MKL1888:Abtreibung der Leibesfrucht

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Abtreibung der Leibesfrucht“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 67
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Abtreibung der Leibesfrucht. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 67. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Abtreibung_der_Leibesfrucht (Version vom 20.08.2021)

[67] Abtreibung der Leibesfrucht, die widerrechtlich herbeigeführte Ausstoßung eines unreifen Kindes aus dem Mutterleib oder die widerrechtliche Tötung eines solchen im Mutterleib. Schon im Altertum kannte man die verbrecherische Handlungsweise, teils durch mechanische Kunstgriffe, teils durch innere arzneiliche Mittel (s. Frühgeburt) den Fötus im Mutterleib zu töten oder die Gebärmutter zu dessen vorzeitiger Ausstoßung zu veranlassen, und noch heute wird sie zuweilen namentlich von außerehelich Geschwängerten ausgeübt, obschon die Gesetze harte Strafe darauf setzen. Das deutsche Strafgesetzbuch (§§ 218 ff.) besonders straft die Schwangere, welche ihre Frucht vorsätzlich abtreibt oder im Mutterleib tötet, mit Zuchthaus bis zu 5 Jahren und bei mildernden Umständen mit Gefängnis bis zu 5 Jahren und nicht unter 6 Monaten. Gleiche Strafe trifft auch denjenigen, welcher mit Einwilligung der Schwangern die Mittel hierzu bei ihr angewendet oder ihr beigebracht hat. Hat der Betreffende dies gegen Entgelt gethan, so steigert sich die Strafe auf Zuchthaus bis zu 10 Jahren. Wurde aber die A. ohne Wissen und Willen der Schwangern vorgenommen, so tritt Zuchthausstrafe von mindestens 2 bis zu 15 und, wenn dadurch der Tod der Schwangern herbeigeführt wurde, Zuchthausstrafe von mindestens 10 Jahren bis auf Lebenszeit ein. Auch der Versuch der A. ist strafbar. In medizinischer Hinsicht ist zu bemerken, daß die A., durch welches Mittel sie immer versucht werden möge, nie ohne große Gefahr für die Mutter selbst stattfinden kann, und daß oft Siechtum fürs ganze Leben oder doch chronische Leiden der Geschlechtsteile und andre schwere Folgen nach der A. zurückbleiben. In manchen Ländern besteht die Unsitte, daß selbst verheiratete Frauen die A. vornehmen, um einem zu reichen Kindersegen vorzubeugen. Vgl. v. Fabrice, Die Lehre von der Kindesabtreibung (Erlang. 1868); Horch, Das Verbrechen der A. (Mainz 1879); Ploß, Zur Geschichte, Verbreitung und Methodik der Fruchtabtreibung (Leipz. 1884).