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MKL1888:Abdecker

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Abdecker“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Abdecker“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 1 (1885), Seite 22
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Abdecker. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 22. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Abdecker (Version vom 18.02.2021)

[22] Abdecker (Freiknecht, Fall-, Wasen- oder Feldmeister, Kafiller), diejenige Person, deren Geschäft es ist, in einem bestimmten Bezirk das gefallene Vieh wegzuschaffen, abzuhäuten und einzuscharren. Damit verbindet der A. bisweilen noch andre Arbeiten und Dienstleistungen, z. B. das Reinigen der Kloaken, das Einfangen herrenloser Hunde. Nach dem alten deutschen Recht litt er an Anrüchigkeit (levis notae macula), war demnach unfähig zum Eintritt in die Zünfte, in das Militär und in Ehrenstellen, aber nicht ehrlos, konnte also vollgültiges Zeugnis vor Gericht abgeben. Die Kinder des Abdeckers, wofern sie nicht das Gewerbe des Vaters betrieben, blieben auch von dem Makel der Anrüchigkeit frei. Erst seit der französischen Revolution und in Deutschland seit 1817 besitzt der A. die staatsbürgerlichen Eigenschaften im ganzen Umfang. Vordem mußten dem A. gegen kostenfreie Abholung nicht bloß die verendeten, sondern auch die „abständigen“ Tiere unentgeltlich überlassen werden. Dieses Bannrecht, welches in den östlichen Provinzen des preußischen Staats gegenwärtig noch besteht, belästigte die Landwirtschaft nicht unerheblich. Indes hat sich eine zeitgemäße Reform des Abdeckerwesens als unausführbar erwiesen. Im J. 1868 wurde den einzelnen Gemeinden in den Abdeckereibezirken das Recht der Provokation auf Ablösung der Verpflichtungen gewährt. Die Gemeinden haben aber von diesem Recht fast gar keine Anwendung gemacht, weil ihnen die Ablösung kostspielig erscheint. Nach der Reichsgewerbeordnung ist die Anlage einer Abdeckerei freigegeben, aber an die polizeiliche Genehmigung gebunden; der Unternehmer hat genaue Angaben über seinen Betrieb zu machen und jede Veränderung in demselben anzuzeigen. Das Rinderpestgesetz, das Seuchengesetz und die Instruktionen zu letzterm enthalten Bestimmungen über den Transport der Tierkadaver und der zu tötenden Tiere sowie über die Ausnutzung derselben. Im Interesse der letztern ist die Abdeckerei gegenwärtig häufig verbunden mit Gerberei, Leimsiederei, Bonesize-, Knochenmehl-, Maschinenöl-, Poudrettefabrikation etc. Mit dem A. darf der Scharfrichter (s. d.) nicht verwechselt werden, der sich entweder ausschließlich mit Hinrichtungen von Verbrechern befaßt, oder doch die Abdeckerei nur durch Knechte besorgen läßt.