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Kunst und Kultur in Ahrenshoop, November 1946

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Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: Kunst und Kultur in Ahrenshoop, November 1946
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Entstehungsdatum: 1946
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Tagebuchauszüge zum Thema Kunst und Kultur in Ahrenshoop, November 1946
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Einführung

[Bearbeiten]

Der Artikel Kunst und Kultur in Ahrenshoop, November 1946 zeigt die von Stefan Isensee im Rahmen seines Werkes „Kunst und Kultur in Ahrenshoop 1945 bis 1948“ zusammengestellten Tagebuchauszüge vom November 1946. Textauslassungen wurden mit [...] gekennzeichnet, eingefügte Erläuterungen von Stefan Isensee in eckigen Klammern kursiv [Erläuterung].

Tagebuchauszüge

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[1]
Sonntag, 3. November 1946.     

[...] [1]      Am Freitag-Nachmittag hatten die Fischländer bildenden Künstler eine Versammlung bei Möller-Knecht. [2] Dr. Burgartz hat den Vorsitz der Ortsgruppe Ahrenshoop des Kulturbundes niedergelegt. Wir Künstler beschlossen daher, diese Ortsgruppe machen zu lassen, was sie will, uns selbst aber als selbständige Sektion Fischland zusammenzuschließen. Wir wählten den Maler Holtz – Wustr. zum Vorsitzenden, der das nicht anders erwartet hatte u. dementsprechend bereits allerhand Schriftstücke zur Besprechung mitgebracht hatte, die er von seinem Freunde Venzmer bekommen hatte. Unter anderem war da auch ein Brief des Herrn Venzmer an die einzelnen Sektionen, in welchem er einen Passus aus einer Rede mitteilte, die Herr Dr. Willi Bredel kürzlich irgendwo gehalten hat u. in der er feststellt, daß die Künstler immer noch nicht „zeitnahe“ arbeiten. Herr V. bittet die einzelnen Sektionen um Stellungnahme dazu. – Es wurde mit erfreulicher Einmütigkeit zum Ausdruck gebracht, daß wir uns solche Einmischung in unsere Arbeit verbitten u. daß die künstlerische Freiheit des Schaffens unbedingt gewahrt werden muß. [...]

[2]      Gestern bekam ich wiederum einen Angriff in der Landeszeitung unter dem Titel: „Es brasselt“, unterzeichnet von einem J. Wermann, Künstlerkollektiv Techentin. Diese Auslassungen sind höchst geschmacklos u. dumm. Der Herr J. W. regt sich besonders auf, daß ich bei dem „Gnadenbild“ weder der Jungfr. Maria noch dem Jesuskinde die Gesichter gemalt habe. Von meinen Bildern meint er, „die Farben aber sind scheußlich“. Er lobt dagegen meine Zeichnungen u. von dem Holzschnitt „Rufender Johannes“ ginge ein starker Eindruck aus. – Auch Frau Dr. R. weiß nicht, wo Techentin auf der Landkarte zu suchen ist u. woraus dieses „Künstlerkollektiv“ besteht. Dieses Wort ist z. Zt. sehr modern, es wird bei uns nach russischem Muster alles kollektiviert.

     Heute findet, sich in der Landeszeitung eine Notiz, daß meine Schweriner Ausstellung um 14 Tage verlängert ist bis zum 17. November. Das Künstlerkollektiv Techentin u. was dazu gehört wird sich also noch 14 Tage länger über meine Bilder, ärgern können.

[3]
Dienstag, 5. November 1946.     

[...] [3]      Heute bekamen wir durch Vermittlung von Schönherr 30 Centner Kartoffeln aus Daskow. Es war sehr schwierig, da Daskow im Kreise Franzburg-Barth liegt u. keine Lebensmittel den Kreis verlassen dürfen. Polizeiposten halten in Damgarten jeden Transport auf. Infolgedessen mußten die Kartoffeln im Motorboot gebracht werden, um den Polizeiposten zu umgehen. Das Boot hatte 110 Centner geladen, viele Wustrower waren daran beteiligt. Es kam erst kurz vor 6 Uhr in Wustrow an, wo Fritz mit den Wagen von Holzerland u. Spangenberg wartete. Da diese beiden schon von 4 Uhr ab gewartet hatten u. nur mit viel Schnaps gehalten werden konnten, waren sie inzwischen schwer betrunken, besonders Spangenberg. Aber schließlich waren die Kartoffeln doch gegen 8 Uhr hier. Morgen früh werden sie eingemietet. Dann sind wir eine große Wintersorge los.

     Von der Museumsleitung Rostock heute Antwort auf meine Anfrage wegen meiner Ausstellung. Es bestätigt sich, daß Dr. Graebke Rostock verlassen hat u. in eine Westzone ausgerissen ist. Sein Nachfolger Dr. Fiesel (?) teilt mit, daß aus der Ausstellung wegen vieler fadenscheiniger Grunde nichts würde, auch habe sich die Sektion für Bild. Kunst in Rostock dagegen gestellt. Es ist also wirklich so, wie Frau Dr. R. u. früher schon Ehm Welk sagten. Man war aber zu feige, mir das mitzuteilen. –

     An Gert H. Theunissen, den berliner Kritiker, einen Brief geschrieben u. versucht, ihn für Schwerin zu interessieren.

[3]
Donnerstag, 7. November 1946.     

