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Kunst und Kultur in Ahrenshoop, August 1946

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Autor: Hans Brass
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Titel: Kunst und Kultur in Ahrenshoop, August 1946
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Entstehungsdatum: 1946
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Kurzbeschreibung: Tagebuchauszüge zum Thema Kunst und Kultur in Ahrenshoop, August 1946
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Einführung

[Bearbeiten]

Der Artikel Kunst und Kultur in Ahrenshoop, August 1946 zeigt die von Stefan Isensee im Rahmen seines Werkes „Kunst und Kultur in Ahrenshoop 1945 bis 1948“ zusammengestellten Tagebuchauszüge vom August 1946. Textauslassungen wurden mit [...] gekennzeichnet, eingefügte Erläuterungen von Stefan Isensee in eckigen Klammern kursiv [Erläuterung].

Tagebuchauszüge

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[1]
Sonnabend, 3. August 1946.     

[1]      Vormittags das neue Bild angelegt. [...]

[1]      Ich lese zur Zeit eine Druckschrift „Einheit“, die von der SEP. herausgegeben wird u. die das Programm der Partei behandelt. Ich werde mir diese Schrift, die monatlich erscheint, kommen lassen, der Inhalt gibt doch sehr zu denken. Wenn ich auch nicht dieser Partei angehören will wegen ihrer Gegnerschaft gegen die Kirche, – obgleich sie alles vermeidet, was diese Gegnerschaft erkennen läßt –, so sind diese sozialistischen Gedanken dennoch sehr einleuchtend. – [...]

[2]
Montag 5. August 1946.     

[2]      Vormittags an dem neuen Bilde gearbeitet.

     Am Nachmittag kam Pastor Kleinschmidt aus Schwerin, der im Kulturbunde eine beachtliche Rolle spielt. Der Maler Heiling erzählte mir von ihm, daß Kleinschmidt vor 1933 Pastor in Thüringen u. Mitglied der SPD. gewesen ist. Er mußte dann den Nazis weichen u. wurde Conferenzier an einem Berliner Kabarett. Jetzt ist er wieder Pastor in Schwerin. Heiling sagte mir, daß er eine beachtliche Persönlichkeit sei u. ich war ziemlich neugierig auf ihn.

     Er entpuppte sich nun als ein sehr gut u. gepflegt aussehender Mann von etwa 40 Jahren, der eine breite, ganz frische u. lange Wunde an der rechten Stirnseite hatte, die mit einer roten Salbe dick verschmiert war u. die von einem kürzlich gehabten Autounfall herrührte. In seiner Begleitung war eine sympatische junge blonde Dame. Er begrüßte mich sehr unbefangen u. bat, meine Bilder sehen zu dürfen. – Er war sehr beeindruckt u. wunderte sich, daß er bisher nie etwas von mir gehört hätte, nachdem er doch schon während des Frühjahrs alle Augenblicke in Ahrenshoop gewesen war. Er war stets in Gesellschaft von Herrn v. Achenbach u. Herrn Erichson gewesen, aber beide hatten nie meinen Namen genannt. – Nun wollte er natürlich meine Bilder nach Schwerin haben. Er hatte gehört, daß dieselben in Rostock ausgestellt werden sollten u. er wollte nun den Rostockern diese Ausstellung abjagen. Ich sagte ihm, daß der Stadtrat Matern mir sehr entgegengekommen wäre u. ich infolge dessen auf keinen Fall die Rostocker enttäuschen wolle, ich versprach ihm aber, die Bilder nach Rostock auch in Schwerin zu zeigen. Jedenfalls war zwischen mir u. ihm rasch ein guter Kontakt vorhanden, der Mann ist wirklich irgendwie bemerkenswert, ohne daß ich ihn bis jetzt näher beurteilen kann. Der Kampf um meine Bilder scheint jedenfalls auf der ganzen Linie entbrannt zu sein. [...]

[3]
Dienstag, 6. August 1946     

[3]      Unter den Kurgästen scheinen jetzt meine Bilder Gesprächsstoff zu sein, sodaß sich das Interesse immer mehr regt. Morgen will ein Maler Prof. Nagel kommen, der behauptet, mich aus der Novembergruppe zu kennen, ferner der Rektor der Rostocker Universität, ich glaube Prof. Rienäcker oder so ähnlich. [...]

