MKL1888:Äōlier

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Äōlier“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 666667
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Äōlier. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 666–667. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:%C3%84%C5%8Dlier (Version vom 23.05.2023)

[666] Äōlier, einer der vier Hauptstämme des griech. Volks, der seinen Ursprung von Äolos ableitete. Es sind unter ihnen diejenigen Pelasgerstämme zu verstehen, welche durch Zuwanderung von Ioniern und andern Seestämmen und Vermischung mit ihnen zu einer höhern Kulturstufe gelangten. Der Name findet sich deshalb an verschiedenen Orten von Griechenland, in Thessalien, Elis, Messenien, Lokris, Ätolien und Kephallenia. Wichtig war für die Ausbreitung der Ä. namentlich die Wanderung der äolischen Böotier nach Böotien, von wo nach der dorischen Wanderung äolische Stämme, mit Achäern gemischt, nach Kleinasien zogen; hier besetzten sie Lesbos und Kyme und eroberten allmählich Troas und Mysien. An dem üppigen Gestade zwischen dem Kaikos und dem Hermos, auf einem Raum von 53 km Länge und ebensoviel Kilometer Breite, erhoben sich 30 äolische Städte, von denen 11 als die bedeutendsten genannt werden: Kyme (Cumä), Larissa, Neonteichos, Killa, Notion, Ägiroëssa, Pitane, Ägää, Myrina, Gryneia, Temnos. Sie hatten untereinander ein Schutzbündnis [667] geschlossen, zu welchem eine Zeitlang auch das mächtige Smyrna gehörte, welches später dem Ionischen Bund beitrat. Bis auf Krösos’ Zeit waren die Ä. frei, unter diesem mußten sie Lydiens, darauf Persiens Oberhoheit anerkennen. Die Perserkriege gaben ihnen ihre Freiheit zurück, aber der Friede des Antalkidas (387 v. Chr.) brachte sie von neuem unter persische Herrschaft. Nach Alexanders d. Gr. Tod kamen sie unter syrische Gewalt. Die Römer gestatteten ihnen nach dem Sturz der syrischen Macht eine scheinbare Unabhängigkeit, bis Sulla Äolien, weil es mit Mithridates verbündet gewesen, zur römischen Provinz Asien schlug. Der äolische Dialekt hat kein fest begrenztes Sprachgebiet und keinen scharf ausgeprägten Charakter. Er bezeichnet mehr eine ältere Periode der griechischen Sprachentwickelung, die gemeinschaftliche Grundlage aller mundartlichen Verschiedenheiten; in den grammatischen Formen hat er vielfach das Ursprüngliche erhalten und in den Vokalen große Ähnlichkeit mit den italischen Dialekten. Erklärlich ist nach obigem, daß die äolische Litteratur keinen Reichtum bietet. Am meisten treten noch die Lesbier hervor. Unter ihnen pflegten Sappho, Alkäos und die selten genannte Erinna die leidenschaftlich bewegte melische Poesie. Nur metrisch bezeichnen die Ä. eine Epoche (vgl. Sapphischer Vers, Alkäischer Vers).