von Paul Buchner ernstlich ins Verhör genommen. Nur der drohende Galgen veranlaßte ihn schließlich, doch einen Termin zu nennen. Am 24. Februar 1580 erklärte er, in 11/2 Jahren, also zum August 1581 und mit 1650 Gulden sein Werk fertigstellen zu wollen, ja, des Kurfürsten mißtrauische Natur zwang ihn, seine auf 2000 Gulden Wert geschätzten Güter in Altenburg für richtige Einhaltung der Frist zu verpfänden. Nun erst gab der Kurfüst seinem Geheimen Rate von Bernstein den Befehl, König aus dem Gefängnis zu entlassen, ihm aber vorher einzuschärfen, daß er seine gelinde Strafe als Gnade zu betrachten habe und daß man auf ihn jetzt ein schärferes Auge richten werde. Das letztere hieß so viel, daß König eigentlich nur sein Gefängnis in Hohnstein mit jenem auf dem Königstein zu vertauschen habe.

König erbat sich einige Fachleute zur Hilfe, und zwar den Uhrmacher Hans Kurzrock aus Eger und den Instrumentenmacher Christof Drechsler aus Dresden, treffliche Männer, von deren Hand gefertigte kunstreiche Instrumente sich noch in Dresdener Sammlungen finden. Aber der Kurfürst verweigerte sie. Später erlangte König doch, daß er Kurzrock zu Rate ziehen durfte, ebenso wie ihm erlaubt wurde, seine beiden Söhne am Werke zu beschäftigen. Aber noch im Mai 1582 ist es nicht fertig, acht Monate nach dem ausgemachten Termin. Dem Kurfürsten versagte immer noch nicht die Geduld, denn sein Oberzeugmeister war von dem endlichen Gelingen immer noch überzeugt und gab seinem Herrn günstige Berichte. Selbst als der Kurfürst am 10. Mai 1582 befahl, die Materialien zu verkaufen, um so die Erinnerung an das kostspielige und zwecklose Unternehmen zu vernichten, setzte Buchner noch durch, daß König abermals 200 Gulden als Vorschuß gezahlt wurden.

Die Arbeit ging weiter. Nach einem Jahr, im April 1583, schickte der Kurfürst wieder eine Kommission auf den Königstein, nachdem er fürsorglich Befehl gegeben hatte, König als der Flucht verdächtig besonders scharf zu beobachten. Buchner konnte wieder keine gute Kunde geben. Noch sei viel zu fertigen, das Werk schreite aber fort. Da ließ der Fürst am 19. April den unglücklichen Meister nach Dresden bringen, um dessen Ausflüchte selbst zu prüfen. Der Kurfürst war damals schon ein alter Herr. Er hatte vielerlei üble Erfahrungen mit Erfindungen, mit fahrenden Allerweltskünstlern gemacht. Aber er hatte durch sie auch manches erlernt, was ihm und seinem Lande zu gute kam, technische Neuerungen, gewerbliche Fortschritte. Er stand in der ganzen Welt in dem Rufe, Goldmacher mit Erfolg beschäftigt zu haben. Und die Welt hatte im Hinblick auf die vollen Staatssäckel Sachsens ganz recht. Aber nicht geheimnisvolle Beschwörung, sondern eine bis zum Geiz ausgebildete Sparsamkeit war das Mittel seiner Bereicherung. Ein Zug von Menschenverachtung bildete sich in seinem späteren Leben heraus. Man braucht nur in sein griesgrämlich verbittertes Gesicht zu sehen, wie es uns Lukas Kranach d. J. darstellte, um aus [218] demselben Kleinlichkeit und üble Laune herauszulesen. Seinem Leben und seiner Regierung fehlte der große Zug, die befreiende Schwungkraft. Groß in allem Kleinen, war August klein in allem Großen, ein vollendeter Philister, dem häusliches Unglück noch den Rest der Schwungkraft nahm. Fünfzehn Kinder, neun Söhne und sechs Töchter, hatte ihm seine Gemahlin, die dänische Königstochter Anna, geboren. Aber schon längst waren die Söhne bis auf einen vom Tode fortgerafft. Und dieser letzte, sein späterer Nachfolger, war schwächlich und entwickelte sich nicht nach des Vaters Wünschen. Die Erbfolge des Kurhauses stand auf diesen zwei Augen; verblichen auch diese, so fiel das Reich Kurfürst Moritzens wieder an die Ernestiner zurück. Die Stimmung, welche am Kurhofe herrschte, war daher keine erfreuliche und eine Berufung vor den Fürsten für König in diesem Falle ein Glück sehr zweifelhafter Art.