[4]
Freitag, 9. August 1946.     

[4]      Das Dirnen-Bild fertig gemacht. Interessant, Gegensatz zum Propheten, die nebeneinander hängen könnten.

     Herr Dr. Graepke war vormittags da. Wir besprachen das Notwendigste. Am 8. September, Mariä Geburtsfest, soll die Ausstellung in Rostock eröffnet werden. Am 3. Sept. wird Herr Dr. G. einen Lastwagen schicken, mit dem ich dann die Bilder selbst nach Rostock bringen werde. Ich werde in Rostock bleiben u. am Eröffnungstage einen einführenden Vortrag halten. Herr G. wollte gern frühere Arbeiten von mir auch noch zeigen; aber da ist ja nichts mehr da. Es kommen höchstens noch einige der kleinen Landschaften in Frage, die ich damals 1932 nach dem Autounfall auf Holz malte, sowie Zeichnungen u. Aquarelle. Ich muß da alles zusammenkratzen, was ich habe u. denke, daß es schon irgendwie gehen wird. – Ich erfuhr bei dieser Gelegenheit, daß der Rostocker Kulturbund Zeichnungen von mir nach Dresden gesandt hat, ohne daß ich davon etwas weiß. – Ich muß nun sehen, wie alles klappt u. werde viel Arbeit haben. Grade heute morgen habe ich eine Liste zusammengestellt von den Gemälden, die ich senden will, es sind 31 Stück vielleicht auch 32, wenn ich das alte Malvenbild mitschicke.

     Nachmittags war die Direktorin der Museums in Schwerin da, deren Namen ich nicht weiß, eine Frau von etwa 45 Jahren, Kunsthistorikerin, aber bis dahin nie im Museumsdienst tätig gewesen. Nicht unsympatisch, klug u. anscheinend nicht ungeschickt. Sie will die [5] Bilder im Oktober ausstellen, so weit sie Platz hat. Dieser Platz ist beschränkt, da die für solche Ausstellungen notwendigen Umbauten noch nicht fertig sind. Sie wird kaum mehr wie 15–20 Bilder hängen können. Die Weihnachtskrippe möchte sie gern als Leihgabe haben zu Weihnachten. – Sie erzählte allerhand von den kleinlichen Kämpfen, die sie gegen den „Oberregierungsrat“ Venzmer in Schwerin zu führen hat, der in der Sektion für Bild. Kunst den Vorsitz hat u. auch sonst in Schwerin eine Rolle spielt, aber in jeder Weise eine Null ist. Die Ausstellung meiner Bilder würde dann mit dem Kulturbund selbst nichts zu tun haben.

     Für Rostock habe ich einige kleinere Zeichnungen mit Passepartouts versehen. Ich werde ganz gut 45–50 Zeichnungen u. Aquarelle früherer Zeit zusammen bekommen, sodaß ich die Rostocker Säle gut füllen kann.

     Ich zeigte heute zum ersten Male die beiden neuen Bilder „Gespenst“ u. „Dirne“ u. fand, daß sie sich ganz gut einfügen.

     Heute abend soll eine Sitzung des Kulturbundes sein. Herr Dr. Burgartz wird ungehalten sein, weil die geplante Kunstausstellung hier bisher nicht zustande gekommen ist, jedoch fehlt es an Räumlichkeiten.

     Abends: Die Sitzung war diesmal recht anregend, nachdem ganz unerwartet Herr Pastor Kleinschmidt erschien u. die Museums-Direktorin aus Schwerin mitbrachte, sowie einen anderen Pastor u. dessen Frau. Pastor Kleinschmidt setzte sich sehr für die Kunstausstellung ein u. brachte es fertig, daß beschlossen wurde, die Wand im alten Kunstkaten herauszureißen u. am nächsten Sonntag die Ausstellung zu eröffnen. Ich weiß zwar nicht, ob das durchführbar ist, aber der Elan ist ja groß u. es mag gelingen. –

[6]
Sonnabend, 10. August 1946.     

[6]      Liste der auszustellenden Bilder aufgestellt, nach Motiven geordnet, Blumenbilder, Landschaften usw., insgesamt 32 Stück. Entsprechend dieser Liste Etiketten geschrieben u. auf Rückseiten geklebt.

