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Kunst und Kultur in Ahrenshoop, Januar 1946

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Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: Kunst und Kultur in Ahrenshoop, Januar 1946
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Entstehungsdatum: 1946
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Tagebuchauszüge zum Thema Kunst und Kultur in Ahrenshoop, Januar 1946
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Einführung

[Bearbeiten]

Der Artikel Kunst und Kultur in Ahrenshoop, Januar 1946 zeigt die von Stefan Isensee im Rahmen seines Werkes „Kunst und Kultur in Ahrenshoop 1945 bis 1948“ zusammengestellten Tagebuchauszüge vom Januar 1946. Textauslassungen wurden mit [...] gekennzeichnet, eingefügte Erläuterungen von Stefan Isensee in eckigen Klammern kursiv [Erläuterung].

Tagebuchauszüge

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[1]
Dienstag, den 1. Januar 1946.     

[1]      Gott sei gedankt! – das Jahr 1945 ist aus u. zu Ende. Das Neue Jahr wird uns noch durch sehr tiefe Abgründe führen, aber endlich wird es uns doch zum neuen Anstieg führen. Es ist voll Hoffnung.

     Das Jahr schloß mit zwei guten Ereignissen. Am Nachmittag kam Koch-Gotha mit seiner Frau. Er trägt jetzt einen kurz gehaltenen Vollbart. Er sah sich interessiert das auf der Staffelei stehende Bild an u. bat mich, ihm mehr zu zeigen. Er war so verständnisvoll, daß ich ihm immer neue Bilder heranholte, sodaß schließlich sämtliche Bilder vor ihm standen, die ich für einigermaßen einwandfrei halte. Er war voller Zustimmung, besonders in Bezug auf meine Behandlung des Lichtproblems, die er bewunderte u. für völlig gelöst erklärte. Es hat mir große Freude gemacht. Wir saßen noch ziemlich lange beim Kaffee zusammen, der ihm auch behagte, da etwas Bohnenkaffee darin war. Er will an die Sektion für bildende Kunst im Kulturbunde schreiben, daß ich von der dummen Jurierung befreit werde. [...]

[2]
Donnerstag, 3. Januar 1946.     

[2]      Heute ist das Bild fertig geworden, das ich „Apokalyptischer Einbruch“ nennen will. Es ist sehr gut geworden.

     Heute hat es neue Lebensmittelkarten gegeben. Gemäß den neuen, sehr verschärften Bestimmungen haben Martha u. ich die Karte für Angestellte bekommen, das ist die vorletzte Stufe. – [...]

[2]
Sonntag, 6. Januar 1946.     

[...] [2]      Neuerdings fährt nun wieder ein Post-Autobus von Wustrow nach Ribnitz einmal täglich hin u. zurück. Das ist ein wesentlicher Fortschritt.

     Die Russen aus dem Monheim'schen Hause sind gestern abgerückt u. es sieht so aus als ob keine neuen Russen mehr hierher kämen. Sie haben sich vorher bei den Frauen Daschewski verabschiedet, wo sie viel ein u. aus gegangen waren. Sie sind voll Freude gewesen, weil die Moskauer Außenminister-Konferenz so gut verlaufen ist u. es nun, wie sie sagten „keinen Krieg“ gäbe. – Die Ausgeh-Beschränkungen sind nun auch aufgehoben worden, man darf auch in der Nacht auf die Straße gehen. Hoffentlich bewirkt das nicht, daß nun des Nachts eingebrochen wird. – [...]

[2]      Ich habe das neue Bild mit den beiden Erlenbäumen, begonnen. Auch hatte ich das Glück, unter den alten Keilrahmen passende Stücke zu finden, die es mir möglich machen, sowohl das kleine Blumenstück zu malen, zu dem ich am Nachmittag des hl. Abends eine Studie machte, wie auch das Bild mit der Weihnachtskrippe.

