MKL1888:Arbeitsrat
[45] Arbeitsrat. In Frankreich werden verschiedene Interessenkreise durch besondere gesetzliche Organe vertreten, welche nicht allein Gutachten abgeben, sondern einen wahrnehmbaren Einfluß auf Verwaltung und Gesetzgebung ausüben, wie der Conseil supérieur du commerce et de l’industrie und der Conseil supérieur de l’agriculture. Es wurde nun neuerdings als eine Forderung der Gerechtigkeit bezeichnet, daß auch zur Pflege der Interessen der Arbeiter eine derartige Vertretung im Ministerium des Innern geschaffen werde. Durch Dekret vom 22. Jan. 1891 ist denn auch ein oberster A. ins Leben gerufen worden. Derselbe besteht aus 50 Mitgliedern, welche durch Dekret auf Antrag des Ministers für Handel und Industrie ernannt und den Mitgliedern der Deputiertenkammer, aus der Reihe von Industriellen, Arbeitern, Mitgliedern der Syndikatskammern der Unternehmer, der Arbeiterassociationen, der korporativen Gruppen, der gewerblichen Schiedsgerichte (Conseils des prud’hommes) entnommen und überhaupt unter den Männern, die in wirtschaftlichen und sozialen Fragen hervorragend bewandert sind, ausgewählt werden. Außerdem sind noch 10 im Gesetz näher bezeichnete höhere Beamte ständige Mitglieder. Der A. versammelt sich je nach Einberufung des Ministers für die von dem letztern bestimmte Zeitdauer. Der Minister kann auch eine permanente Kommission bilden, welche aus dem Schoß des obersten Arbeitsrats entnommen wird. Der Rat kann mit Zustimmung des Ministers Enqueten einleiten und alle Personen vernehmen, die er für geeignet hält, ihn über die ihm unterbreiteten Fragen aufzuklären. In Arbeiterkreisen findet die neue Einrichtung aus dem Grunde keine Billigung, weil der A. mehr Unternehmer als Arbeiter unter seinen Mitgliedern zähle, mithin als Vertretung der letztern nicht zu betrachten sei.