     Mittags mit Pastor Kleinschmidt im Dohna'schen Hause, auch Dr. Burgartz, Gräfin Dohna u. a. waren da, auch Malermstr. Graeff. Wir besprachen das Rausreißen der Wand u. der sonstigen Arbeiten. Bis abends 7 Uhr war die Wand wirklich spurlos verschwunden. Gräfin Dohna überläßt mir die frei gewordenen Bretter der Deckenschalung, sodaß ich davon Bilderkisten für die Ausstellung machen lassen kann. [...]

[7]      Ueberhaupt scheint es in diesem ganzen Kulturbund wieder einmal zu kriseln. Vormittags war Dr. Burgartz bei mir u. brachte mir die Einladungen zu unserer Kunstausstellung. Er sagte mir, daß Stadtrat Matern u. Herr v. Achenbach sehr innigst befreundet seien u. daß beide gegen Pastor Kleinschmidt stünden. Achenbach habe aber Aussicht, demnächst nach Berlin zu gehen, u. er würde dann sicher Matern dorthin nachziehen. Immerhin sei aber auch Pastor Kleinschmidt angreifbar, sodaß in den letzten Tagen der Oberregierungsrat Venzmer aus Schwerin hier gewesen sei, um da einiges in Ordnung zu bringen. Kleinschmidt selbst deutete ja gestern Abend an, daß da in der Presse einige unangenehme Notizen erschienen seien über die Angelegenheiten des Kulturbundes in Ahrenshoop, – gewiss nur reines Zeitungsgeschwätz –, aber solche Sachen sind immer unangenehm. Der Erfolg davon ist aber, daß Herr Kleinschmidt sich große Mühe gibt, hier einen guten Eindruck zu machen. Er spricht von Fehlern, die gemacht worden seien u. die in Zukunft vermieden werden müßten. – Die Stellung des Dr. Burgartz hat sich dagegen sehr gehoben. Er soll ja wohl die Leitung der in Rostock neu zu gründenden Hochschule für Musik inne haben u. ist gleichzeitig Feuilleton-Redakteur des jetzt neu eingerichteten Rostocker Teiles der Landes-Zeitung, die selbst in Schwerin erscheint. Dr. B. hat einen sehr modernen Komponisten für die Hochschule verpflichtet u. hat sich dadurch in die Nesseln gesetzt bei den reaktionären Kreisen Rostocks. Es wird auch da Kampf geben. Auch für meine Ausstellung sagte er den Kampf dieser Kreise gegen meine Bilder voraus, doch versicherte er mir, daß er mich als Leiter des Feuilletons verteidigen u. schützen werde. – So scheint also da überall ein neues Leben zu erblühen. Teils ist dieses heimliche [8] Intrigentum dieser provinziellen Ehrgeizlinge untereinander überaus widerlich, teils zeugt aber der dadurch hervorgerufene Kampf von Lebendigkeit. Ich selbst bleibe bei all dem draußen u. freue mich, daß ich zwar als politisch Parteiloser bei all diesen Leuten im Verdacht der Reaktion stehe, daß aber meine Arbeit entschieden auf der Seite des Fortschrittes steht. Es mag das alles ganz interessant werden in diesem Winter. Die Meinungen werden dann ja aufeinanderplatzen. [...]

[9]
Mittwoch, 14. August 1946.     

[...] [9]      Nachmittags brachte Herr Meyer die Rahmen für die letzten Bilder, die ich gleich farbig tönte. Während dieser Arbeit kam Koch-Gotha u. brachte vier Zeichnungen für die Ausstellung. Er will morgen Vormittag wiederkommen, um Bilder anzusehen. Er hat sich seinen Bart wieder abgenommen u. hat nur eine weiße Krause stehen lassen. Er sieht so besser aus als mit Bart. Er brachte eine Zeichnung einer Althäger Winterlandschaft mit einem Schneemann, ferner eine weite Sicht auf Wustrow, eine Radierung vom alten Knecht u. eine Rötelzeichnung von Gerhard Marks.

     Der Ausstellungssaal im Kunstkaten ist jetzt so weit fertig, nur die Türen müssen noch gemacht werden u. vor allem muß sauber gemacht werden. Diese Verputzung der Wände mit Lehm hat den Fußboden in einen Morast verwandelt. Die Glasscheiben des Oberlichtes sind noch nicht erneuert u. auch das Dach ist noch nicht ausgebessert. Es hat heute Nachmittag geregnet u. innen ist das Regenwasser durch die Decke über die frisch gestrichenen Wände gelaufen.

