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Kunst und Kultur in Ahrenshoop, Februar 1946

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Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: Kunst und Kultur in Ahrenshoop, Februar 1946
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Entstehungsdatum: 1946
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Tagebuchauszüge zum Thema Kunst und Kultur in Ahrenshoop, Februar 1946
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Einführung

[Bearbeiten]

Der Artikel Kunst und Kultur in Ahrenshoop, Februar 1946 zeigt die von Stefan Isensee im Rahmen seines Werkes „Kunst und Kultur in Ahrenshoop 1945 bis 1948“ zusammengestellten Tagebuchauszüge vom Februar 1946. Textauslassungen wurden mit [...] gekennzeichnet, eingefügte Erläuterungen von Stefan Isensee in eckigen Klammern kursiv [Erläuterung].

Tagebuchauszüge

[Bearbeiten]
[1]
Freitag, 1. Februar 1946.     

[...] [2]      Vom Kulturbund erhielt ich heute unaufgefordert eine Bescheinigung, daß ich ein anerkannter Künster sei u. mir die Lebensmittelkarte für Arbeiter zustehe. Nun sind aber heute hier bereits die Lebensmittelkarten ausgegeben worden u. ich habe wieder bloß die Angestelltenkarte bekommen. Hoffentlich läßt sich dieselbe morgen noch umtauschen. Es wäre das um so erwünschter, da uns heute ein neues Brot aus der Brottrommel in der Küche gestohlen worden ist, unmittelbar nachdem Trude das Brot vom Bäcker geholt hatte. [...]

[2]      Ferner schrieb mir der Geschäftsführer der Sektion für bild. Kunst, daß er hoffe, Mitte Februar mit Erichson zusammen auf das Fischland zu kommen, um die Kollegen hier kennen zu lernen u. ihnen einen Bericht über die bisherigen Arbeiten u. Pläne der Sektion zu geben. Er wird den „Kunsthändler der Sektion, Herrn Weiß“, mitbringen. Er bittet mich, hierfür die Vorbereitungen zu treffen, wie auch dafür, daß einer der Kollegen den Schriftverkehr mit der Sektion u. die laufende Unterrichtung der Kollegen übernimmt. Der Mann denkt sich das sehr einfach, aber die räumliche Ausdehnung von Wustrow bis hierher ist beträchtlich. [...]

[2]
Sonnabend, 2. Februar 1946.     

[...] [2]      Nachmittags kamen Marthas Mitarbeiterinnen, u. wollten etwas über moderne Malerei hören. Ich zeigte ihnen einige Bilder u. hielt ihnen einen Vortrag, der anscheinend gut aufgenommen worden ist, obgleich ich nicht recht wußte, was ich sagen sollte u. mich schrecklich quälte. Alle versicherten, daß sie verstanden hätten. Ob es wahr ist, weiß ich nicht. – [...]

[3]
Sonntag, 3. Februar 1946.     

[3]      Nachmittags bei Koch-Gotha. Ueberaus morastiger Weg, der besonders auf dem Rückwege schlimm war, da es inzwischen dunkel geworden war u. zu regnen angefangen hatte.

     Das Haus liegt am Bodden unmittelbar hinter dem Deich, von dem es nur durch einen schmalen Weg getrennt ist. Koch-Gothas Arbeitszimmer liegt rechts vom Hauseingang u. hat ein Fenster nach Osten zum Deich, der den Blick auf den Bodden versperrt, u. zwei Fenster nach Süden. Das Zimmer ist nur klein, aber wohl das größte in dem kleinen ehemaligen Fischerkaten, der so tief liegt, daß er eben noch mit knapper Not über dem Spiegel der jetzt überschwemmten Wiesen liegt. Außerdem ist das Zimmer sehr voll. Eine sehr große Zeichenplatte nimmt den Hauptplatz ein. Sodann steht ein sehr hübsch bemalter, alter Bauernschrank dort, sowie Regale, kleinere Behälter, Stühle u. eine Staffelei. Es bleibt nicht viel Raum, um sich zu bewegen.

