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Lustige Geschichten und drollige Bilder

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Heinrich Hoffmann
unter dem Pseudonym
Reimerich Kinderlieb
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Titel: Lustige Geschichten und drollige Bilder
Untertitel:
aus: Vorlage:none
Herausgeber:
Auflage: 1. Ausgabe
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: [1844]
Verlag: Literarischer Verein
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Erscheinungsort: Frankfurt a.M.
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: UB Frankfurt und Commons
Kurzbeschreibung:
Siehe auch Der Struwwelpeter, 400. Auflage 1917
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[I]
Lustige Geschichten
und
drollige Bilder
mit 15 schön kolorirten Tafeln
für Kinder von 3–6 Jahren.


Es stehn in diesem Büchlein hier
Sechs Mährlein mit schöner Bilderzier:
Vom bitterbösen Friederich,
Und wie er zum durstigen Hunde schlich;
Vom kohlpechschwarzen Mohren dann;
Vom wilden Sonntagsjägersmann,
Wie ihn der kleine Haas bezwang,
Daß er in einen Brunnen sprang;
Dann wie’s dem Suppen-Kaspar ging;
Wie den Daumen-Lutscher der Schneider fing;
Und endlich auf dem letzten Bild
Vom Struwwel-Peter, wüst und wild.
Das Alles fein malte und beschrieb
Der lustige Reimerich Kinderlieb.


Frankfurt a. M.,
Literarische Anstalt.
(J. Rütten.)


[1]
Wenn die Kinder artig sind,

Kommt zu ihnen das Christkind.
Wenn sie ihre Suppe essen,
Und das Brod auch nicht vergessen;
Wenn sie ohne Lärm zu machen
Still sind bei den Siebensachen,
Beim Spaziergehn auf den Gassen
Von Mama sich führen lassen,
Bringt es ihnen Gut’s genug
Und ein schönes Bilderbuch.

[2]
I. Die Geschichte vom bösen Friedrich.


Der Friederich, der Friederich,
Das war ein arger Wütherich!
Er fing die Fliegen in dem Haus,
Und riß ihnen die Flügel aus.
Er schlug die Stühl’ und Vögel todt,
Die Katzen litten große Noth.
Und höre nur! wie bös er war:
Er peitschte seine Gretchen gar!

[3]
Am Brunnen stand ein großer Hund,

Trank Wasser dort mit seinem Mund.
Da mit der Peitsch’ herzu sich schlich
Der bitterböse Friederich;
Und schlug den Hund, der heulte sehr;
Und trat und schlug ihn immer mehr.
Da biß der Hund ihn in das Bein,
Recht tief bis in das Blut hinein.
Der bitterböse Friederich,
Der schrie und weinte bitterlich.

[4]
Ins Bett muß Friedrich nun hinein,

Litt vielen Schmerz an seinem Bein;
Und der Herr Doktor steht dabei,
Und giebt ihm bittere Arzenei.


Der Hund an Friedrichs Tischchen saß,
Wo er den großen Kuchen aß.
Aß auch die gute Leberwurst,
Und trank den Wein für seinen Durst.

[5]
II. Die Geschichte von den schwarzen Buben.


Es ging spazieren vor dem Thor
Ein kohlpechrabenschwarzer Mohr.
Die Sonne schien ihm auf’s Gehirn,
Da nahm er seinen Sonnenschirm.
Da kam der Ludwig hergerannt,
Und trug ein Fähnchen in der Hand.
Der Kaspar kam mit schnellem Schritt,
Und brachte seine Bretzel mit;
Und auch der Wilhelm war nicht steif,
Und brachte seinen runden Reif.
Die schrien und lachten alle drei,
Als dort das Mohrchen ging vorbei,
Weil es so schwarz wie Tinte sei!

[6]
Da kam der große Nikolas

Mit seinem großen Tintenfaß.
Der sprach: Ihr Kinder, hört mir zu,
Und laßt den Mohren hübsch in Ruh!
Was kann denn dieser Mohr dafür,
Daß er so weiß nicht ist wie ihr? –
Die Buben aber folgten nicht,
Und lachten ihm ins Angesicht;
Und lachten ärger als zuvor
Ueber den armen schwarzen Mohr.

[7]
Der Niklas wurde bös und wild, –

Du siehst es hier auf diesem Bild!
Er packte gleich die Buben fest,
Beim Arm, beim Kopf, bei Rock und West’,
Den Wilhelm und den Ludewig,
Den Kaspar auch; der wehrte sich.
Er tunkt’ sie in die Tinte tief,
Wie auch der Kaspar: Feuer! rief.
Bis über’n Kopf ins Tintenfaß
Tunkt sie der große Nikolas.