Um so überraschender ist es, daß es diesem gelang, seinen strengen Herrn zu besänftigen. Denn bald darauf gab der Kurfürst den Auftrag, König für 1000 Gulden neue Messingrohre zu liefern. Es scheint, daß man den alten das Mißlingen des Werkes zuschrieb. Geld zwar bekam König auch jetzt nicht in die Hand. Aber er konnte doch arbeiten.

Wieder verging lange Zeit. Der Jahrestag der Audienz beim Kurfürsten kam heran und immer noch war die Hebekunst nicht fertig. Und doch setzte der Kurfürst nochmals, nachdem nun König seit dem 1. Dezember 1577, also fast 7 Jahre baute und bastelte, einen Termin: zu Martini 1584 solle er endgültig fertig sein. Aber erst am 12. Februar 1585 kam der Kurfürst zu der Ueberzeugung, daß alles Zuwarten vergeblich sei. König wurde entlassen; aber er wanderte nicht an den Galgen, sondern man brachte ihn wieder mit kurfürstlichem Geschirr nach Altenburg zurück, nicht ohne ihm zu bedeuten, daß ihm, „dem verlogenen Manne, etwas anderes gebührt hätte“.

Von der kunstreichen Anlage Königs hat sich, soviel ich weiß, nichts erhalten. Tausende von Gulden waren verschwendet, ohne daß etwas Thatsächliches zustande gekommen war. Aber König schied doch sichtlich nicht als ein Betrüger. Gegen einen solchen hätte Kurfürst August gewiß strengere Saiten aufgezogen. Er erschien ihm nur als ein Mann, der sich einer Aufgabe vermaß, welche er nicht zu bewältigen vermochte. August selbst war ein viel zu guter Kenner der Mechanik jener Zeit, daß er nicht den Berechnungen des Altenburger Uhrmachers hätte im Grundgedanken zustimmen müssen. Er mochte auch erkennen, daß König selbst nicht Vorteil errungen, sondern Zeit, Hab und Gut an seiner Hebekunst verloren hatte, daß er im schlimmsten Falle ein betrogener Betrüger war.

Kopfschüttelnd sah man das große Werk mißlingen, kopfschüttelnd den für unumstößlich geltenden Lehrsatz des horror vacui in die Brüche gehen. Noch stand aber die Autorität des Aristoteles viel zu fest, als daß man an seinen Gesetzen zu zweifeln gewagt hätte.

So holte man denn wieder das Laufrad herbei, das denn auch bis zum Herbst 1871 in Thätigkeit blieb. Die auf dem Königstein festgehaltenen Militärsträflinge boten die Arbeitskraft. Die Absicht Königs, das Wasser bis zur Höhe der Festung derart zu heben, daß es in gleichmäßigem Strom fließe, blieb bisher unerfüllt. Noch jetzt hebt man es in alter Weise durch zwei an einer Leine hängende Fässer, welche durch eine Welle auf- und niedergewunden werden. Auf den Rand der Brunnenmündung sind zwei Holzrinnen gelegt; durch eine einfache aber sinnreiche Erfindung werden die oben anlangenden Fässer so gepackt, daß ihr Inhalt in die Rinnen und durch diese in ein Sammelbecken sich entleert. Jetzt hat man zwei Maschinen je zu 1½ Pferdekraft aufgestellt, welche abwechselnd die Arbeit des früheren Laufrades ersetzen und das Wasser für 300 Mann Besatzung, wie für die Waschanstalt, Küche etc. heraufschaffen. Um die Luftsäule über dem Brunnenwasser frisch zu erhalten und das Wasser selbst vor dem Dumpfwerden zu verhüten, hat man neben dem Brunnencylinder ein wesentlich schwächeres Seitenrohr eingehauen, das nach oben in einem Schornstein endigt und mittels dessen für die erforderliche Luftbewegung gesorgt wird. Nur wenn sich Ausbesserungen im Brunnen nötig machen, steigt der Brunnenmeister in einem Fahrstuhl in die Tiefe hinab, welche einst von den Seufzern der Steine brechenden Wilddiebe und des an seinem Werke verzweifelnden Kunstmeisters wiederklang.