Leipzig auf See

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Autor: E… L…
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Titel: Leipzig auf See
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aus: Die Gartenlaube, Heft 26, S. 441–443
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1877
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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„Leipzig“ auf See.


Ein altes Studentenlied feiert bekanntlich Leipzig als „große Seestadt“. Der Verfasser dieses humoristischen Liedes hat damals sicher nicht geahnt, daß dem von ihm erfundenen geflügelten Worte eine thatsächliche Unterlage gegeben und daß die maritime Eigenschaft Leipzigs gewissermaßen in dem Vorhandensein eines schmucken deutschen Kriegsschiffes „Leipzig“ Anerkennung finden würde, nachdem schon jahrelang vorher ein denselben Namen führender großer Passagierdampfer der deutschen Handelsmarine dem internationalen Verkehre gedient. Wenn heute die deutsche Kriegscorvette „Leipzig“ in fremdem Hafen vor Anker geht, so bekundet die von ihr herabwehende prächtige Flagge, ein Geschenk der Stadt Leipzig, die aufrichtige Freude und die stolze Genugthuung, welche man daheim im Vaterlande und insbesondere in der Stadt an der Pleiße über die Deutschland auf den Meeren wiedergewonnene Machtstellung empfindet. Sie bekundet, daß man sich im Binnenlande innig verbunden fühlt mit den Angehörigen der Kriegsmarine, die in schwerer Berufserfüllung in allen Weltgegenden für die Würde und die Interessen des deutschen Reiches einzutreten haben.

Am 1. April 1874, dem Tage, an welchem der geniale [442] Leiter der deutschen Staatspolitik und Leipzigs wackerer Ehrenbürger, Fürst Bismarck, seinen Geburtstag feiert, war auf der Werft der Gesellschaft „Vulcan“ in Bredow bei Stettin mit dem Baue eines von der Admiralität zu Berlin in Bestellung gegebenen Kriegsschiffes begonnen worden, das den Charakter einer Glattdeckscorvette haben und vermöge seiner scharfzugespitzten Formen und der dadurch herbeigeführten großen Segelgeschwindigkeit die Bestimmung erfüllen sollte, im Seekriege hauptsächlich zum sogenannten Aufklärungs- und Plänklerdienste, zum Kapern feindlicher Proviantschiffe u. dgl. benutzt zu werden.

Der Stapellauf des Schiffes fand im Beisein des Chefs der Admiralität, Staatsministers von Stosch, am 13. September 1875 statt, und es hatte schon vorher eine Bekanntmachung im preußischen „Staats- und Reichsanzeiger“ den Willen des deutschen Kaisers, des obersten Kriegsherrn der deutschen Kriegsmarine, zu erkennen gegeben, daß die neu erbaute Corvette, in Erinnerung an den ruhmreichen Befreiungskampf, der einst auf Leipzigs Gefilden gegen die französische Fremdherrschaft geschlagen wurde, den Namen „Leipzig“ führen solle.

Die Taufe des Schiffes geschah in Gemäßheit dieser kaiserlichen Bestimmung, deren Bekanntwerden in Leipzig lebhafte Freude und Befriedigung erweckt hatte. Die Bürger dieser Stadt empfanden nicht eitle Ruhmsucht, wohl aber wurde in ihnen von Neuem der Gedanke an den gewaltigen Entwicklungsgang lebendig, den die Nation seit der großen Völkerschlacht im Jahre 1813 genommen und der einen erhebenden Ausdruck in dem Entstehen einer deutschen Kriegsflotte gefunden hatte, mit dem in Zukunft die Gegner Deutschlands zu rechnen haben werden.