[8]
Du siehst sie hier, wie schwarz sie sind,

Viel schwärzer als das Mohrenkind!
Der Mohr voraus im Sonnenschein,
Die Tintenbuben hinterdrein;
Und hätten sie nicht so gelacht,
Hätt’ Niklas sie nicht schwarz gemacht.

[9]
III. Die Geschichte vom wilden Jäger.


Es zog der wilde Jägersmann
Sein grasgrün neues Röcklein an;
Nahm Ranzen, Pulverhorn und Flint’,
Und lief hinaus ins Feld geschwind.

Er trug die Brille auf der Nas,
Und wollte schießen todt den Haas.

Das Häschen sitzt im Blätterhaus,
Und lacht den blinden Jäger aus.

Jetzt schien die Sonne gar zu sehr,
Da ward ihm sein Gewehr zu schwer.
Er legte sich ins grüne Gras;
Das Alles sah der kleine Haas.
Und als der Jäger schnarcht’ und schlief,
Der Haas ganz heimlich zu ihm lief,
Und nahm die Flint’ und auch die Brill’,
Und schlich davon ganz leis und still.

[10]
Die Brille hat das Häschen jetzt

Sich selbst auf seine Nas’ gesetzt;
Und schießen will’s aus dem Gewehr.
Der Jäger aber fürcht’t sich sehr.
Er läuft davon, und springt, und schreit:
„Zu Hülf’ ihr Leut’! Zu Hülf’ ihr Leut’!“

[11]
Da kommt der wilde Jägersmann

Zuletzt beim tiefen Brünnchen an.
Er springt hinein. Die Noth war groß;
Es schießt der Haas die Flinte los.

Des Jägers Frau am Fenster saß,
Und trank aus ihrer Kaffeetass’.
Die schoß das Häschen ganz entzwei;
Da rief die Frau: O wei! O wei!
Doch bei dem Brünnchen heimlich saß
Des Häschens Kind, der kleine Haas.
Der hockte da im grünen Gras;
Dem floß der Kaffee auf die Nas’.
Er schrie: Wer hat mich da verbrannt?
Und hielt den Löffel in der Hand. –

[12]
IV. Die Geschichte vom Suppen-Caspar.


Der Kaspar, der war kerngesund,
Ein dicker Bub und kugelrund.
Er hatte Backen roth und frisch;
Die Suppe aß er hübsch bei Tisch.
Doch einmal fing er an zu schrei’n:
„Ich esse keine Suppe! Nein!
Ich esse meine Suppe nicht!
Nein, meine Suppe ess’ ich nicht!“

Am nächsten Tag, – ja sieh nur her!
Da war er schon viel magerer.
Da fing er wieder an zu schrei’n:
„Ich esse keine Suppe! Nein!
Ich esse meine Suppe nicht!
Nein! meine Suppe ess’ ich nicht!“

Am dritten Tag, o weh und ach!
Wie ist der Kaspar dünn und schwach!
Doch als die Suppe kam herein,
Gleich fing er wieder an zu schrei’n:
„Ich esse keine Suppe! Nein!
Ich esse meine Suppe nicht!
Nein, meine Suppe ess’ ich nicht.“

Am vierten Tage endlich gar
Der Kaspar wie ein Fädchen war.
Er wog vielleicht ein halbes Loth, –
Und war am fünften Tage tod.

[13]
V. Die Geschichte vom Daumen-Lutscher.


Konrad! sprach die Frau Mama,
Ich geh’ aus und du bleibst da.
Sei hübsch ordentlich und fromm,
Bis nach Haus ich wieder komm’.
Und vor allem Konrad, hör’!
Lutsche nicht am Daumen mehr;
Denn der Schneider mit der Scheer
Kommt sonst ganz geschwind daher,
Und die Daumen schneidet er
Ab, als ob Papier es wär’.


Fort geht nun die Mutter, und
Wupp! den Daumen in den Mund.

[14]
Bautz! da geht die Thüre auf,

Und herein in schnellem Lauf
Springt der Schneider in die Stub’
Zu dem Daumen-Lutscher-Bub.
Weh! jetzt geht es, klipp und klapp!
Mit der Scheer’ die Daumen ab,
Mit der großen scharfen Scheer’!
Hei! da schreit der Konrad sehr.

Als die Mutter kommt nach Haus,
Sieht der Konrad traurig aus.
Ohne Daumen steht er dort,
Die sind alle beide fort.

[15]
VI. Der Struwwelpeter.


Sieh einmal, hier steht er,
Pfui! der Struwwelpeter!
An den Händen beiden
Ließ er sich nicht schneiden
Seine Nägel fast ein Jahr;
Kämmen ließ er nicht sein Haar.
Pfui! ruft da ein Jeder:
Garst’ger Struwwelpeter!