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Kunst und Kultur in Ahrenshoop, April 1946

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: Kunst und Kultur in Ahrenshoop, April 1946
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Entstehungsdatum: 1946
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Tagebuchauszüge zum Thema Kunst und Kultur in Ahrenshoop, April 1946
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Einführung

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Der Artikel Kunst und Kultur in Ahrenshoop, April 1946 zeigt die von Stefan Isensee im Rahmen seines Werkes „Kunst und Kultur in Ahrenshoop 1945 bis 1948“ zusammengestellten Tagebuchauszüge vom April 1946. Textauslassungen wurden mit [...] gekennzeichnet, eingefügte Erläuterungen von Stefan Isensee in eckigen Klammern kursiv [Erläuterung].

Tagebuchauszüge

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[1]
Sonntag, 7. April 1946. Passions-Sonntag.     

[1]      Gestern war Frau v. Achenbach bei Martha in der Absicht, mich zu überreden, daß ich hier im Ort eine Ortsgruppe des Kulturbundes gründen möchte. Es soll sich darum handeln, daß Ahrenshoop als Erholungsort für bildende Künstler ausersehen sein soll u. dazu sei notwendig, daß hier eine Ortsgruppe des Kulturbundes besteht. Frau v. A. hat gesagt, daß ihr Mann heute hierher käme u. mit mir die Angelegenheit besprechen wolle. Martha hat aber sehr abgewinkt mit dem Hinweis auf meine Erkrankung. Außerdem hat sie bezweifelt, daß Herr v. A. zu mir kommen würde, doch soll Frau v. A. dem heftig widersprochen haben. Tatsächlich soll ja heute im Kurhause auch eine Werbe-Veranstaltung des Kulturbundes stattfinden. Herr v. A. ist aber heute Vormittag zweimal mit seiner Frau an meinem Hause vorbeigekommen, ohne hereingekommen zu sein. Ich hätte ihn auch unter keinen Umständen empfangen. Ich weiß nicht, was dieser Mensch will. Er boykottiert mich in beleidigender Weise, – u. nun soll ich ihm helfen. Ich denke garnicht daran. – [...]

[1]      Ueber die sog. Werbe-Veranstaltung des Kulturbundes im Kurhause ist übrigens nirgends etwas zu erfahren, auch am Schwarzen Brett ist nichts angeschlagen. Die ganze Geschichte scheint eine Schaumschlägerei zu sein. [...]

[2]
Montag, 8. April 1946.     

[...] [2]      Herr v. Achenbach ist gestern nicht gekommen. Ich habe auch sonst nicht gehört, was aus dieser Kulturbund-Angelegenheit geworden ist. Es ist wohl alles nur Geschwätz u. Wichtigtuerei. [...]

[3]
Donnerstag, 11. April 1946.     

[...] [3]      Am Vormittag war der junge Maler Müller-Rabe da. Ich habe mich nicht sprechen lassen, aber Martha hat ihm meine Bilder gezeigt, die nach Marthas Beschreibung einen starken Eindruck auf ihn gemacht haben. Nach seiner Meinung, die wohl richtig sein dürfte, ist es noch zu früh, meine Bilder öffentlich zu zeigen, da allgemein, eine heftige Abneigung gegen jede moderne Kunst besteht. Es ist das ein typisches Anzeichen für die ganze deutsche Mentalität. Das Banausentum war nie so mächtig in Deutschland, wie jetzt. Essen u. Trinken sind die einzigen Interessen, die die Deutschen jetzt haben, – sie nennen das „Aufbau“. Wer sich diesem „Aufbau“ entgegenstellt, oder nur nicht mitmacht, ist ein Verräter am Volk. – Essen u. Trinken u. eine warme Stube sind freilich unschätzbare Güter in dieser Zeit des Hungerns u. Frierens, das muß ich selber zugeben. Ich hätte keine Aussicht, je wieder zu Kräften zu kommen, wenn nicht Menschen da wären wie Spangenberg, der mich mit Eiern versorgt, Heyde, der Kartoffeln u. Butter heranschleppt, die Familie Oehmke, die Milch bringt u. unsere Trude Dade, die mir ihre Frühstücksstullen bringt, welche Mutter Dade ihr mitgibt u. die oft mit Schinken belegt sind. Auch sorgt sie dafür, daß im Essen Speck ist u. daß es von Zeit zu Zeit Fisch gibt. [...]

[4]
Mittwoch, 24. April 1946.     

[...] [5]      Es geht ein Gerücht von Frau Partikel aus, daß der Rostocker Kulturbund eine Ausstellung in Berlin plant. Ich bekam heute die übliche monatliche Bescheinigung von dort über die Gruppe der mir zustehenden Lebensmittel=Karte u. stellte zu meiner Freude fest, daß man mich als, „besonders namhaften Künstler“ in die höhere Gruppe eingewiesen hat, sodaß ich nun die Karte für Schwerarbeiter erhalte. Es ist das besonders nett, weil ich selbst nichts dazu getan habe, es zeigt, daß man mich in Rostock jetzt schätzt. [...]