     Gretl Neumann war gestern bei Martha u. erzählte, daß sie mit ihrer Mutter das Kurhaus wieder einigermaßen in Ordnung bringt, weil sie die Absicht haben, das Haus in diesem Sommer wieder aufzumachen. Ich finde diesen Mut erstaunlich u. er gibt mir selbst neuen Antrieb. Ich kann mir zwar noch nicht denken, woher die Gäste kommen sollen, aber allein die Tatsache, daß jemand diesen Mut hat, ist überaus erfreulich. Wenn Neumanns Gäste hierher bringen können, dann wäre das ja auch für die BuStu. sehr erfreulich. Ich habe eben den Jahresabschluß gemacht. Seit Oktober haben wir einige Tausend Mark zugesetzt, da viel Löhne gezahlt worden sind, aber verkauft ist so gut wie nichts. [...]

[2]
Mittwoch, 9. Januar 1946     

[...] [2]      Die Landschaft mit den zwei Erlenbäumen wurde gestern fertig. Es ist ein sehr schönes Bild geworden, das [...]

[3] Heute habe ich das neue Bild angefangen, die Fortführung des „Melchisedeks“, aber diesmal ganz als Vision.

     Von Landrat in Rostock erhielt ich vor einigen Tagen endlich Die Bestätigung, daß ich von den Geschäften des Bürgermeisters frei sei.

     Im Monheim'schen Hause sind nun doch wieder neue Russen. Diese Plage hört nicht auf, aber in Wahrheit merkt man wenig von ihnen. [...]

[3]
Donnerstag, 10. Januar 1946     

[...] [3]      In der Nacht hatte ich schwer unter Angstzuständen zu leiden wegen des neuen Bildes. Ich habe den Kopf sehr dunkel gemalt, während er in der Untermalung ursprünglich hell war. Aber es hatte mir eben ein dunkler Kopf vorgeschwebt. Schon den Melchisedech wollte ich dunkel malen, doch ist er dann hell geworden. Nun fiel mir in der Nacht ein, daß ich, wenn der Kopf dunkel ist, [4] das Kopftuch nicht weiß lassen konnte, wenn es nicht ein Negerkopf werden sollte. Also mußte ich das Kopftuch dunkel machen. Aber wie? Grau wäre zu eintönig gewesen u. ich dachte an Rot; aber das wäre eine Farbe gewesen, die von den Malern des 19. Jahrh. für solche Zwecke schon totgehetzt worden ist. Gelb u. Braun wären zu langweilig gewesen, da der Kopf schon stark gelb u. braun ist. Blau wäre zu hintergründig. Es blieb mir Grün, vielleicht Violett, letzteres ebenfalls zu hintergründig. Also Grün? Das erforderte einen ganz anderen Hintergrund. Ich grübelte u. bekam Angst, daß ich dieses Bild nicht malen könnte. Schließlich nahm ich meine Zuflucht zu einem inbrünstigen Gebet, das wohl eine Stunde dauerte. Während dieses Gebetes wurde mir alles klar: Kopftuch grün u. Hintergrund blaugrau, aber links ein fahles Gelb das sich schmal über das Kopftuch hinzieht u. rechts, ebenfalls am Rande des Kopftuches, in ein brandiges Rot ausläuft. – Ich habe heute alles so gemalt u. denke, daß es gut wird. Ich bin erst um 4 Uhr früh zum Schlafen gekommen.

     Wir haben dauernd mildes Wetter. Heute u. gestern heizte ich erst um 3 Uhr Nachmittags u. komme so mit einer einzigen Kanne Koks aus für den ganzen Tag.

     Da Martha u. ich jetzt nur noch die Lebensmittelkarte für Angestellte haben, kommen wir nicht mit dem Brot aus. Der Kulturbund hat mir mitgeteilt, daß ich Anspruch auf die Arbeiter-Lebensmittelkarte hätte. [...]

[4]
Freitag, 11. Jan. 1946.     