[9]
Donnerstag, 15. August 1946.     

[9]      Vormittags waren wieder mehrere Leute nacheinander da, um Bilder anzusehen, darunter auch Peter Jaeger mit Tochter u. noch zwei anderen Damen, natürlich wie immer in aller Eile auf der Durchfahrt. – Am Nachmittag fotographierte Fritz die drei Bilder „Dirne“ „Gespenst“ u. „Dr. Tetzlaff“. – Der Bildhauer Loeber brachte für die Ausstellung Bilder seiner Frau, von denen ich drei Stück auswählte, ein bezauberndes, kleines Oelbild u. zwei Aquarelle (Selbstportait u. Kinderbild) Ich wußte garnicht, daß diese Frau eine so begabte Malerin sei. Ihre Sachen sind aber genau so liederlich u. schusselig gemacht u. hergerichtet, wie sie [10] selbst ist. Auch er hat offenbar nicht die Gabe, etwas mehr Ordnung u. Disziplin in die Produktion seiner Frau zu bringen. Er hat übrigens Aussicht, irgendwo in Thüringen Leiter einer Holzbildhauer-Schule zu werden. Damit würde dann die Fischländer Kolonie gleich um zwei Köpfe verringert werden. Nachdem Partikel vor Jahresfrist spurlos verschwunden ist u. Prof. Gerhard Marks nach Hamburg gegangen ist, wird das Fischland immer magerer.

[10]
Freitag, 16. August 1946.     

[...] [10] Abends trafen sich die Aussteller der Kunstausstellung im Baltischen Hof. Da dort aber ein Varieté stattfand u. sämtliche Stühle im Saal gebraucht wurden, gingen wir ins Seezeichen, wo ich erstmalig den neuen Pächter, Herrn Möller, kennenlernte, ein endlich mal etwas kultivierterer Gastwirt, der aus dem Osten gekommen ist, wo er ein ziemlich großes Hotel gehabt haben soll. Es waren Triebsch, Koch-Gotha, das Ehepaar Holtz-Sommer, Frau Woermann, Dora Oberländer u. Frau Droßt da. Wir besprachen die Ausstellungsangelegenheiten, Fritz, der mit dabei war, übernahm die geschäftlichen Angelegenheiten. Es wird gut sein, wenn Fritz das auch weiterhin macht. Wir beschlossen, alle vier Wochen jeden ersten Freitag des Monats, nachmittags 5 Uhr im selben Lokal zusammen zu kommen u. außerdem überhaupt jeden Freitag einen Stammtisch dort aufzumachen. Besonders Triebsch war von diesem Vorschlag sehr entzückt. [...]

[11]
Sonnabend, 17. August 1946.     

[11]      Heute den ganzen Tag über im Kunstkaten Bilder gehängt. Koch-Gotha war ebenfalls da, Frau Holtz=Sommer war nur vormittags zur Jurierung da. Die Ausstellung ist nun fertig, alle Bilder hängen, wobei Herr Klünder, Koch-Gothas Schwiegersohn, sehr gute Dienste geleistet hat u. man muß sagen, daß die Ausstellung wenigstens ein recht gutes Gesicht hat. Meine Bilder: Lupinen – Prophet – Blauer Engel –, hängen an der Hauptwand zusammen mit zwei Bildnissen u. einem Blumenstück von Frau Holst-Sommer. An der Querwand daneben hängt Triebsch mit seinen konventionellen Bildern, die ganz im Stile des Vereins Berliner Künstler sind, langweilig u. brav. Zweifellos sind meine drei Bilder die besten, die anderen kommen nicht an sie heran.

[11]
Sonntag, 18. August 1946.     