     Koch-Gotha zeigte bereitwilligst seine zahlreichen Zeichnungen, die den Rest eines großen Reichtums bilden, der in Berlin verbrannt ist. Er hat dort sehr viel verloren, denn er besaß dort ein großes Bilderarchiv, das er für seine Illustrationen sehr brauchte. Er zeigte einige frühe Zeichnungen aus dem Jahre 1896, dem Jahre, als ich ins Kadettencorps kam u. ich 10 Jahre alt war. Schon damals waren es Zeichnungen von Soldaten im Manöver, noch ungeschickt, aber doch schon seine spätere Art erkennen lassend. Er zeigte alles, was er hatte, wobei sehr schöne Sachen waren, vor allem eine Scene aus einem Berliner Karneval. Die Zeichnung zeigt die Brüstung einer Loge, in der ganz am Rande rechts u. links ein Herr u. eine Dame sitzen, bereits reichlich betrunken, albern kostümiert, blöde u. bösartig, entsetzlich gelangweilt. Auf dem Tisch zwischen den beiden steht eine Batterie von Sektflaschen, zwei oder drei Luftballons schweben darüber u. dahinter im Hintergrunde zwei betrunkene ältere Herren, wohl die Väter, die eifrig über das Geschäft sprechen. Dieses Blatt ist von sehr großer Schönheit.

     Ferner gefielen mir Blätter aus Paris, französische Kürassiere in ihren weißen Mänteln, die aus der nächtlichen Dunkelheit herangeritten kommen an ein nicht sichtbares Lagerfeuer, u. wieder im Dunklen verschwinden. Solche nächtliche Bilder waren mehrere da, überaus eindrucksvoll. Daneben auch Landschaften hier aus der Gegend, auch aus Polen vom 1. Weltkriege her, u. einzelne überaus zarte u. feine Pflanzen-Zeichnungen, in Aquarellfarben. Es war recht interessant. Sehr hat mir imponiert, wie all diese Zeichnungen in tadellosen Passepartouts waren, sehr sauber mit schwarzen Strichen eingerahmt, zuweilen auch mit schmalen Streifen von Gold-oder Silberpapier. Ich müßte das gelegentlich mit meinen Zeichnungen auch so machen.

     Koch-Gotha erzählte, daß in diesen Tagen der Kommandant von Ribnitz im Auto bei Prof. Marks vorgefahren sei u. ihm ein Atelier in Ribnitz angeboten habe. Marks habe gesagt, er wolle lieber in Althagen wohnen bleiben, da sonst sein Haus beschlagnahmt werden würde für Flüchtlinge. Darauf habe der Kommandant gesagt, Marks könne doch seine Schwester aus Lübeck kommen lassen u. in das Haus setzen. Der Kommandant [4] habe Marks dann noch eine große Wurst u. a. Lebensmittel geschenkt. – Wie kommt der Kommandant dazu? u. woher weiß er, daß Marks eine Schwester in Lübeck hat? Es handelt sich offensichtlich darum, daß Marks einen Ruf nach Hamburg erhalten hat u. die Russen wollen nun verhindern, daß er dorthin geht, teils, weil sie nicht wollen, daß ein namhafter Künstler aus ihrer Zone fortgeht zu den Engländern. Sie sind sehr eitel u. fürchten, daß sie in den Ruf der Kulturlosigkeit kommen, wenn namhafte Künstler abwandern, aber bis dahin haben sie sich um Marks nicht gekümmert u. garnichts von ihm gewußt. [...]

[4]      Von der Gemeinde habe ich nun doch noch eine Arbeiter-Lebensmittelkarte bekommen. [...]

[5]
Mittwoch, 6. Februar 1946.     

[...] [5]      Heute wurde mir erzählt, daß Herr v. Achenbach sich auf einer Versammlung der 3 oder 4 Kommunisten, oder vielmehr: Kommunistinnen, in Ahrenshoop u. Althagen über mich geäußert hat: ich hätte in meiner Bürgermeisterzeit die Nationalsozialisten begünstigt. Nach u. nach erkenne ich mehr u. mehr, wes Geistes Kind dieser Herr ist, von dem mir der kranke Herr Glaeser, den ich heute besuchte, sagte, daß er ihm 26,– Rm. für erteilten russischen Unterricht schulde. Er ist jetzt in Rostock Geschäftsführer des Kulturbundes geworden u. hat sich nach dort begeben, jedoch ist seine Familie nach wie vor hier. [...]

[6]
Sonnabend, 9. Februar 1946.     

