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MKL1888:Absperrung

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Absperrung“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Absperrung“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 1 (1885), Seite 63
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Absperrung. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 63. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Absperrung (Version vom 20.01.2023)

[63] Absperrung, die Verhinderung des freien Verkehrs zwischen einem an sich zugänglichen Ort und den übrigen Ortschaften des betreffenden Staats oder Distrikts. Am häufigsten tritt sie ein bei ansteckenden Krankheiten sowohl der Menschen als der Tiere. Sie erstreckt sich alsdann entweder auf ganze Länder, Gegenden, Ortschaften oder nur auf einzelne Häuser und Familien, je nach der Verschiedenheit der Krankheit und der Intensität ihres Ansteckungsvermögens. So z. B. kann eine unbedingte und vollkommene A. bei der Rinderpest notwendig werden. Dagegen tritt eine bedingte Sperre bei Cholera, Pocken etc. ein. Man unterwirft die Menschen und andre Gegenstände einer Quarantäne oder Kontumaz, d. h. man sperrt sie so lange ab, bis man durch dazu geeignete Mittel den Ansteckungsstoff zerstört hat. Permanente A. ganzer Länder fand z. B. bei der Pest statt zwischen der Türkei und den österreichisch-ungarischen Staaten, jedoch gleichfalls nur auf die oben angegebene bedingte Weise; A. einzelner Häuser und Familien bei den Pocken, bei Syphilis etc. Die Krankheiten, welche die A. vorzugsweise nötig machen, sind: Pest, gelbes Fieber, Typhus, Pocken, Syphilis, Wutkrankheit; bei Tieren: Rinderpest, Tollwut, Lungenseuche des Rindviehs, Milzbrand, Rotz, Schafpocken. Bei jeder A. muß eine doppelte Rücksicht genommen werden; auf der einen Seite darf sich die Verhinderung des Verkehrs nicht unnötig ausdehnen, auf der andern muß Sorge getragen werden, daß die einmal für nötig befundene A. auch wirklich vollständig durchgeführt werde. Kein Gegenstand ist zu unbedeutend zur Beachtung, keinen Augenblick darf die Aufsicht nachlassen. Die Provence ist 1721 durch ein einziges Stück Seidenband, Serbien 1795 durch einen Weiberrock der Pest überliefert worden. Es ist also die Veranstaltung zu treffen, daß teils nie und nirgends eine unbemerkte Verbindung stattfinden kann, teils der Versuch einer gewaltsamen Verletzung der Sperre an den überlegenen Mitteln der Bewachung scheitern muß. In Deutschland hat die in neuerer Zeit wiederholt aufgetretene Rinderpest die A. gewisser Gegenden veranlaßt, und ein infolge davon ergangenes norddeutsches Bundesgesetz, jetzt Reichsgesetz, vom 7. April 1869, Maßregeln gegen die Rinderpest betreffend, nebst Instruktion vom 26. Mai 1869 hat namentlich über die dabei vorzunehmende A. ausführliche Vorschriften gegeben. Dazu kommt das Reichsgesetz vom 23. Juni 1880, betreffend die Abwehr und Unterdrückung von Viehseuchen, welches genau vorschreibt, wann und bei welchen Viehseuchen die A. des Stalles oder sonstigen Standorts seuchenkranker oder verdächtiger Tiere, des Gehöfts, des Orts, der Weide oder der Feldmark gegen den Verkehr mit Tieren und mit solchen Gegenständen, welche Träger des Ansteckungsstoffs sein können, Platz greifen soll. Auch können Schlachtviehhöfe oder öffentliche Schlachthäuser für die Dauer der Seuchengefahr gegen den Abtrieb der für die Seuche empfänglichen Tiere abgesperrt werden. Das deutsche Reichsstrafgesetzbuch (§§ 327 f.) aber bedroht die wissentliche Verletzung der von der zuständigen Behörde getroffenen Absperrungsmaßregeln zum Zweck der Verhütung des Einführens oder Verbreitens einer ansteckenden Krankheit oder einer Viehseuche mit Gefängnisstrafen. Völkerrechtlich gestattet zwar jeder Staat unverdächtigen Fremden den Eintritt in seine Grenzen und den Aufenthalt innerhalb derselben, ebenso ist, allerdings unter Beobachtung der Zoll- und Handelsgesetze, Verkehr mit Gütern aus fremden Ländern und in dieselben gestattet; allein anderseits ist nicht nur die Zulassung Fremder und ihrer Waren Sache des freien Willens eines jeden Staats, sondern in einzelnen Fällen wird auch die A. vom Völkerrecht gebilligt. Im Krieg namentlich wird jeder Verkehr zwischen feindlichen Völkern aufgehoben, teils damit dem Feind nicht so leicht Nachrichten zukommen können, teils um demselben nicht unmittelbaren Vorschub durch Fortsetzung des Handels zu leisten. Den ausgedehntesten Gebrauch von dem Rechte der A. hat in alten Zeiten Ägypten, dann China, Japan und in neuerer Zeit Paraguay unter Francia gemacht. Über die aus Rücksicht auf den eignen Handel und die eigne Industrie angeordnete A. vgl. Prohibitivsystem.