[11]      Nun ist die Ausstellungs-Eröffnung gewesen. Als Veranstaltung war sie ein sehr großer Erfolg. Sie begann Nachm. 1/2 4 Uhr im Kurhause mit einer kurzen Ansprache von Dr. Burgartz als Vorsitzendem unserer Ortsgruppe. Es war ungeheuer voll, die Menschen fanden nicht alle Platz. Es folgte ein ganz hervorragender Violin-Vortrag einer Virtuosin aus Schwerin. Dann sprach der Rektor der Rostocker Universität, Prof. Rienäcker sehr gut über Kunst. Ihm folgte ein kurzer Vortrag des Landesleiters Pastor Kleinschmidt, der überaus liebenswürdig war. Er brachte zum Ausdruck, daß ursprünglich die Idee gewesen sei, daß die Kulturschaffenden sich hier in Ahrenshoop erholen u. als Entgelt dafür der Bevölkerung Kulturgüter vermitteln sollten. In Wahrheit sei aus dieser Gegengabe nichts geworden, dagegen hätten nun die Fischländer Künstler ihrerseits den Kurgästen eine künstlerische Gabe geboten. – Nach ihm sprach Ringeling über die historische Entwicklung der Seeschiffahrt des Fischlandes sehr ausführlich, für uns recht interessant, doch für die Fremden vielleicht langweilig. – Sodann setzte sich alles in Bewegung zum Kunstkaten, wo ein ganz fürchterliches Gedränge herrschte. Ich stellte mich in eine Ecke, wo man mir ein kleines Tischchen hingestellt hatte, hinter dem ich wenigstens ein wenig räumliche Distanz fand. Koch-Gotha hatte im letzten Moment auf diesen Tisch eine ganz prachtvolle Bronzebüste von Gerh. Marks aufgestellt, die Alfred Partikel darstellte. Von dort aus hielt ich meine Eröffnungsrede, die trotz dieser räumlichen Unzulänglichkeit nach den Urteilen, die ich gehört habe, sehr gut ausgefallen ist. Dr. Burgartz behauptete sogar, es sei die beste der gehaltenen Reden gewesen. – Schließlich ist das kein Wunder, denn ich sprach von Dingen, die ich kenne. Die Rede des Prof. Reinäcker wird diesem besonders schwer gewesen sein, er ist hier nicht nur fremd, sondern er sprach noch dazu in Vertretung des Präsidenter Joh. R. Becher, der die Rede halten sollte, sich aber gedrückt hat. Rinäcker sowohl wie Kleinschmidt sprachen beide, ohne meinen [12] Namen zu nennen, für mich u. meine Bilder. – Ich habe mich besonders gefreut, daß gleich heute am ersten Tage ein kleines Kinderbildnis von Frau Loeber verkauft wurde. Der Käufer ist Justus Schmitt. Loebers können das Geld sicher brauchen, es ist nur schade, daß das Bildchen mit 150, – Rm. viel zu billig war. Schmitt hätte sicher auch das Doppelte gezahlt. Als Veranstaltung war diese Sache ein großer Erfolg. Der Kurdirektor Michelsen war ganz glücklich, es war der weitaus stärkste Tag der Saison, wie er sagte. Wir Maler haben also bedeutend an Wert gewonnen. Es wird sich nun zeigen müssen, ob die Ausstellung auch sonst noch guten Besuch haben wird. Es waren auch einige Einheimische da wie Herr + Frau Gräff, Bernh. Saatmann, Frau Bertsch. Herr Venzmer, der „Oberregierungsrat“ aus Schwerin, war auch da u. machte ein bittersüßes Gesicht zu der ganzen Sache. Ueberhaupt war viel Prominenz da, z.B. auch der Rektor der Universität Leipzig. Herr von Achenbach glänzte durch Abwesenheit, ebenso Herr Erichson, der, wie man mir sagt, in Ahrenshoop ist.

[13]
Mittwoch, 21. August 1946.     

[13]      In der Deutschen Rundschau, Heft 3 ds. Jahres steht ein Artikel: „Ein Dichter sieht die Nazis“. Dieser Dichter ist ein Amerikaner Louis Bromfield u. es wird von ihm gesagt, daß er die Deutschen nicht liebe u. daß er grade darum den Aufstieg Hitlers richtig gesehen habe. Er erklärt ihn mit dem Minderwertigkeits-Komplex der Deutschen, permutiert in den Willen zur Macht. Ueber marschierende S.A. in München sagt er sehr treffend: „Eine erschreckende Sache: das völlige Aufgehen des Individuums in eine Maschine, aus dem Verlangen dieses Individuums entsprungen, sich vollkommen aufsaugen zu lassen, die eigene Identität restlos an die Maschine zu verlieren, der Wille nur ein Rädchen im Räderwerk zu sein.“ Das ist überaus richtig. Vor Jahren sah ich in Berlin eine Abteilung Hitlerjugend durch die Straßen marschieren u. der letzte Junge trug um den Ellbogen des linken Armes ein Schlußzeichen wie ein Auto. – Der Amerikaner sagt: „Es ist da etwas im deutschen Wesen, das eine ekstatische Steigerung im Selbstmord findet“.