Wenige Tage nach dem Stapellauf und der Taufe des Schiffes gab ein Leipziger Bürger, Herr C. G. Naumann, im „Leipziger Tageblatt“ die Anregung, es möge die Leipziger Einwohnerschaft in dankbarer Anerkennung der ihrer Stadt gewordenen Auszeichnung der Kriegscorvette „Leipzig“ eine Galaflagge stiften. Diese Aufforderung fiel auf fruchtbaren Boden, und ein von einem anderen Leipziger Bürger, Herrn Ottokar Staudinger, erlassener Aufruf hatte zur Folge, daß in wenigen Wochen die Mittel zur Herstellung einer Ehrenflagge vorhanden waren. Selbstverständlich war vorher die Zustimmung Sr. Majestät des Kaisers zu dem Unternehmen, wie nicht minder die freundliche Unterstützung desselben durch Sr. Majestät Marineminister erbeten worden. Beide stimmten liebenswürdig zu. Die Herstellung der Flagge, den Wimpel und die Gösch inbegriffen, wurde der rühmlichst bekannten Fahnenstickerei des Herrn Hietel in Leipzig, deren Erzeugnisse sich weit über Deutschlands Grenzen hinaus Eingang verschafft und die Ehre der deutschen Industrie hoch halten, übertragen. Im März 1876 war die Flagge fertig, und sie erregte bei ihrer mit Genehmigung des Ministers von Stosch geschehenen öffentlichen Ausstellung im städtischen Museumssaale zu Leipzig ungetheilte Bewunderung. Die Flagge ist aus doppelt gefaltetem schwerem Seidenstoff gearbeitet und die Herstellung derselben in jeder Beziehung solid und zweckentsprechend. Ihre Formen sind vollständig denjenigen der Seekriegsflagge des deutschen Reiches entsprechend; auf der Rückseite befindet sich die Widmung, welche beurkundet, daß die Flagge ein Geschenk Leipziger Bürger für Sr. Majestät Kriegscorvette „Leipzig“ darstellt. Eine hohe Ehre und Auszeichnung wurde ihr zu Theil, indem Kaiser Wilhelm sie vor seiner Abreise nach Leipzig im September vorigen Jahres aus der Admiralität nach dem kaiserlichen Palais bringen ließ und einer Besichtigung unterzog, deren Ergebniß ein für die Geber und den Hersteller der Flagge sehr schmeichelhaftes war.

Der Ausbau der „Leipzig“ hatte inzwischen einige unvorhergesehene Verzögerungen erfahren und ihre Uebernahme seitens der deutschen Seekriegsverwaltung konnte erst Ende Mai des gegenwärtigen Jahres erfolgen, nachdem drei Tage lang Probefahrten mit dem Schiffe von Swinemünde aus in See stattgefunden, die in der besten Weise verlaufen waren und die Tüchtigkeit der Corvette nach jeder Richtung hin dargethan hatten. Die feierliche Uebergabe der Flagge an Bord des Schiffes, zu deren Bewerkstelligung der deutsche Marineminister den Leipziger Bürgern die Entsendung einer Deputation anheim gegeben, geschah unmittelbar darauf am 1. Juni. Als eigentliche Vertreter der Marineverwaltung fungirten bei dem feierlichen Acte der Commandant der „Leipzig“, Corvettencapitain Zirzow, und der Oberwerftdirector in Kiel, Capitain zur See Weikhmann, welcher die Uebernahme des Schiffes vom „Vulcan“ geleitet hatte. Das der Stadt Leipzig bei ihren festlichen Veranstaltungen mit seltener Beharrlichkeit eigene Wetterglück war deren Repräsentanten nach Swinemünde gefolgt und blauer, wolkenloser Himmel breitete sich über dem Hafen dieser Stadt aus, als um die Mittagsstunde auf dem Deck der „Leipzig“ zur Vornahme der Feierlichkeit Alles klar gemacht worden war, während eine leichte Brise die Gluth der Sonnenstrahlen wohlthuend minderte. Die Leipziger waren schon einige Stunden früher an Bord des Schiffes durch den Capitain Weikhmann abgeholt worden, damit sie in Muße unter der Führung von Deckofficieren die Einrichtung der „Leipzig“ besichtigen konnten; für die meisten von ihnen war ein Kriegsschiff von solcher Ausdehnung und von so vorzüglicher, den Fortschritten unserer Zeit entsprechender Herstellung eine vollständige Neuheit, und sie waren freudig überrascht darüber, daß die deutsche Kriegsflotte fortan ein so überaus tüchtiges Schiff mehr zählen wird.