[6]      Gestern Abend fand die übliche Winter-Einladung zu Neumanns statt. Es gab gebackene Leber mit Kartoffelsalat, nachher eine vorzügliche Apfelspeise, alles in den gewohnten Massen. Neumanns sind eifrig beim Herrichten dessen, was noch übrig geblieben ist vom Kurhause u. hoffen auf den sommerlichen Besuch von einigen ihrer treuesten Gäste. Falls sich die Verhältnisse bis dahin etwas ändern, mag diese Hoffnung sich erfüllen, aber so lange die Russen hier sind, kann ich es mir nicht vorstellen. [...]

[7]
Montag, 11. Februar 1946.     

[7]      Heute den Christus-König angelegt, sehr monumental. Nachmittags Unterweisung an Herrn Schwertfeger, Frl. v. Tigerström, Frl. Müller u. die Tochter Stricker, die alle sich in künstlerischer Produktion versuchen wollen. Herr Schwertfeger hat mit dem Taschenmesser einen Holzschnitt gemacht, der zweifellos Begabung zeigt. Die Tochter Stricker hat ein sehr hübsches Märchen geschrieben „Die Darssmuhme“ u. Frl. v. T. hat nette Zeichnungen dazu gemacht. Frl. Müller macht recht beachtliche Puppen.

     Ich habe mir mein Buch „Wehe uns Gottlosen“ wieder vorgenommen, um Korrekturen vorzunehmen. Man kann nun ja daran denken, dieses Buch herauszugeben. [...]

[8]
Dienstag, 12. Februar 1946.     

[8]      Dora Oberländer war in Rostock beim Kulturbund. Herr Kreuzberg, der Geschäftsführer der Sektion für bild. Kunst, läßt mich bitten, hier den Verbindungsmann für das Fischland zu machen. [...]

[8]
Mittwoch, 13. Februar 1946.     

[8]      Das Christkönigsbild begonnen, es scheint sich sehr leicht zu malen, da es im Entwurf sehr durchgearbeitet u. in seinen Formen überaus einfach ist.

     Nachmittags habe ich angefangen, für meine alten Zeichnungen Passepartouts anzufertigen. Ich sah das neulich bei Koch-Gotha, der alle seine Zeichnungen, auch gewöhnliche, flüchtige Skizzen, sauber in Passepartouts geheftet hat. Durch diese Aufmachung sieht solch eine Zeichnung gleich ganz anders aus. Meine Landschafts-Zeichnungen, Porträts u. auch Bildentwürfe werde ich alle so aufziehen, sie werden dadurch verkäuflich u. sehen sehr kostbar aus, außerdem hat man dann immer etwas, um Gelegenheits-Ausstellungen zu beschicken. Leider habe ich nicht genug Kartons u. überhaupt keine Pappen für die Rückwände.

     Heute hatten wir den ganzen Tag über Licht.

     An Kreuzberg geschrieben, daß ich die Vermittlung zwischen der Sektion für bild. Kunst u. den hiesigen Kollegen übernehmen will.

     Dr. Krappmann bittet mich um eine Bescheinigung, daß er in der Zeit von 1939 – 1945 kein Nazi war. Er hat Aussicht, in Schweinfurt eine Anstellung als Studienrat zu erhalten.

[9]
Sonntag, 17. Februar 1946     
Septuagesima.     

[...] [9]      Später kam Koch-Gotha dazu, der mit großem Interesse das neue Krippenbild betrachtete u. dem ich dann auch das Christusbild zeigte, das einen starken Eindruck auf ihn machte. Martha kam dann u. zeigte ihm auch das Märchenbuch u. das Fischlandspiel, das die Damen in der BuStu. zur Zt. machen. Er kaufte gleich von beiden je ein Exemplar. [...]

[9]
Montag, 18. Februar 1946.     

[...] [9]      Wir bekamen zwei Zentner Steinkohlen gegen Wolle u. hatten heute ein schön warmes Haus. Schütz hat uns seit langem Koks versprochen u. hat dafür von uns zwei Paar Schuhe bekommen, aber den Koks hat er immer noch nicht geliefert. [...]

[10]
Dienstag, 19. Februar 1946.     

[...] [11]      Es ist noch einmal Winter geworden. Es liegt Schnee u. wir haben jetzt am Nachmittag 4° Kälte. Es ist kälter, als es heute früh war.

