MKL1888:Alpenvereine
[406] Alpenvereine (Alpenklubs), Vereine, welche sich die genauere Erforschung der Alpen in topographischer wie physisch-geographischer Hinsicht zur Aufgabe gesetzt haben. Der älteste derselben ist der englische Alpine Club (in London), der seit 1857 besteht und eine Anzahl der schwierigsten und kühnsten Bergersteigungen ausgeführt hat. Zu seinen Publikationen gehören das Prachtwerk „Peaks, passes and glaciers“ (Lond. 1860–62, 3 Bde.), der ausgezeichnete „Alpine Guide“ (das. 1863 ff.) von J. Ball und das „Alpine Journal“ (seit März 1863). Nächstdem trat im März 1862 der Österreichische Alpenverein (in Wien) zusammen, der seine Thätigkeit vorzugsweise den Österreichischen Alpen zuwendet, namentlich auch die Erleichterung der Bereisung derselben anstrebt und in den „Mitteilungen“ (Wien 1863–64, 2 Bde.) und dem „Jahrbuch des Österreichischen Alpenvereins“ (1865–73, 9 Bde.) über seine Arbeiten berichtet hat. Im April 1863 konstituierte sich der Schweizer Alpenklub, der in wissenschaftlicher Hinsicht Bedeutendes geleistet hat. Derselbe gliedert sich in Sektionen (1884: 29 mit 2656 Mitgliedern), aus deren einer in dreijährigem Turnus der Zentralausschuß gebildet wird. Sein Organ ist das mit trefflichen Karten ausgestattete „Jahrbuch des Schweizer Alpenklubs“ (seit 1864). Seine größte Arbeit ist die genaue Vermessung des Rhônegletschers; er hat etwa 30 Schutzhütten in der Hochregion erbaut. Den genannten Vereinen folgte 1863 der Italienische Alpenverein (1884 mit 34 Sektionen und 3767 Mitgliedern), der die naturwissenschaftliche Erforschung der Alpen wie auch des Apennin verfolgt. Die Publikationen des Zentralsitzes (Turin) sind: „Bolletino del Club Alpino Italiano“ (1865–84, 18 Bde.); „L’Alpinista“ (1874–75, 2 Bde.); „Rivista alpina italiana“ (seit 1882). Außerdem geben die Sektionen der romanischen Schweiz noch die Zeitschrift „L’Écho des Alpes“ (Genf, seit 1870) heraus. 1869 wurde in München der Deutsche Alpenverein gegründet, der stärkste unter diesen Vereinen. Nach dem Muster des Schweizer Klubs gliederte er sich in Sektionen mit dreijährig wechselndem Vorort, 1874 trat ihm der Österreichische Alpenverein als Sektion bei, worauf der Gesamtverein den Namen Deutscher und Österreichischer Alpenverein annahm. Damals zählte der Verein 3682 Mitglieder in 43 Sektionen, Ende 1884 ist die Zahl der Sektionen auf 110, die der Mitglieder auf mehr als 13,000 angewachsen. Seine Thätigkeit ist einmal eine litterarische, dann aber auch eine praktische; die erstere Richtung pflegt der Verein durch seine „Zeitschrift“ (seit 1869, von 1885 ab in Jahresbänden) und die „Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins“ (seit 1875, von 1885 ab in halbmonatlichen Nummern), durch Herausgabe einer von namhaften Gelehrten bearbeiteten „Anleitung zu wissenschaftlichen Beobachtungen auf Alpenreisen“ (1879–1882, 2 Bde.) und eines „Atlas der Alpenflora“ (von Hartinger, Wien 