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MKL1888:Aëtius

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Aëtius“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Aëtius“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 1 (1885), Seite 138
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Aëtius. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 138. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:A%C3%ABtius (Version vom 30.10.2021)

[138] Aëtius, 1) A. der Atheist, mit seinem Freund und Schüler Eunomius das Haupt der strengen Arianer (Anomöer, Aëtianer, Eunomianer), welche eine absolute Unähnlichkeit zwischen Gott und Christus lehrten, stammte aus Syrien. Wegen seiner überlegenen Disputierkunst und der Schroffheit seiner Behauptungen vielfach gehaßt und vertrieben, ward er 349 Diakon zu Antiochia, 356 zu Alexandria und starb 370 in Konstantinopel.

2) Feldherr und röm. Patrizier unter Honorius und Valentinian III., der letzte tapfere Verteidiger des abendländischen Reichs, geboren zu Durosturum (jetzt Silistria) in Niedermösien, Sohn des Reiteranführers Gaudentius, trat früh in die kaiserliche Garde, brachte aber seit 408 einige Jahre beim Westgotenkönig Alarich, dann bei den Hunnen als Geisel zu. Nach seiner Rückkehr stieg er rasch von Stufe zu Stufe. Als nach Honorius’ Tode dessen Geheimschreiber Johannes die Herrschaft an sich riß, schloß A. sich demselben an und führte ihm ein hunnisches Hilfsheer zu, ging aber später zu Valentinian III. über, der unter Vormundschaft seiner Mutter Placidia durch den oströmischen Kaiser Theodosius II. im Westen als Kaiser eingesetzt wurde. Nachdem er hierauf am kaiserlichen Hof den mächtigsten Einfluß gewonnen, beredete er Placidia, seinen Nebenbuhler Bonifacius, den Statthalter von Afrika, abzuberufen, wußte aber zugleich diesem vorzuspiegeln, daß es die Absicht der Placidia sei, ihn nach seiner Ankunft in Italien töten zu lassen. So wurde Bonifacius endlich dahin getrieben, die Vandalen aus Spanien zu Hilfe zu rufen. Seinen Irrtum erkennend, kämpfte Bonifacius tapfer, aber unglücklich gegen dieselben; nach Italien zurückgekehrt, wurde er zum Rang eines Patriziers und zum Oberbefehlshaber der Armee erhoben. Dadurch erbittert, brach A. aus Gallien, wo er damals stand, mit einem Barbarenhaufen schleunigst nach Italien auf, und es kam zwischen beiden zum Kampf; Bonifacius siegte, fiel aber durch des A. Hand (432). Als Rebell verfolgt, floh A. zu den Hunnen, kehrte aber (433) mit Heeresmacht zurück und erzwang seine Ernennung zum Patrizier, Konsul und Oberfeldherrn. Seitdem lag 20 Jahre lang das Schicksal des Reichs in A.’ Hand, und er war es, der den Zusammensturz desselben aufzuhalten wußte. Gleich tüchtig als Diplomat wie als Feldherr, wußte er die barbarischen Völker nicht nur im Zaum zu halten, sondern auch den Interessen Roms dienstbar zu machen. Er schlug die Burgunder in drei Feldzügen (435, 436 und 437), unterdrückte in denselben Jahren den immer von neuem ausbrechenden Aufstand der gallischen Bauern (Bagaudae) und stellte hier das Ansehen des Reichs her, wehrte mit Erfolg den Einfällen der Westgoten und schlug (445) den Frankenkönig Clodio an der Somme. Die glorreichste That des A. war aber der Sieg, den er 451 in Gemeinschaft mit dem König der Westgoten, Theoderich, auf den Katalaunischen Feldern über Attila, den Hunnenkönig, gewann. Auch im folgenden Jahr (452), als Attila in Italien einbrach und Oberitalien verheerte, wußte er trotz seiner geringen Streitkräfte größeres Unheil von Italien abzuwenden. Trotz dieser Verdienste aber gelang es dem Günstling des Kaisers, dem Eunuchen Heraclius, in der Seele des schwachen Valentinian Argwohn zu erwecken und ihn zu einer blutigen That zu reizen. Dem Sohn des A. war die Hand der Kaiserstochter versprochen worden; als sie ihm jetzt verweigert ward, drang A. auf Erfüllung des ihm gemachten Versprechens. Da zog der Kaiser sein Schwert und stieß ihm dasselbe in die Brust (454). Die Höflinge vollendeten den Mord; die vornehmsten von A.’ Freunden hatten ein gleiches Schicksal.