     Vormittags besah ich mir Alfred Rethels Totentanz aus dem Jahre 1848. Auf dem dritten Blatt, wo der Tot eine Tabakpfeife gegen eine Krone abwiegt, findet sich eine alte Frau, die mit ihrem Enkelkinde die Scene verläßt. Diese Figur fiel mir stark auf u. ich versuchte, daraus ein Bild zu machen. Ich glaube, es kann etwas werden; damit hätte ich dann wohl einen neuen Weg gefunden. [...]

[13]
Donnerstag, 22. August 1946.     

[...] [14]      Gestern Nachmittag besuchte mich Schmidt-Detloff, von dem ich mich über die künstlerischen Verhältnisse in Rostock informieren ließ. Es sieht da ziemlich unerfreulich aus.

     In der Landeszeitung vom Dienstag, die ich heute bekam, steht eine Besprechung der Ausstellungs-Eröffnung hier am Sonntag. Sie ist von Dr. Burgartz, – sehr dürftig. [...]

[14]
Sonnabend, 24. August 1946.     

[...] [15]      Abends gestaltete sich das Gespräch mit Dr. Petersen sehr interessant. Dieser Mann, eben 82 Jahre alt, ist ein Picasso=Baby, d.h. ein Kind mit dem Gesicht eines Mannes – noch dazu ein Flaschenkind. Sehr intelligent! Natürlich neigt dieser sehr kultivierte, durch u. durch bürgerliche Mensch sehr zur CDU, – vielleicht ist er sogar Mitglied. Er verabscheut die Russen ebenso wie die SED. u. sein Wünschen ist nach dem Westen, nach München, gerichtet. Ich widersprach dem u. gab damit zum ersten Male der Ansicht Ausdruck, die sich bei mir in den letzten Wochen mehr u. mehr gebildet hat. Ich sagte, daß diese Neigung nach dem Westen, die ich ja ebenso habe, eine Neigung zur Reaktion sei, die man überwinden müsse. Es ist die Neigung zur Seite des geringsten Widerstandes. Sie ist bedingt durch unsere bürgerliche Erziehung u. Tradition u. versucht, Rettung zu finden in einer sozialen Geisteshaltung, die zwar zur Zeit im Westen noch besteht, aber im Sterben liegt. Sich zu ihr bekennen, heißt nur, einer Entscheidung aus dem Wege gehen, die eines Tages doch kommen wird. Es ist ähnlich wie 1918, als das Bürgertum sich in der Weimarer Republik zu retten suchte u. doch unterging. Diese Entscheidung wiederholt sich heute. Wäre sie damals schon erfolgt, wäre uns Hitler u. der Krieg u. all unser Elend erspart geblieben. – Ich bin der Ueberzeugung, daß der Osten siegen wird. Je rascher u. widerstandsloser dieser Sieg herbeigeführt wird, um so besser. Die gegenwärtige Korruption, die Dr. P. als Argument ins Feld führt, ist zwar nicht zu leugnen, aber sie ist eben eine Folge des gegenwärtigen Kampfes zwischen Ost u. West. Es mag uns Intellektuellen diese neue Form sehr unsympatisch sein, was ich zugebe, aber das ist kein Grund, sich ihr zu verschließen. Der Westen erscheint mir wie eine in Blüte stehende Wiese, der Osten wie eine Steppe; aber die Sensen blinken schon, die diese Wiese abmähen werden, während in der Steppe ein neuer Anfang winkt. [...]

[...] [16] Der deutsche Kommunismus ist noch ein Säugling u. ein solcher macht eben zunächst die Windeln voll u. es muß jemand da sein, der sie wieder auswäscht. – Die ganze Debatte mit Dr. P. hat diese Ansicht in mir bedeutend gefestigt, besonders, da daraus hervorging, daß meine Ansicht über die CDU. richtig ist. Jakob Kaiser, der Führer der CDU., ist sicher ein kluger u. sauberer Mann, der klare Erkenntnisse hat u. die Situation übersieht; aber die Masse der CDU-Mitglieder ist nichts als reaktionär u. ist dazu noch zu feige, das offen zu sagen. Sie tarnen sich unter einem „Christentum“, mit dem sie garnicht ernst machen u. zerren das Christentum in einen Kampf, der diesem sehr schaden wird.

