Kunst und Kultur in Ahrenshoop, März 1946
Einführung
[Bearbeiten]Der Artikel Kunst und Kultur in Ahrenshoop, März 1946 zeigt die von Stefan Isensee im Rahmen seines Werkes „Kunst und Kultur in Ahrenshoop 1945 bis 1948“ zusammengestellten Tagebuchauszüge vom März 1946. Textauslassungen wurden mit [...] gekennzeichnet, eingefügte Erläuterungen von Stefan Isensee in eckigen Klammern kursiv [Erläuterung].
Tagebuchauszüge
[Bearbeiten][...] [1] Gestern sandte uns Schütz endlich 5 Centner Koks. [...]
[2][2] Gestern am Abend kam Margot Seeberg mit ihrem Sohn Ando, der jetzt in Göttingen Medizin studiert. Frau S. war in Bln. gewesen u. hatte mit Jesuiten u. a. kathol. Geistlichen gesprochen, die alle dasselbe gesagt haben, was sich auch mir mehr u. mehr aufdrängt, nämlich daß wir hier östlich der Elbe uns allmählich auf Rußland einstellen müssen, wenn wir überhaupt weiter leben wollen. Ando berichtete aus Göttingen, wo an der Universität voller Betrieb ist. Göttingen liegt in der englischen Zone. – Frau S. erzählte, die Berliner Geistlichen hätten gesagt, daß eine Annäherung an Rußland sehr schwer sei, erstens, weil wir Deutschen alle kein Russisch können u. eine private Aussprache deshalb nicht möglich ist, u. zweitens, weil die Russen von den Engländern u. Amerikanern geschnitten werden. Man kann sie nicht zusammen einladen, wo Russen sind, gehen die Engländer u. Amerikaner nicht hin. Aber sie meinte, daß es in Berlin unter den Russen doch viele gebildete [3] Leute gäbe. Wir hier laufen Gefahr, alle Russen nach dem Niveau unserer drittklassigen Infanteristen zu beurteilen, die unsere Besatzung hier sind. [...]
[4][...] [4] In der Zeitung große Erregung über eine Rede Churchills, die dieser in Fulton USA. gehalten hat u. die eine heftige Abneigung gegen Rußland nicht verbirgt. Unsere russische Tägl. Rundschau speit Gift u. Galle, der Tagesspiegel bespricht sie sachlich u. bringt auch positive Pressestimmen. Die Rede beweist, daß ich Recht habe, wenn ich meine, daß ein Krieg über kurz oder lang unvermeidlich ist. Diese Rede hat das russische Mißtrauen überaus vertieft. [...]
[5][...] [6] Justus Schmitt schreibt in dem Brf. v. 19.3., den ich vorgestern erhielt, über die Lage im Kunstmarkt. Er schreibt, die Preise seien rückläufig, weil das Geld langsam knapp wird. Das wäre ja sehr begrüßenswert. Die Ausländer interessieren sich nur für alte Kunst internationaler Geltung. Der Markt ist überschwemmt von modernen Durchschnittsbildern u. die schwer verkäuflich sind. Aber auch wirklich fortschrittliche Künstler werden von der Presse bekämpft, sie finden höchstens Anklang bei einigen Engländern u. Amerikanern. Nur die Galerie Rosen fördert moderne Künstler, aber wohl ohne Erfolg, u. der Tagesspiegel gibt sich Mühe, den fortschrittlichen Künstlern die Wege zu ebenen. Die Künstler selbst, schreibt Schmitt, sind sehr vorsichtig u. unentschlossen. Es ist wohl nur der Kreis um die Galerie Rosen, der etwas riskiert. Carl Hofer gilt zwar als Name viel, aber selbst er scheint nicht viel zu erreichen. Es scheint, daß eben das Publikum selbst sehr böswillig ist, es hat anscheinend nicht die Absicht, sich von der nationalsoz. Erbschaft des Banausentums zu trennen, so wie es ja auch am Antisemitismus festhält. Es ist also die Situation auf dem Kunstmarkt z. Zt. überaus schlecht. Schmitt möchte gern Fotos meiner Bilder haben, weil er hofft, damit Vorarbeit leisten zu können, für eine spätere Ausstellung, – aber ich sehe das wenig hoffnungsvoll. Dazu muß man wohl noch warten, die Zeit ist noch nicht reif. [...]