1882 ff., 4 Bde.). Während die Zeitschrift mehr die populär-wissenschaftliche Richtung kultiviert und entsprechende Kunstbeilagen (Karten, Panoramen, Ansichten) gibt, dienen die Mitteilungen mehr dem eigentlichen Vereinsleben und der praktischen Thätigkeit. Diese letztere äußert sich in erster Reihe durch Weg- und Hüttenbauten; gegen 70 wohleingerichtete Hütten befinden sich im Besitz oder unter Verwaltung seiner Sektionen. Eine weitere Thätigkeit betrifft das Führerwesen; gegen 700 Führer sind auf Gutachten des Vereins von den Behörden autorisiert worden, der Verein hat eine Führerunterstützungskasse gegründet und trägt bei Versicherung von Führern gegen Unfälle einen Teil der Prämie. Weitere Zweige der Thätigkeit des Vereins sind: Einrichtung, bez. Subventionierung von meteorologischen Stationen auf Höhenpunkten, Beihilfe zu Aufforstungen; als 1882 die südlichen Alpenthäler Österreichs von Hochwassern verwüstet wurden, sammelte der Verein den bedeutenden Betrag von 154,935 Gulden, welcher direkt durch seine Mandatare teils bar, teils aber in Naturalien verteilt ward. Vgl. „Der Deutsche und Österreichische Alpenverein“ (Festschrift, Salzb. 1884). Dem Alpengebiet gehören ferner an: der Club alpin français (Paris, seit 1874), welcher ein „Annuaire“ und seit 1882 ein „Bulletin mensuel“ veröffentlicht und sich mit der Montblancgruppe und den Westalpen, besonders aber mit den Pyrenäen beschäftigt, von denen er (seit 1882) eine Karte publiziert; er zählte 1884: 40 Sektionen mit über 4900 Mitgliedern; außerdem die Gesellschaft Ramond, zur wissenschaftlichen Ausbeutung der Pyrenäen (gegründet 1865); der Juraklub (1866 zu Noiraigne im Thal von Travers gegründet); ferner in Österreich-Ungarn: der Österreichische Touristenklub (seit 1869), dessen Thätigkeit sich besonders auf die niederösterreichischen und Julischen Alpen erstreckt, und der ebenfalls ein „Jahrbuch“ herausgibt, und der Alpenklub Österreich (seit 1878, Organ: die „Österreichische Alpenzeitung“), beide in Wien; der Steirische Gebirgsverein (gegründet 1869 in Graz), die Società degli Alpinisti Tridentini (seit 1874) in Südtirol, die Società alpina Friulana in Udine, der Ungarische Karpathenverein in Kesmark, der Galizische Tatraverein in Krakau (seit 1873), der Siebenbürgische Karpathenverein in Hermanstadt.
Von andern Gebirgsvereinen verdienen noch Erwähnung: der Vogesenklub (seit 1872), der Schwarzwaldverein, [407] der Spessartklub, Taunusklub, der Rhönklub, der Sächsische Erzgebirgsverein, der Riesengebirgsverein, Gebirgsverein der Grafschaft Glatz, der Mährisch-schlesische Sudetengebirgsverein, der Gebirgsverein für Böhmen, der Gebirgsverein für die sächsisch-böhmische Schweiz, der Thüringerwaldverein; endlich die Associacio d’Escursion Catalana in Barcelona (seit 1878, „Annuario“ und „Boletin“) und der Appalachian Mountain Club in Boston, der auch wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht.
