Zum Inhalt springen

MKL1888:Arbitrage

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Arbitrage“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Arbitrage“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 1 (1885), Seite 763
Mehr zum Thema bei
Wikisource-Logo
Wikisource: [[{{{Wikisource}}}]]
Wikipedia-Logo
Wikipedia: Arbitrage
Wiktionary-Logo
Wiktionary:
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Indexseite
Empfohlene Zitierweise
Arbitrage. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 763. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Arbitrage (Version vom 24.04.2022)

[763] Arbitrage (franz., spr. -ahsch, v. lat. arbitrium, Entscheidung) ist im allgemeinen die Erwägung und Entscheidung über die günstigsten unter den an verschiedenen Plätzen sich bietenden Einkaufs- und Verkaufsgelegenheiten; insbesondere findet sie Anwendung auf Geld, Wechsel und Effekten. In ihrer einfachsten Form kommt sie vor als Geldarbitrage, welche ermittelt, durch welche Geldsorten am vorteilhaftesten an andern Orten Zahlung zu leisten ist oder Forderungen eingezogen werden können. Sind 20-Frankstücke in Berlin für 16,40 Mk. zu kaufen, und stehen 20 Mk. in Paris auf 24,69 Fr., so würde eine von Berlin nach Paris zu leistende Zahlung vorteilhafter in deutschem als in französischem Gold geleistet werden, während eine auf Paris lautende Forderung am besten dort in französischem Gold einkassiert würde. Diese Berechnung wird verwickelter, sobald noch verschiedenartige Spesen, Transportkosten und eine größere Zahl von Plätzen und Geldsorten in Betracht kommen. Eine größere Bedeutung hat heute die Wechselarbitrage, welche aus den Kursverschiedenheiten verschiedener Wechselplätze dadurch Vorteil zu ziehen sucht, daß sie ermittelt, auf welchem Weg ein Wechsel am billigsten zu erhalten und am höchsten zu verwerten ist. Man kann nämlich bei der Zahlung wie bei der Einkassierung regelmäßig dreierlei Wechsel benutzen: Wechsel auf den fremden Platz, Wechsel auf den eignen Platz und Wechsel auf einen von beiden verschiedenen Platz. Bei den obliegenden Zahlungen wählt man mit andern Worten, ob man auf sich trassieren läßt, oder ob man Wechsel (Rimessen) einschickt, und in letzterm Fall wieder, ob man Rimessen auf den Zahlungsort oder auf irgend einen andern Ort einschickt. Beim Inkasso wählt man zwischen dem Trassieren auf den Schuldner und der Aufgabe an denselben, Rimessen zu machen, die wiederum in Wechseln auf den eignen oder irgend einen fremden Platz bestehen können. Die Entscheidung hängt natürlich ab vom Stande der Wechselkurse, d. h. von dem Preis, der für die Wechsel auf die verschiedenen Plätze bezahlt wird. Hat z. B. ein Pariser Haus nach Amsterdam 100 holländ. Fl. zu zahlen, und steht der Kurs von Paris auf Amsterdam auf 209 Frank (100 Fl.), der von Paris auf London auf 25 Fr. (1 Pfd. Sterl.), von London auf Amsterdam auf 12 Fl. (1 Pfd. Sterl.), so sind bei direkter Remittierung nach Amsterdam 209 Fr. aufzuwenden. Gibt dagegen der Pariser einem Kommissionär in London Auftrag, Amsterdamer Papiere zu kaufen, und sendet er ihm als Deckung Londoner Papiere, so zahlt der Kommissionär 81/3 Pfd. Sterl. für 100 Fl. Der Pariser aber kauft Londoner Papiere, welche auf 81/3 Pfd. Sterl. lauten, für 2081/3 Fr. Die indirekte Rimesse über London ist also vorteilhafter als die direkte. Ähnlich wird bei der Einziehung von Forderungen operiert, und zwar wird mit Hilfe der telegraphisch eingegangenen Kurszettel der verschiedensten Wechselplätze ermittelt, welche der möglichen indirekten Remittierungen die vorteilhafteste ist. Werden bei der hierbei angestellten Rechnung, der Arbitragerechnung, die abweichenden Unkosten (Provision, Kourtage, Porto) der verschiedenen Wege berücksichtigt, so nennt man sie eine zusammengesetzte, im andern Fall eine einfache A. Zur Erleichterung der Rechnung hat man für wichtigere Plätze eigne Wechselarbitragetafeln aufgestellt, in welchen alle praktisch möglichen Kurse in Rechnung gezogen sind. Da der Diskont an den verschiedenen Wechselplätzen meist ein ungleicher ist, so sind auch die Aufwendungen verschieden, die man machen muß, je nachdem man zur Zahlung an einem andern Platz einen dort fälligen kurzsichtigen Wechsel kauft oder einen langsichtigen daselbst diskontieren läßt. Die zur Vergleichung solcher Aufwendungen anzustellende Rechnung nennt man die Diskontarbitrage.

Auch bei Effekten (Aktien, Staatspapieren) wird durch A. (Aktien-, Staatspapier-, Effektenarbitrage) ermittelt, welche Plätze für Kauf und Verkauf derselben am günstigsten sind. Dieselbe bietet infolge davon besondere Schwierigkeiten, daß die Notierungsweise desselben Papiers an verschiedenen Börsen sehr ungleich ist (hier Rechnung nach Stück, dort nach Prozenten, hier einschließlich, dort ausschließlich der laufenden Zinsen etc.). Die genannten Operationen werden aber nicht allein ausgeführt, um nötige Zahlungen zu machen und ausstehende Forderungen einzukassieren, sondern auch, um nur aus Kursverschiedenheiten, z. B. durch eine hierdurch veranlaßte Trassierung, Gewinn zu ziehen, indem sich zu diesem Zweck mehrere Häuser verschiedener Plätze miteinander verständigen. Die A. veranlaßt am einen Ort eine Hebung, am andern eine Herabdrückung und damit eine Ausgleichung der Kurse, und insofern wirkt sie auch vorteilhaft, indem bei den heutigen Verkehrsmitteln schon verhältnismäßig kleine Kursunterschiede zur A. anreizen. Vgl. Swoboda, Die kaufmännische A. (5. Aufl., Berl. 1881); Derselbe, Der internationale Arbitrageur (das. 1882–84); Haupt, A. und Paritäten (Wien 1874; dasselbe in franz. Sprache, 6. Aufl., Berl. 1883); Becker, Die praktische A. (das. 1876); Strauß, Die A. an den deutschen Börsenplätzen (Frankf. 1876); Junckerstorff, Die A. (Berl. 1882).