[...] [4]      Mein Bild macht sehr langsam Fortschritte. Es ist sehr schwierig, jedoch nicht so, daß ich mich festarbeite, wie das früher in solchen Fällen die Regel war. Ich hoffe, daß ich das Gesicht morgen wenigstens prinzipiell fertig machen kann. [...]

[4]
Sonnabend, 12. Jan. 1946.     

[...] [4]      Vormittags gemalt. Der Kopf ist überaus schwierig, aber es geht langsam vorwärts, ohne daß besondere Probleme der Komposition auftauchen. [...]

[5]
Montag, 14. Januar 1946.     

[...] [5]      Mein Bild habe ich heute ziemlich fertig gemacht, ich denke, daß ich morgen die letzten Pinselstriche machen werde. Es ist gut geworden, ein alttestamentlicher Prophetenkopf. Das Bild hat mich sechs Tage in Anspruch genommen, weniger, als ich dachte.

     Inzwischen habe ich eine allererste, rohe Skizze zu einem Bilde gemacht, das vielleicht eine große Sache werden kann: Christ=König als Richter, Brustbild, aber überlebensgroß. Ich wurde dazu angeregt durch eine Fotopostkarte, die Ruth mir zu Weihnachten schickte. Sie ist das Abbild eines Alabaster-Reliefs aus dem 14. Jahrh., wahrscheinlich englischen Ursprungs, in der Kirche St. Maria zur Wiese in Soest u. stellt die hl. Dreifaltigkeit dar. Gott=Vater, sitzend, hält zwischen den Knieen das Kruzifix mit dem Gekreuzigten, über dem die Taube schwebt. Der Kopf Gott-Vaters mit einer Krone u. geschlossenen Augen u. zum Schwur erhobener rechter Hand während die Linke auf dem Kruzifix ruht, ist von wunderbarer Ruhe u. Majestät.

[5]
Dienstag, 15. Januar 1946.     

[5]      Letzte Hand an den Prophetenkopf gelegt. Keilrahmen für drei neue Bilder mit Leinewand bespannt. [...]

[6]
Mittwoch, 16. Januar 1946.     

[6]      Die Zeichnung zum Christus-Bilde hat mir heute sehr schwere Arbeit gemacht. In größerer Fassung ergab sich, daß die ganze Komposition geändert werden mußte. Ich arbeitete den ganzen Vormittag daran, ohne zu einem Resultat zu kommen u. war schon fast verzweifelt, als dann Mittags endlich die Lösung sich ergab. Um 2 Uhr war ich im Prinzip fertig. Es sind noch Kleinigkeiten zu verbessern, aber im großen Ganzen kann es nun so bleiben. Diese Zeichnung kann nun erst eine ganze Weile stehen bleiben, damit ich sehe, ob sie wirklich stichhaltig ist.

     Die kleine Leinewand für das Blumenstück, das ich am hl. Abend, bzw. Nachmittag, gezeichnet habe, habe ich heute grundiert. Ich hatte dafür eben noch Grundierfarbe. Morgen muß ich zu Gräff gehen u. ihn neue Grundierfarbe machen lassen. Hoffentlich hat er noch Tafelleim, sonst bin ich aufgeschmissen. Ich werde an Kausels schreiben, die vielleicht noch Tafelleim haben, aber bis ich ihn bekomme, vergehen 3 – 4 Wochen. [...]

[7]
Sonntag, 20. Januar 1946.     

[7]      Vom Kulturbunde bekam ich die Nachricht, daß ich nun endlich in die Sektion für bildende Kunst aufgenommen worden bin, ohne mich vorher der Jury zu unterwerfen. [...]

[8]
Mittwoch, 23. Januar 1946.     

[...] [8]      Deutschmann war bei mir u. bat mich um Bestätigung, daß er mir persönlich, wie auch der BuStu. wiederholt gegen die Nazis geholfen hat. Ich werde ihm diese Bestätigung sehr gern geben. [...]