[6]
Freitag, 26. April 1946.     

[...] [6]      Leider mußte ich feststellen, daß die Einstufung in die höhere Lebensmittelkarten-Stufe durchaus nicht, wie mir meine Eitelkeit vormachen wollte, eine Anerkenntnis meiner Leistung seitens des Kulturbundes ist, denn Frau Oberländer u. Frau Dross sind ebenfalls in eine höhere Stufe gekommen. Es handelt sich also um eine generelle Regelung, wobei es einigermaßen beschämend ist, daß diese Frau Dross als „besonders namhaft“ gleich mir, amtlich bestätigt ist, – [...]

[6]      Gestern Abend waren noch die beiden Schwestern Frau Masurek u. Frau Ranke da u. besahen meine Bilder, von denen sie sehr entzückt waren. Ich glaube, daß es überhaupt am besten ist, wenn ich meine Bilder nur hier solchen Leuten zeige, die sie sehen wollen u. auf jede Ausstellung verzichte. Ich lese ja fast täglich in Zeitungen u. Zeitschriften, wie sich diese alle erdenkliche Mühe geben, dem Publikum moderne Kunst näher zu bringen, aber das von den Nazis in 12 Jahren hochgezüchtete Banausentum ist so groß, daß ein Kampf dagegen einstweilen hoffnungslos erscheint. [...]

[6]
Montag, 29. April 1946.     

[...] [6]      Am Sonnabend erhielt ich ein Telegramm vom Kulturbund in Rostock, ich möchte veranlassen, daß für eine graphische Wanderausstellung, die am 19. Mai beginnen soll, Arbeiten in Nordens Hotel in Wustrow bereit gestellt werden sollen zur Abholung nach Rostock. Ich habe Frl. v. Tigerström, die am Sonntag so wie so nach Wustrow ging, mit dieser Sache beauftragt. Hier in Ahrenshoop kommt nur Frau Dora Oberländer u. die unmögliche Frau Dross in Betracht, aber beide wollen nicht mitmachen. Koch-Gotha u. Marks in Althagen machen gleichfalls nicht mit. In Wustrow will sich Frau Woermann beteiligen u. vielleicht Herr Holst u. seine Frau Sommer. Das Ergebnis ist also sehr dürftig u. es wird sich kaum lohnen. Ich [7] habe Herrn Schwertfeger, der heute nach Rostock zum Studium zurückkehrt, nachdem die Osterferien vorbei sind, einen Brief für den Kulturbund mitgegeben u. habe anheim gestellt, von meinen Zeichnungen, die in der sogenannten Kunsthandlung Krüger u. Weiß sind, geeignete Blätter für diese Ausstellung auszuwählen. Im übrigen habe ich darum gebeten, die restlichen Zeichnungen nun endlich an mich zurück zu senden. Die Verhältnisse dort im Kulturbund scheinen sehr fragwürdig zu sein. Herr Schwertfeger erzählt mir, daß Herr Weiß sehr unfreundlich gewesen sei, als Herr Sch. das letzte Mal dort war u. sich geäußert haben soll, daß er kein Interesse an meinen Bildern hätte. Es scheint, daß es besser ist, sich an den Dingen des Kulturbundes nicht mehr zu beteiligen, offenbar fehlt da der Zusammenhalt. Besonders dieser sogenannte Kunsthändler, Herr Weiß, ist offensichtlich ein robuster Geschäftemacher, mit dem man besser nichts zu tun hat. Diejenigen Rostocker Künstler wie Schmidt-Detloff, die etwas auf sich halten, sind mit Herrn Weiß bereits zusammengeraten wegen seiner raffigen Geschäftemacherei u. auch der sympatische Herr Kreuzberg unterschreibt keine Briefe mehr, sodaß ich annehme, daß er sich ebenfalls zurückgezogen hat. –

     Am Sonnabend kam der junge Fritz Oehmke, um sich von mir eine Bescheinigung geben zu lassen, daß er zwar PG. gewesen sei, sich aber nicht aktiv beteiligt hat. Ich gab sie ihm, obgleich ich Bedenken hatte, denn ich habe doch früher gehört, daß er sich zum Leidwesen seines Vaters als ziemlich eifriger Nazi aufgeführt hat. Aber jetzt beteuern alle diese Leute, daß sie nie Nazi gewesen sind. Trotzdem halte ich es für praktischer, diese Leute zu „Entnazifizieren“, wie der Fachausdruck lautet, damit sie nicht ausgeschaltet werden, sondern mitarbeiten. Wir können es uns nicht leisten, all diese vielen Menschen aus der Arbeit auszuschalten mit Ausnahme natürlich derer, die in führenden Stellungen sind u. da Unfug anrichten können. Es ist übrigens typisch, daß der junge Oehmke in die CDU. eintreten will. Wieder einer, der vom Christentum nicht mehr als den Namen kennt. [...]