MKL1888:Ästuārien
[986] Ästuārien (lat.), Flutmündungen, offene, hohle, negative Deltas, die Mündungen großer Ströme, welche nicht durch Alluvialmassen (Deltabildungen)
Mündung des Amazonenstroms. | |
versperrt sind, sondern sich als offene Weitungen darstellen. Ä. sind seltener als geschlossene Deltamündungen, sie finden sich in der Elbe, Weser, Themse, am Ob, Jenissei, Lorenzstrom etc.; am großartigsten [987] aber sind die 20 Meilen breiten Mündungen des Amazonenstroms (s. Kärtchen), vor denen zwar die Insel Marajo und viele kleinere Inseln liegen, die aber nicht aus Alluvionen des Stroms gebildet, sondern durch Einbrüche des Meers vom Land getrennt sind. Es liegt nahe, die Bildung der Ä. mit der Ebbe und Flut in Verbindung zu bringen, und in der That zeigen alle Flüsse, welche sich ins Mittelmeer ergießen, wo die Flutbewegung eine nur geringe ist, sehr ausgedehnte Deltabildungen. Am Amazonenstrom anderseits ist die Flutbewegung eine so starke, daß sie noch über 500 engl. Meilen von der Mündung entfernt in Seitenströmen wahrgenommen werden kann. An der Nordsee dagegen, wo keine starke Flutbewegung herrscht, mündet der Rhein mit großartigen Deltabildungen, die Elbe und die Themse aber mit Ä. Es ist mithin nicht einfach die An- oder Abwesenheit von Ebbe und Flut, welche über die Natur der Mündung entscheidet, sondern es kommen dabei in Betracht die Menge und die Art des Erosionsmaterials, welches die Ströme mitbringen, das Verhältnis der Stromkraft des Stroms zu der Flutbewegung des Meers, die An- oder Abwesenheit von Küstenströmungen in der Gegend der Mündung, die herrschenden Windrichtungen, säkulare Hebungen und Senkungen etc. Vgl. Delta.