Signale riefen die Mannschaft des Schiffes, welche vorläufig aus einem Tags vorher erst unter Führung des Corvettencapitain Zirzow aus Kiel eingetroffenen, etwa hundertsiebenzig Köpfe starken Ueberführungscommando bestand, an Deck, wo sie sich in ihren Festkleidern parademäßig aufstellte. Am Heck lag die Flagge zum Aufhissen bereit, und die zu dieser Operation befohlenen Seeleute harrten nur noch des Commandowortes. Der Commandant der „Leipzig“, Capitain Zirzow, betrat die erhöhte Stelle, von wo beim Gefecht die Leitung des Schiffes geschieht, und richtete eine kurze, markige Ansprache an die Mannschaften, in welcher er seine Freude darüber ausdrückte, das Commando eines so schönen und tüchtigen Schiffes überkommen zu haben, eine Freude, die um so herzlicher sein könne, als die „Leipzig“ aus der vaterländischen Industrie hervorgegangen sei. Hierauf gedachte Capitain Zirzow mit gleich freudigen Worten des schönen Geschenkes, welches das Schiff aus den Händen Leipziger Bürger empfangen habe, eines Geschenkes, welches ein beredter Dolmetscher der im Binnenlande für die deutsche Kriegsmarine vorhandenen Sympathien sei, und am Schlusse seiner Ansprache brachte der Capitain ein donnerndes Hoch auf den Gründer und Beschützer der deutschen Flotte, den Kaiser Wilhelm, aus, in welches alle an Bord Versammelten begeistert einstimmten. In diesem bedeutsamen Augenblicke erfolgte das Aufhissen der Flagge, welche sofort vom Winde kräftig hin und her bewegt wurde und durch ihre glänzende Erscheinung laute Ausrufe der Bewunderung erweckte.

Die Ansprache, welche nunmehr Leipzigs Oberbürgermeister Dr. Georgi an die Officiere und Mannschaften Sr. Maj. Kriegsschiff „Leipzig“ richtete, war zwar kurz, aber ihr tief-ernster Inhalt, ihre erhebenden patriotischen Worte waren so recht geeignet, die Feierlichkeit des Actes zum vollen Ausdruck zu bringen. Der Redner betonte insbesondere, daß die Flagge das sichtbare Zeichen des Dankes einer deutschen Handelsstadt an die deutsche Marine sein solle, einer Stadt, die ihre Verbindungen weithin über die Meere habe und die es mit lebhafter Anerkennung empfinde, daß die Achtung, die dem deutschen Namen im Auslande gewonnen worden sei, überall gefördert und erhöht werde nicht nur durch die wachsende äußere Stärke, sondern mehr noch durch die innere Tüchtigkeit der deutschen Kriegsmarine, ihrer Officiere und Mannschaften. Der Gruß aus Leipzig müsse aber auch ein Gruß der Erinnerung an jene große Zeit sein, wo das deutsche Volk in den Leipziger Fluren nach schweren und blutigen Kämpfen die erste Grundlage zu seiner Einigung gewonnen habe. Spät sei die Saat zur Frucht geworden, die dort gesäet worden, und eine der letzten Früchte sei die deutsche Kriegsmarine, aber sie entwickele sich rasch und hoffnungsvoll, denn in ihr wirkten noch die Tugenden, die einst die Tage von Leipzig gewonnen, die treue, männliche Pflichterfüllung und die Liebe zum Vaterland. Von diesen Betrachtungen ausgehend, lenkte der Redner seine Worte auf den erhabenen Fürsten, der den Deutschen Urheber und Symbol ihrer Einigung geworden und dessen Name auch an der Spitze der Geschichte der deutschen Kriegsmarine steht, auf den deutschen Kaiser Wilhelm, auf den ein nochmaliges dreifaches Hoch aus Aller Mund ertönte. Corvetten-Capitain Zirzow reichte, sichtlich bewegt, dem Oberbürgermeister Georgi die Hand und brachte mit der Mannschaft ein kräftiges Hoch auf die in ihrer nationalen Gesinnung treu bewährte Stadt Leipzig aus.

[443] Damit war der eigentliche Uebergabeact beendet und die Leipziger, sowie die Directionsmitglieder der Schiffsbaugesellschaft „Vulcan“, welche der Feierlichkeit ebenfalls beigewohnt, folgten nunmehr der freundlichen Einladung des Schiffscommandanten zu einem reich ausgestatteten Mahle in die Capitainscajüte. Mit derselben Freundlichkeit und Liebenswürdigkeit wurden die Mitglieder der Leipziger Deputation später an Bord der „Medusa“ aufgenommen, deren Besuch auf den Vorschlag der Officiere von der „Leipzig“ beschlossen wurden war, um ein Kriegsschiff in voller Takelage und Ausrüstung kennen zu lernen. Die „Medusa“ ist bekanntlich dasjenige Schiff der deutschen Kriegsmarine, welches bei Anfang der orientalischen Verwickelungen bis zur Ankunft des deutschen Panzergeschwaders im Hafen zu Salonichi allein die durch den Mord des deutschen Consuls in so überaus schmählicher Weise verletzte Ehre des deutschen Reiches zu vertreten hatte, und sie wurde damals von dem Corvetten-Capitain Zirzow, dem derzeitigen Commandanten der „Leipzig“, befehligt. Auf der „Medusa“ traf am andern Tage der Generalfeldmarschall Prinz Friedrich Karl ein, um sich auf ihr nach der schwedischen Hauptstadt zu begeben. Weiter draußen am Eingange des Swinemünder Hafens ankerte die Segelfregatte „Niobe“, ein Schulschiff der deutschen Flotte, auf der sich der zweite Sohn des Kronprinzen von Deutschland, Prinz Heinrich, als Seecadett im Dienst befindet. Bei einem fröhlichen Abendessen im „Wilhelmsbad“ am Strande der Ostsee nahmen die Leipziger den denkbar herzlichsten Abschied von ihren so überaus freundlichen Wirthen.

