MKL1888:Äthiōpien

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Äthiōpien“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 1012
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Äthiōpien. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 1012. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:%C3%84thi%C5%8Dpien (Version vom 24.04.2023)

[1012] Äthiōpien (hebr. Kusch), alter geograph. Name, im weitern Sinn s. v. w. Südland, wohin man die Äthiopier (d. h. die von der Sonne schwarz gebrannten Völker) versetzte; im engern das südlich von Ägypten am Nil aufwärts gelegene Land zwischen Libyen und dem Arabischen Meerbusen, also das heutige Nubien und Abessinien. Bei Homer erscheinen die Äthiopier als „die fernsten der Männer, geteilt wohnend, die einen gegen Untergang, die andern gegen Aufgang der Sonne“. Auch Herodot teilt sie in östliche, schlichthaarige (die braunen Völker am mittlern Nil mit einem der weißen Rasse zunächst stehenden körperlichen und sprachlichen Typus) und westliche, wollhaarige (Neger). Während die letztern die tiefste Stufe menschlicher Kultur einnehmen, gelten ihm die von den östlichen Äthiopiern bewohnten Länder am obern Nil als Sitze uralter Zivilisation. Als zu den östlichen Äthiopiern gehörige Völkerschaften nennt er die Makrobier (Langlebenden), die Ichthyophagen (Fischesser) und die Troglodyten (Höhlenbewohner) und als Hauptstadt Äthiopiens Meroë (Schendy). Genauere Nachrichten geben spätere Schriftsteller, namentlich Ptolemäos, welcher zuerst den Nigerfluß und eine große Anzahl sonst unbekannter äthiopischer Völker anführt, aber als Hauptstadt Auxumis (Axum) bezeichnet. Nach Plinius bildete der Nil die Grenze zwischen dem östlichen und westlichen Ä. Jenes, welches vorzugsweise Ä. hieß, begriff namentlich den alten Kulturstaat Meroë, dessen Mittelpunkt im heutigen Nubien zu suchen ist. Von daher stammte die 25. Dynastie des altägyptischen Reichs, welche von dem von S. her einbrechenden Eroberer Sabakon gegründet und deshalb die äthiopische genannt wurde. Späterhin übertrug man den Namen Ä. auf die christlichen Reiche in Abessinien; daher versteht man unter den äthiopischen Christen die heutigen christlichen Abessinier, deren alte (semitische) Schriftsprache, das Geez, man die äthiopische zu nennen pflegt, während der Name Ä. als geographische Bezeichnung jetzt kaum mehr im Gebrauch ist (vgl. Abessinien). Die vorhandenen äthiopischen Altertümer am mittlern Nil geben Zeugnis von der hohen Kultur jener Völker. Auf dem rechten Ufer des Stromes, oberhalb der Einmündung des Atbara, liegen die Trümmer von Meroë (s. d.), darunter über 80 teilweise eingestürzte Pyramiden in drei Gruppen. Einen entschieden priesterlichen Charakter tragen die Ruinen von Dschebel Barkal, die 4 km vom Flecken Merawah auf einer inselartigen Erhebung in weiter Landschaft liegen. Zwei Gruppen von Pyramiden umgeben im Halbkreis die Trümmer von acht Tempeln. Einfachheit charakterisiert diese Gebäude; Lotosblumen und der Kopf der Isis bilden den einzigen Schmuck der Säulen. In einer Grabkammer sieht man ein Opfer des äthiopischen Königs Tirhaka in Stein abgebildet. Der Stil dieser Skulpturen gleicht sehr dem ägyptischen. Entfernt von den übrigen steht ein sehr großer Tempel von fast 160 m Länge, den zahllose Säulen sowie Skulpturen und Bilder zieren.