     Man hört von verschiedenen Seiten, daß beschlossen worden sei, Ahrenshoop auch in Zukunft nicht mit Flüchtlingen zu belegen, sondern vielmehr möglichst bald wieder für den Badebetrieb frei zu machen u. vor allem als Künstlerort zu bevorzugen. Wenn sich das bewahrheiten sollte, wäre das freilich ein bedeutender Hoffnungsschimmer. Wenn auch nur wenig Sommergäste kommen werden, würde das doch für uns von großer wirtschaftlicher Bedeutung sein. Ich würde dann meine Bilder in der BuStu. ausstellen. [...]

[12]
Montag, 25. Febr. 1946.     

[12]      Bei dem gestrigen Unwetter, das auch heute morgen noch einigermaßen anhielt, ist ein Dampfer, der von Wilhelmshaven nach Warnemünde unterwegs war, gescheitert. Die elf Mann starke Besatzung gelangte mit einem Rettungsboot an unseren Strand, total durchnäßt u. durchgefroren, u. wurden gleich von den Russen in Verwahrung genommen. Im Dorfe wurde eine Sammlung von warmer Unterwäsche gemacht. Seit Mittag hat sich der Sturm gelegt, aber es ist sehr kalt. Das Licht, das gestern nicht funktionierte, ist heute wieder in Ordnung, nur der Kraftstrom funktioniert nicht. [...]

[13]
Dienstag, 26. Febr. 1946.     

[...] [13] Es erschienen dann drei fremde Herren, d.h. den einen von ihnen kannte ich, es war der Maler Schmidt-Detloff aus Rostock. Die beiden anderen entpuppten sich als der Geschäftsführer der Sektion f. bild. Kunst im Kulturbunde, Herr Kreuzberg u. als der sog. Kunsthändler des Sektion, Herr Weiß. Letzterer könnte ebensogut ein Geschäft für Büromöbel oder sonst etwas haben, man sieht ihm an, daß er von Kunst nicht viel versteht, aber er macht den Eindruck eines gutmütigen u. anständigen Kerls. Herr Kreuzberg dagegen sieht vorzüglich aus. Er ist ein feiner, bescheidener u. intelligenter Mensch mit guten Manieren, er mag etwas über 30 Jahre alt sein, ungemein sympatisch.

     Die Herren sahen sich also meine Bilder an. Herr Weiß war sprachlos u. verstand nichts, um so entzückter waren die beiden anderen Herren. Herr Weiß gab sich rührend Mühe, irgendetwas zu verstehen u. bat mich um Hilfe, die ich ihm gab so gut ich konnte. Allmählich wurde er immer lebendiger, was sich dann noch erheblich steigerte, als ich meine Zeichnungen zeigte, die in ihren Passepartouts wirklich einen sehr guten Eindruck machen. Schließlich war Herr Weiß so begeistert, daß er am liebsten gleich sämtliche Bilder mitgenommen hätte. Er bot mir an, in der ständigen Kunstausstellung der Sektion ein besonderes Zimmer für mich einzurichten u. dort nur ausschließlich meine Bilder zu zeigen. Ich sagte ihm, daß ich daran kein Interesse hätte, ich wollte meine Bilder zurückhalten, bis ich einmal Gelegenheit haben würde, in einer geschlossenen Sonderausstellung groß herauszukommen. Da er aber nicht aufhörte zu bitten, gab ich nach u. versprach, ihm drei bis vier Bilder zu überlassen. Es ist ja möglich, daß sich auf diese Art die von mir erstrebte Sonderausstellung einmal verwirklichen läßt. Vorerst gab ich ihm zehn Zeichnungen mit, die er zunächst [14] einmal ausstellen mag. Wegen der Oelbilder wollen die Herren bald noch einmal herkommen. Sie hatten nämlich wegen des verschneiten Weges ihren Wagen in Wustrow stehen lassen u. ich wollte ihnen die Bilder so nicht mitgeben, da sie zu leicht beschädigt werden können. Ich sagte Herrn W., daß ich ihm die Bilder erst geben könne, wenn er mit dem Wagen bis vor meine Tür fahren könne. Er war auf Zureden der anderen Herren einverstanden u. zog erst einmal hoch befriedigt mit den zehn Zeichnungen ab.

     Herr Kreuzberg berichtete zwischendurch von allerhand großen Plänen, die die Sektion hat, aber das ist noch Zukunftsmusik. [...]