MKL1888:Andrieux

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Andrieux“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 556
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Andrieux. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 556. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Andrieux (Version vom 01.11.2021)

[556] Andrieux (spr. angdriöh), 1) François Guillaume Jean Stanislas, franz. Gelehrter und Dichter, geb. 6. Mai 1759 zu Straßburg, war beim Ausbruch der Revolution Advokat in Paris, schloß sich derselben mit Eifer an, wurde 1796 Mitglied des Kassationshofs, 1798 in den Rat der Fünfhundert gewählt, nach dem 18. Brumaire zum Mitglied des Tribunats ernannt, jedoch schon 1802 wegen seiner Opposition entlassen. Einen Antrag Fouchés, sich bei der Zensur zu beteiligen, lehnte er ab, ward 1804 Bibliothekar Joseph Bonapartes und gleichzeitig des Senats und erhielt dann die Professur der schönen Wissenschaften an der polytechnischen Schule, die er nach der Restauration (1814) mit einem Lehrstuhl am Collège de France vertauschte. Im J. 1816 wurde er Mitglied der Akademie und 1829 deren beständiger Sekretär. Er starb 10. Mai 1833. A. ist ein Kind des 18. Jahrh.: sein Hauptbestreben ist, geistreich und witzig zu sein; Gefühl und Leidenschaft scheinen ihm gänzlich zu fehlen. Auch seine ästhetischen Ansichten gehören der alten Zeit an; Shakespeare tadelt er als kunstlos und übertrieben, die deutsche Litteratur verabscheute er ebenso wie die romantische Schule. Seine eignen Komödien zeichnen sich durch leichten Versbau, gut ausgedachte Situationen und manche sinnreiche Einfälle aus. Die besten sind: „Les étourdis, ou le mort supposé“ (1788) und „La comédienne“ (1816). Auch eine Tragödie: „Junius Brutus“, hat A. verfaßt, die nach der Julirevolution zur Aufführung kam, sowie zahlreiche leichte Poesien: Fabeln, Erzählungen, Romanzen, Episteln, die sich durch Urbanität auszeichnen, und von denen die bemerkenswertesten sind: „Le meunier de Sans-Souci“, „La promenade de Fénelon“ und „Le procès du sénat de Capoue“. A. gab selbst seine Werke heraus (1818–23, 4 Bde.); eine Auswahl erschien 1878.

2) Louis, franz. Politiker, geb. 20. Juli 1840 zu Trévoux (Ain), studierte in Paris die Rechte und ließ sich in Lyon als Advokat nieder, wo er in vielen politischen Prozessen plaidierte, eine freie Rechtsschule gründete und einer der Vorkämpfer der liberalen Partei gegen das Kaisertum war; wegen Beleidigung des Kaisers ward er 1870 zu drei Monaten Gefängnis verurteilt. Nach dem 4. Sept. 1870 wurde er zum Prokurator der Republik in Lyon ernannt und hatte zwischen der revolutionären und reaktionären Partei eine schwere Stellung; trotzdem erfüllte er nach beiden Seiten hin mutig seine Pflichten. Nach Thiers’ Abdankung 1873 nahm er seine Entlassung und bekämpfte mit Entschiedenheit den reaktionären Präfekten von Lyon, Ducros. Im J. 1876 ward er in die Deputiertenkammer gewählt, in welcher er sich der Republikanischen Union anschloß und für die Einigkeit der liberalen Parteien wirkte. Er war 1879 Berichterstatter über den Gesetzentwurf, betreffend die teilweise Amnestie, und wurde darauf zum Polizeipräfekten von Paris ernannt, in welcher Stellung er aber von den Radikalen heftig angefeindet wurde. Er erhielt daher im Juli 1881 seine Entlassung und ward 1882 zum Botschafter in Madrid ernannt, aber als Gegner der Gambettisten bald wieder abberufen und bekämpfte seitdem diese aufs heftigste.