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MKL1888:Alberōni

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Alberōni“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Alberōni“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 1 (1885), Seite 287288
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Alberōni. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 287–288. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Alber%C5%8Dni (Version vom 06.01.2023)

[287] Alberōni, Giulio, Kardinal und span. Staatsminister unter Philipp V. von Spanien, geb. 21. Mai 1664 zu Fiorenzuola unweit Piacenza als Sohn eines armen Weingärtners, ward in einer Klosterschule zu Piacenza unterrichtet, erhielt später die Stelle eines Kirchendieners an der Domkirche daselbst und dann die Priesterweihe. Der Bischof Roncoveri schenkte ihm seine Gunst, übertrug ihm die Erziehung seines Neffen und empfahl ihn dem Herzog von Parma, der ihn als französischen Dolmetsch bei seinen Verhandlungen mit Vendôme, dem Befehlshaber des französischen Heers in Italien im spanischen Erbfolgekrieg, gebrauchte. Vendôme schätzte ihn als witzigen Gesellschafter und als Kochkünstler und nahm ihn 1706 mit nach Paris, 1711 nach Spanien. Nach dem Tod seines Gönners ernannte ihn der Herzog von Parma zu seinem Geschäftsträger in Madrid. Hier gelang es ihm 1714, die Vermählung Philipps V. mit Elisabeth Farnese (s. Elisabeth), der Nichte des Herzogs von Parma, zu stande zu bringen. Die Folge dieser Heirat war der Sturz der bisher am spanischen Hof allmächtigen Prinzessin Orsini und Alberonis Erhebung zum Ratgeber der Königin und des Ministers del Giudice, an dessen Stelle er 1717 trat, nachdem er vom Papst zum Kardinal ernannt worden war. Von jetzt an regierte A. im Einverständnis mit der Königin unumschränkt. Er hatte bei seiner Verwaltung zunächst die innere Hebung und Kräftigung der Nation im Auge. Er stellte die eingerissene Unordnung im Finanzwesen ab, brachte Einheit und Kraft in die Regierung, beschränkte die Steuerfreiheit des Klerus, vernichtete zu gunsten einer aufgeklärten Autokratie die provinziellen Freiheiten, belebte die Industrie durch Ansiedelung ausländischer Arbeiter und hob den Handel; er verbesserte das Kriegswesen, schuf eine neue Flotte, legte Gewehrfabriken an, setzte die Festungen in guten Stand und führte Zucht und Ordnung ins Heer zurück. Die Mittel hierzu schuf er sich durch kluge Ersparnisse, indem er die übergroße Zahl der Beamten verringerte, nicht durch neue Steuern. Diese Erfolge vernichtete er aber wieder durch eine abenteuerliche auswärtige Politik. Von den Wünschen der Königin, welche ihren von der spanischen Thronfolge ausgeschlossenen Kindern auswärtige Throne verschaffen wollte, sowie von eignem Ehrgeiz verleitet, faßte er den Plan, Mailand, Neapel, Sizilien und Sardinien für Spanien zu erobern. Er rüstete eine mächtige Flotte und ein starkes Heer und ließ plötzlich (1717) Sardinien besetzen. Gegen [288] diese Übergriffe Spaniens wurde aber die Quadrupelallianz zwischen England, Frankreich, Österreich und Holland geschlossen. Spaniens Seemacht wurde hierauf (10. Aug. 1718) beim Kap Passaro von der englischen Flotte unter Byng fast gänzlich vernichtet. Auch Frankreich, wo Alberonis kühner Plan, durch die Verschwörung Cellamares nach Gefangennahme des Regenten, des Herzogs von Orléans, den König Philipp V. zum Vormund des jungen Ludwig XV. proklamieren zu lassen, mißlang, erklärte bald darauf (1719) den Krieg und sandte ein Heer über die Pyrenäen, während die Österreicher in Sizilien Fortschritte machten und die Engländer in Galicien landeten, um den zu gunsten des Hauses Stuart von Philipp V. 1718 unter dem Herzog von Ormond versuchten Einfall in Schottland zu rächen. A. verlor zwar den Mut nicht, wurde indes auf Andringen der Verbündeten, die bloß unter dieser Bedingung Frieden schließen wollten, durch eine königliche Ordonnanz vom 5. Dez. 1719 aller Ämter entlassen und angewiesen, binnen acht Tagen Madrid, binnen drei Wochen Spanien zu verlassen. Er begab sich nach Italien, wurde aber vom Papst Clemens XI. mit einem Prozeß bedroht und hielt sich deshalb vom März 1720 bis April 1721 in einem Kloster bei Bologna verborgen. Nach dem Tod Clemens’ XI. (1721) aber nahm er seinen Sitz im Konklave ein und beteiligte sich an der Wahl des neuen Papstes, Innocenz XIII., der ihm seine Gunst zuwendete. Clemens XII. ernannte ihn 1734 zum Legaten von Ravenna und Benedikt XIV. zum Legaten von Bologna. Nach dreijähriger Verwaltung dieser Provinz zog sich A. nach Piacenza zurück und widmete dem von ihm schon früher gestifteten Seminar zur Ausbildung junger Parmesaner seine letzte Thätigkeit. Er starb 16. Juni 1752. Sein kolossales Vermögen fiel größtenteils an Philipp V. von Spanien. Vgl. Bersani, Storia del cardinale Giulio A. (Piacenza 1862).