Wenn ich jetzt eine Beschreibung der „Leipzig“ folgen lasse, so muß zuvörderst hervorgehoben werden, daß diese Glattdeckscorvette den Binnenlandsbewohner einerseits durch die imposante Größe ihrer Formen, andererseits nicht minder durch deren elegante Leichtigkeit überrascht. Daß diese wohlgefällige Ueberraschung aber nicht allein bei den „Landratten“ vorhanden war, davon empfing man an Bord des Schiffes selbst einen schlagenden Beweis. Dienstfreie Mannschaften der „Medusa“ und der „Niobe“ waren herüber nach der „Leipzig“ gekommen, um deren Einrichtung sich anzusehen, und sie gaben ganz unverhohlen ihr Erstaunen und ihre Befriedigung darüber zu erkennen. Man war namentlich damit zufrieden, daß auf der „Leipzig“ die Rücksichten auf die Bequemlichkeit und das Wohlbefinden der Mannschaft nicht mehr in dem Maße in den Hintergrund gedrängt worden sind, wie dies auf den Kriegsschiffen älterer Construction der Fall ist. Die Länge der „Leipzig“ beträgt in ihren äußersten Endpunkten 87,2 Meter, die Breite vierzehn Meter, der größte Tiefgang bei vollständiger Bemannung und Ausrüstung 6,6 Meter. Sie ist nach dem sogenannten Compositsystem erbaut. Aus der den Schiffsrumpf umgebenden Eisenhaut sind zwei Lagen Planken aus dem festesten Holze mittelst Schraubenbolzen befestigt. Vermittelst acht eiserner Querwände sind neun wasserdichte Abtheilungen hergesteckt. Die Bewaffnung der „Leipzig“ wird in zwölf Siebenzehn-Centimeter-Geschützen bestehen.

Eine der hervorragendsten Eigenschaften des Schiffes besteht in der großen Segelgeschwindigkeit, welche gestattet, fünfzehn Knoten, das ist etwa dreiunddreiviertel deutsche Meilen, in der Stunde zurückzulegen. Von den zwölf Geschützen stehen zehn in Batterie, eines auf Oberdeck und eines am Heck; das Geschütz auf Oberdeck vermag seine Ladung nach allen Richtungen hin abzugeben. Die gesammte Mannschaft der „Leipzig“ beträgt bei ihrer Indienststellung vierhundertfünfundzwanzig Mann.

Die Maschinen haben viertausendachthundert Pferdekräfte und sind nach dem Dreicylinderdrucksystem mit Oberflächencondensation nach den von der deutschen Admiralität vorgeschriebenen Bedingungen hergestellt. Eine dieser Vorschriften war, daß die Dampfmaschine zugleich die an Bord befindlichen zahlreichen Hülfsmaschinen in Betrieb setzt, zu welcher unter Anderm ein Destillirapparat, mittelst dessen das Seewasser genießbar gemacht wird, eine Dampfpumpe, eine Dampffeuerspritze etc. gehören. Die Maschine wird durch sechs Kessel mit achtundzwanzig Feuerungen geheizt, und im Ganzen hat das Schiff nicht weniger als sechszehn größere und kleinere Dampfcylinder an Bord.

Der Destilirapparat erzeugt hundert Liter Trinkwasser in der Stunde. Nach vollständiger Ausrüstung wird die „Leipzig“ an Gesammtherstellungskosten die Summe von etwa fünfeinhalb Millionen Mark erfordert haben.

Die Probefahrten fanden unter der Leitung des Oberwerftdirectors in Kiel, Capitain zur See Weikhmann, statt, und das Schiff war dabei regelmäßig von neun Uhr Morgens bis fünf Uhr Nachmittags in See. Das Ergebniß der Probefahrten war, wie schon bemerkt, ein sehr günstiges.