[19] Alpenvereine. Der Deutsche und Österreichische Alpenverein, dessen Geschäftsstelle Ende 1891 nach Berlin verlegt wurde, zählte im Herbste d. J. über 25,000 Mitglieder in 192 Sektionen. Er ist somit der weitaus wichtigste Verein und noch immer in stetem Wachstum begriffen, während in Österreich alle übrigen Vereine stark abgenommen haben, nachdem die Eisenbahnverwaltungen die früher gewährten Fahrpreisvergünstigungen teilweise aufgehoben hatten, und andre Vereine in der Schweiz, Italien etc. keine Zunahme zeigen. Die Einnahmen betrugen 1890: 179,325 Mk., die Ausgaben 169,072 Mk. (davon für Weg- und Hüttenbauten gegen 40,000 Mk.). Die Zahl der über die ganzen Ostalpen verteilten Schutzhütten beträgt 136; mehrere neue sind im Bau begriffen. Das Schutzhaus auf dem Sonnblick, zu dessen Erhaltung die Meteorologische Gesellschaft in Wien beiträgt, enthält als Eigentum des Vereins die höchste meteorologische Station in Österreich (3095 m). Die Führerunterstützungskasse, die den (mit einem besondern Führerabzeichen versehenen) Führern sowohl bei Unglücksfällen augenblickliche Hilfe als auch im Fall hohen Alters oder Invalidität jährliche Pension gewährt, besaß Ende 1891 ein Vermögen von 36,418 Mk. und verteilte in demselben Jahr Unterstützungen im Betrag von 3200 Mk., darunter 2600 Mk. jährliche Pensionen an 42 Führer. Zur theoretischen Ausbildung der Führer, auch mit den notwendigsten Kenntnissen in Bezug auf Geographie und den Gebrauch von Landkarten, läßt der Verein alljährlich Führer-Instruktionskurse abhalten, welche nach und nach in allen Teilen der Ostalpen stattfinden; ein zu gleichem Zweck eigens verfaßtes „Führer-Instruktionsbuch“ wird an sämtliche Führer verteilt. Zur Pflege der wissenschaftlichen Aufgaben des Vereins ist aus dem Kreis der Mitglieder ein wissenschaftlicher Beirat eingesetzt, dem die Verwendung der für diese Zwecke bestimmten Mittel obliegt; das ins Leben gerufene alpine wissenschaftliche Archiv des Vereins ist im Ferdinandeum zu Innsbruck untergebracht. Hauptzweig der wissenschaftlichen Thätigkeit des Vereins ist gegenwärtig eine umfassende Gletschervermessung zum Zweck des Gletscherstudiums, Einrichtung von Pegelstationen etc. Eine von hervorragenden Kennern der Gebiete im Auftrag des Vereins bearbeitete „Geschichte der Erschließung der Ostalpen“ erschien Anfang 1892. Ein vom Verein herausgegebener „Populär-geographischer Handweiser für Touristen“ wurde von Buchheister, Emmer, E. Richter und Zeppegauer verfaßt (Wien 1892).
Von andern Alpenvereinen, bei welchen sich nennenswerte Änderungen zutrugen, und von in den letzten Jahren neu entstandenen Vereinen seien folgende erwähnt: Der 1869 gegründete Österreichische Touristenklub, dessen Thätigkeit sich früher besonders auf die Niederösterreichischen und Julischen Alpen erstreckte, später jedoch in einzelnen Werken in die eigentliche Hochgebirgswelt eingriff, zählt gegenwärtig etwa 10,000 Mitglieder. Er gab in den ersten Jahren ein „Jahrbuch“, später die „Österreichische Touristenzeitung“ heraus und besaß Ende 1890: 43 Schutzhütten. Der Österreichische Alpenklub, der (1878 gegründet) bis 1884 den Namen „Alpenklub Österreich“ führte und die „Österreichische Alpenzeitung“ herausgibt, zählte Anfang 1891: 822 Mitglieder und besitzt 3 Schutzhütten; er ist hauptsächlich eine Pflegstätte sportlichen Bergsteigertums. Der 1890 gegründete Niederösterreichische Gebirgsverein hat sich ausschließlich die Pflege der niederösterreichischen Gebirgsteile zur Aufgabe gemacht und zählt über 1000 Mitglieder. Diese letztern Vereine haben ihren Sitz in Wien. Außerdem entstanden noch eine Reihe kleinerer alpiner Gesellschaften, die in Bezug auf Wegmarkierung, Weg- und Hüttenbau zum Teil Anerkennenswertes geleistet haben, so in Wien die Ennsthaler, Mürzthaler, Preinthaler, Reisthaler, Voisthaler, Altenberger, Lackenhofer etc., in Innsbruck die Schwefelbande, in München das Turneralpenkränzchen, die Haltspitzler. Zu den fremden Vereinen sind hinzugekommen: die Société des Touristes du Dauphiné (1875), der Club alpine belge (1883), die Società Alpina delle Giulie (1883), der Club Alpino Ticinese (1886). Die Zeitschrift des Italienischen Alpenvereins, der 68 Schutzhütten in den Alpen errichtete, erscheint jetzt unter dem Titel: „Rivista mensile del Club Alpino Italiano“.