     In der Landeszeitung steht ein Aufruf des Kulturbundes zur Wahl, natürlich im Sinne der SED. Er ist von den Prominenten des Kulturbundes für Mecklenbg.-Vorpommern unterschrieben. An der Spitze Dr. h.c. Willi Bredel, der im Sommer hier war, ohne daß ich ihn kennen lernte. Er wohnte bei Erichson u. ist Landesleiter. Ferner der Rektor der Rostocker Universität Prof. Rienäcker, Lucie Höflich, Ehm Welk, Karl Kleinschmidt, Heinr. Tessenow, Erichson u. vielen anderen, die ich nicht kenne. [...]

[16]      Vormittags besuchte mich ein Herr Manfred Pahl=Rugenstein aus Berlin u. sah meine Bilder. Nachmittags ebenso der Maler Albrecht u. seine Frau, der mir einen guten Ueberblick über das Kunstleben in Berlin gab. [...]

[16]
Sonntag, 25. August 1946.     

[16]      Martha erzählt mir, daß gestern der Rektor der Universität Leipzig in der BuStu. war u. davon gesprochen hätte, daß ich ein Meisteratelier an der Leipziger Kunstschule erhalten müßte. Damit kommt eine neue Perspektive auf. Ich würde einen solchen Ruf allerdings sehr gern annehmen. Der Rektor heißt: Prof. Dr. Gadamar.

[16]
Montag, 26. August 1946.     

[...] [17]      Eine Dame soll hier sein, welche von mir kurze Angaben für den Schweriner Rundfunk anläßlich meiner Ausstellung in Rostock haben will. Ich habe etwas zusammengestellt, doch habe ich es nicht auf den zugebilligten engen Raum von 50 Worten gebracht, es sind 107 Worte geworden. Bis jetzt ist die Dame aber noch nicht bei mir gewesen.

[17]
Dienstag, 27. August 1946.     

[...] [17]      Vormittags war Frau Haeffner bei mir, die angekündigte Dame vom Landessender Schwerin. Sie brachte noch eine andere Dame mit u. beide besahen sich Bilder. Frau Haeffner wünschte von mir ein Referat von etwa 80 Zeilen Umfang, welches am 8. Septemter zur Eröffnung meiner Ausstellung im Rundfunk verlesen werden soll. Wir sprachen die Sache durch u. ich las ihr zu diesem Zweck meine Rede vor, die ich in Rostock zu halten gedenke. Frau Haeffner gab mir einige gute Hinweise für den Fall, daß Russen bei meiner Rede zugegen sein sollten, was für mich überaus nützlich war. Ich arbeitete dann gleich das Referat aus, ließ es von Eva Küntzel mit der Maschine schreiben u. schickte ihr das Manuskript heute Abend. Frau H. ist eine sehr beachtenswerte Frau.

     Konow aus Althagen hat heute angefangen, die Bilderkisten zu machen, leider regnet es heute pausenlos bei Nordwind. Es ist recht kalt. [...]

[18]
Freitag, 30. August 1946.     

[...] [18]      Ich las abends eine politische Rede Dr. Schumachers vom 17. März 1946 in Nürnberg, die in einer Zeitschrift abgedruckt war („Die Gefährten“ 1946/1.) Gott sei Dank, daß mir dieses Blatt in die Hände kam, diese Rede gab mir wieder Mut u. Zuversicht. [...]

[19] Man muß also nach wie vor weiterkämpfen u. den Kommunismuß genau so ablehnen wie den Nationalsozialism. u. wenn man nicht aktiv kämpfen kann, dann muß man es wenigstens passiv tun u. seine Mitarbeit verweigern vor dem eignen Gewissen.

     Ich denke, daß ich auch künstlerisch mich entscheiden werde. Ein Bild eines Kosaken-Offiziers wird man zwar niemals ausstellen können, aber man kann es doch wenigstens malen u. damit zeigen, wie diese Leute aussehen.