In dem Etablissement der Schiffsbaugesellschaft „Vulcan“ zu Bredow bei Stettin befindet sich gegenwärtig noch das Schwesterschiff der „Leipzig“, die Glattdeckscorvette „Sedan“, welche in etwa drei Monaten ebenfalls zur Abnahme bereit sein wird. Auf dem Stapel dieser großartigen Anstalt, welche nächst dem Schiffsbau sich mit der Massenherstellung von stationären Maschinen, Locomotiven etc. befaßt, liegen zur Zeit außerdem zwei Panzercorvetten, die bestimmt sind, zum ersten Male eine der deutschen Kriegsmarine völlig eigenthümliche Construction zur Darstellung zu bringen, eine in ihren Formen der „Leipzig“ und der „Sedan“ ziemlich gleichkommende gedeckte Corvette, die aber an Stelle des Kupferüberzuges mit Zink beschlagen ist. Als eine hocherfreuliche Thatsache darf es bezeichnet werden, daß jetzt endlich auch im Schiffsbau die deutsche Industrie sich von der englischen Concurrenz unabhängig gemacht hat. Zum Bau der letztgedachten Kriegscorvette liefert Krupp in Essen die großen Schmiedestücke, welche bis dahin regelmäßig aus englischen Fabriken bezogen wurden, und die Panzerplatten kommen aus den Werken in Dillingen bei Saarbrücken. Der „Vulcan“ aber, dem der genannte „Kanonenkönig“ Krupp gegenwärtig den Bau eines Transportdampfers übertragen, auf dem die Eisenerze aus den Krupp eigenthümlich gehörenden Gruben in Nordspanien nach Deutschland übergeführt werden sollen, ist so eingerichtet, daß er die großen Panzerplatten selbst biegt, hobelt und bohrt. Man kann mit Fug und Recht sagen, daß ein zweites derartig bedeutendes Unternehmen, welches den Schiffsbau in großem Maßstabe mit ausgedehnter Maschinenfabrikation vereinigt, in ganz Deutschland nicht existirt. Das Etablissement beschäftigt zur Zeit – und es ist hierbei die auf der Maschinenbranche lastende Krisis zu berücksichtigen – etwa zweitausendfünfhundert Arbeiter, außerdem an die hundert Beamte und drei Directoren. Diese Leiter der Anstalt, die Herren Haak, Stahl und Wegner, sind die Seele des Unternehmens, und ihrem Erfindungs- und Organisationstalent ist namentlich die Blüthe zu danken, zu welcher der „Vulcan“ gediehen ist. Derselbe ist seit dem Jahre 1857 in die Hände einer Actiengesellschaft übergegangen; er ist also kein Product der modernen Gründung. Vorher war er fünf Jahre in Privatbesitz und die Firma lautete: Früchtenigt und Brock.

Ich möchte diesen Artikel und damit die Mittheilungen über die Feierlichkeit in Swinemünde nicht schließen, ohne den günstigen Eindruck nochmals hervorzuheben, den Mannschaft und Material der nun schon auf einen so achtunggebietenden Standpunkt gebrachten deutschen Kriegsflotte auf die Mitglieder der Leipziger Deputation hervorgebracht haben. Sie sahen zwar keine großen Schlachtschiffe, wohl aber eine Corvette moderner Bauart, hervorgegangen aus den Werkstätten der heimischen Industrie. An diesem Schiff war auch für der Nichtfachmann die vorzügliche Herstellung wahrzunehmen, derer sich die Schiffe der deutschen Kriegsmarine erfreuen und die ihnen in der Secunde der Gefahr sehr fördersam sein wird. Es ist ein öffentliches Geheimniß unter den Seeleuten, daß die deutsche Flotte im gegebenen Falle berufen und im Stande sein wird, selbst einem an Zahl der Schiffe weit überlegenen Gegner Schach zu bieten. Daß dies möglich geworden, daran hat natürlich auch der vortreffliche Geist einen Hauptantheil, von welchem die Mannschaften und insbesondere die Officiere der Flotte erfüllt sind.

Die Aufmerksamkeit, welche Bürger der Stadt Leipzig der Flotte durch Ueberreichung einer Galaflagge an die „Leipzig“ erwiesen haben, hat am Strande der Ostsee, wie ich mich vielfach zu überzeugen Gelegenheit hatte, nicht allein in den seemännischen, sondern auch in den anderen Kreisen einen ausgezeichneten Eindruck gemacht. Mögen die Männer, die bei Stiftung und Herstellung der Flagge in erster Linie betheiligt gewesen, hierin den Lohn für ihr unter mancherlei Schwierigkeiten glücklich zu Stande gebrachtes patriotisches Unternehmen finden!
E… L…