[3]      Johannes R. Becher, der als Präsident des Kulturbundes im Sommer hier im Hause Strohschnitter gewohnt hat, ist heute wieder hier, um das Haus von Prof. Niemöller für sich in Besitz zu nehmen. Mit ihm sind Stadtrat Matern u. Herr v. Achenbach hier. – Wie ich höre, müssen die im Hause untergebrachten Flüchtlinge sofort räumen. Herr Becher wird also Ahrenshoop als [4] Dichtersitz erwählen, wie Gerhard Hauptmann etwa auf Hiddensee gelebt hat. Hoffentlich wird er hier auch so gut dichten wie jener dort. – [...]

[4]      Heute Abend wurde das Licht nicht abgeschaltet, sodaß wir ununterbrochen Strom hatten. Leider war man nicht darauf vorbereitet u. konnte die gute Sache zu wenig ausnutzen. [...]

[4]
Freitag, 8. November 1946.     

[...] [4]      Auch heute wurde das Licht nicht ausgeschaltet, u. zwar ist der Grund dafür die russische Revolutionsfeier, die, wie man sagt, drei Tage dauern soll, so daß wir auch morgen noch Aussicht auf Licht haben. [...]

[4]      Unsere Kartoffeln sind immer noch nicht in der Miete, da sich ergeben hat, daß sehr viele schlecht sind u. aussortiert werden müssen, was im Eßzimmer auf dem Fußboden geschieht. [...]

[4]
Sonnabend, 9. Nov. 1946.     

[4]      In der Landeszeitung erschien abermals ein Artikel von Frau Dr. Riemschneider über meine Ausstellung, in welchem sie mit großem Vergnügen meinen Gegnern eins auswischt. Sie stellt fest, daß durch meine Ausstellung Leben u. Bewegung entstanden sei u. daß die Besuchsziffer alles hinter sich lasse, was bisher auf Kunstausstellungen im Landesmuseum erzielt worden sei. Sie meint ferner, daß Jugendliche u. Arbeiter sich durchweg für meine Bilder ausgesprochen hätten, während die Intelligenz [5] sich kopfschüttelnd verhielte, – nur bei meinen Herren Kollegen u. ihrer Begleitung gäbe es verstohlenes Gekicher u. Gemäcker. –

     Am Nachmittag hatten wir wieder wie im vorigen Jahre eine Versammlung der Mitarbeiterinnen in der BuStu. Ich hielt ihnen vor meinem Bilde „Mann im Kerker“ einen Vortrag über das, was für mich der Gegenstand meiner künstler. Arbeit ist. Alle waren sehr dankbar.

     Der „Mann im Kerker ist heute endlich fertig geworden, doch mag es sein, daß ich am Montag noch einige abrundende Pinselstriche machen werde.

     Die russische Revolutionsfeier ist leider vorbei, das Licht wurde heute wieder um 6 Uhr abgeschaltet. [...]

[5]
Mittwoch, 13. November 1946.     

[...] [6] Ich schrieb dann einen Artikel für die „Demokrat. Erneuerung“, den ich gestern entworfen habe, las dann in einem Buch „In jungen Jahren“ von Adam Scharrer, demselben, der mich in der Landeszeitung so runter gemacht hat. Es ist eine Biographie u. nett geschrieben, wennschon nicht überragend. [...]

[7]
Mittwoch, 27. November 1946.     

[...] [7]      In Berlin hat die Schauspielerin Käte Dorsch dem 23 jährigen Lauselümmel u. sog. Kunstkritiker Wolfgang Harig eine wohlgezielte Ohrfeige gelangt für eine Kritik, die er in der Tägl. Rundschau geschrieben hat. Das ist im höchsten Grade erfreulich. [...]

[8]
Sonnabend, 30. November 1946.     

[...] [8]      Mein Tabak ist wieder alle, es beginnt wieder die Zeit des qualvollen Kampfes gegen den Wunsch, zu rauchen, der zuletzt doch immer mit einer Niederlage endet u. dann peinigende Erschöpfungszustände verursacht. Aber es ist nicht mehr zu verantworten, Tabak zu kaufen. Ich habe einmal von Heyde für 200,– Rm. gekauft u. dann nochmals für 300,– Rm. Wo soll das hinführen.

     Heute Morgen erhielt ich einen Brief eines Herrn Edgar Zieger aus Sellin auf Rügen. Dieser Herr hatte mich in Schwerin am Eröffnungstage in der Ausstellung angesprochen u. gefragt, ob ich ihm den „Hl. Pfarrer von Ars“ verkaufen könne. Ich bedauerte u. sagte ihm, daß die Bilder nach Berlin weitergehen müßten, er möge später wieder mal anfragen. Ich glaubte, daß er die Sache dann vergessen würde. Aber nun wiederholt er seine Bitte, fragt nach dem Preis –, oder nein, das tut er überhaupt nicht –, u. möchte das Bild zu Weihnachten haben. Ich werde ihm schreiben, daß er das Bild für 1000,– Rm. haben kann, vielleicht holt er es sich selbst aus Schwerin ab. – Das Bild ist klein u. wird insofern keine große Lücke hinterlassen, aber als Bild wäre es doch sehr wertvoll auch für Berlin, obgleich ich heute schon nicht mehr ganz mit dem Bilde einverstanden bin. Der Preis für ein so kleines Bild kommt mir zwar fantastisch vor, aber ich kann für das Geld grade 3 Pfund Butter kaufen. Und die habe ich sehr nötig Oder so viel Tabak, daß ich ein halbes Jahr rauchen kann. [...]