[9]
Freitag, 25. Januar 1946.     

[9]      Vormittags war Koch-Gotha da. Das kleine Blumenstück war eben grade fertig bis auf einige letzte Pinselstriche. Koch-Gotha war überrascht u. sehr entzückt von diesem kleinen Bilde, das tatsächlich sehr schön geworden ist, vor allem sitzt es räumlich ausgezeichnet. – Ich zeigte ihm die anderen neuen Bilder: den „Apokalyptischen Einbruch“, die „Erlenlandschaft“ u. den „Propheten“. Besonders die Erlenlandschaft gefiel ihm wegen der Luft, die in diesem Bilde ist, aber auch der Prophet fand seinen Beifall, worüber ich überrascht war. Ich glaubte, daß er dieses Bild ablehnen würde. Ich zeigte ihm dann auch die Bleistiftskizze für den Christkönig. Das Bild machte auf ihn einen sehr starken Eindruck, er meinte, daß dies ein sehr großes Bild werden könnte. Ich hatte große Freude über die Anerkennung dieses Naturalisten, der ja über eine große Urteilsfähigkeit verfügt. Er erzählte mir übrigens, daß er vor 20 Jahren einmal eines meiner völlig abstrakten Bilder gesehen habe, welches einen so starken Eindruck bei ihm hinterlassen hätte, daß er dieses Bild heute noch deutlich vor sich sähe, obwohl er es, wie er zugab, nicht verstanden hätte. [...]

[10]
Dienstag, 29. Januar 1946.     

[10]      Ich glaube, daß dies der beste 29. Januar gewesen ist, den Martha u. ich in diesen 25 Jahren, seitdem wir uns nun kennen, gefeiert haben.

     Gleich zum Frühstück trug uns unsere Trude ein Frühstück auf mit Bohnenkaffee, Butter u. für jeden ein Ei. Wir frühstückten im Atelier in der warmen Ecke bei der Heizung. Draußen war Tauwetter eingetreten u. es war warm im Haus. Nach dem Frühstück rauchte ich eine von den Weihnachts-Zigarren von Fritz. Obwohl Martha eine schlechte Nacht gehabt hatte, wurde sie während des Frühstücks zusehends besser. [...]

[10] Mittags setzte uns Trude wieder ein fabelhaftes Essen hin mit Hirschfleisch, welches wir von Margot Seeberg für Schnaps bekommen hatten u. das Margot S. von den Russen erhalten hatte. [11] Dazu gab es grüne Erbsen aus einer Büchse u. nachher einen großartigen Flammerie mit Kirschsaft. Am Nachmittag tranken wir mit Trude u. Frl. v. Tigerström Kaffee mit Kuchen, den ebenfalls wieder Trude gebacken hatte. Abends aßen wir dann nur noch einige belegte Brote, die Trude uns zurechtgemacht hatte u. hinterher aßen wir den Rest des Kaffeekuchens auf u. tranken dazu eine Flasche Pommery. Wir ließen die Vergangenheit an uns vorbeiziehen, gedachten der Kinder u. waren voll Dankbarkeit gegen Gott. Morgen um 11 Uhr kommt P. Drost u. liest bei uns eine hl. Messe. – Schöner konnte es nicht sein. –

     Nachmittags gegen 4 Uhr gab es eine gewaltige Explosion, bei der das Haus schwankte. In der Gegend des Hohen Ufers stiegen riesige Rauchwolken auf, Frau Dr. Meyer, deren Mann hier grade gegen Typhus impfte, war bei Martha u. erzählte, daß zwei russ. Soldaten mit irgend welchen Sprengkörpern, die sie am Hohen Ufer gefunden hatten, gespielt hätten. Das Ding ist krepiert. Den einen Soldaten hat man als Leiche gefunden, der andere scheint mit in die Luft gegangen zu sein. – [...]