MKL1888:Archipelăgus

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Archipelăgus“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 773774
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Archipelăgus. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 773–774. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Archipel%C4%83gus (Version vom 05.11.2021)

[773] Archipelăgus (abgekürzt Archipēl; zuerst im 13. Jahrh. in der italienischen Form Arcipelago gebraucht), ein Inselmeer, eine inselreiche Meergegend, oder die größern oder kleinern Inselgruppen selbst, welche sich bald als losgetrennte Teile benachbarter Kontinente, bald als selbständige Bildungen darstellen. Zu den erstern, den kontinentalen Archipelen, welche meist in der Nähe stark gegliederter Küsten liegen oder brückenartige, große Wasserbecken umschließende Verbindungsglieder zwischen größern kontinentalen Massen bilden, gehören der A. der Chiloeinseln, der Patagonische A., der Arktische A. im äußersten Norden Amerikas u. a.; zu den pelagischen Archipelen, die am meisten im Großen Ozean vorkommen, der Lord Mulgraves-A., der Medañasarchipel (Markesasinseln), der Tonga- oder Freundschaftsarchipel, der Hawaiarchipel (Sandwichinseln) etc. Die wichtigsten Archipele sind aber der Westindische, der Indische und besonders der Griechische A. (s. Karte „Griechenland“), welch letzterer vorzugsweise und von jeher A. genannt wird. Derselbe begreift den zwischen Thrakien, Makedonien, Thessalien, Griechenland und Kleinasien liegenden nordöstlichen Teil des Mittelmeers, welcher im S. durch die Insel Kreta gegen das inselfreie östliche Becken jenes Meers gleichsam einen dämmenden Abschluß erhält. Die gesamten Inseln dieses A., welche sich deutlich als insulare Fortsetzungen der oft weit ins Meer hinausspringenden Gebirgsketten Kleinasiens und der Griechischen Halbinsel zu erkennen geben, zerfallen in mehrere Gruppen und Reihen. Zu Thrakien gehören die südlich von der thrakischen Küste liegenden Inseln Thasos, Samothrake, Imbros und das weiter ab liegende Stalimene (Limnos). An sie schließen sich die Inseln der kleinasiatischen Küste an, unter denen Tenedos, Mytilene, Chios, Samos und Rhodus die bedeutendsten sind. Mit letztgenannter Insel beginnt die Inselreihe, welche in einem weiten Bogen den A. gegen S. hin abschließt und in der Insel Kreta, welche nach O. zu durch Karpathos und Kasos mit Rhodus, nach W. zu durch Cerigotto und Cerigo mit dem Peloponnes im Zusammenhang steht, ihren Mittelpunkt hat. Als Gliederungen des Festlandes von Hellas sind das unmittelbar anliegende Negroponte (Euböa), die sogen. nördlichen Sporaden und die Gruppe von Skyros sowie die zahlreichen Cykladen, welche in zwei oder drei nach SO. gerichteten Hauptzügen vom Kap Kolonnäs und von Negroponte aus sich nach Karpathos und Kasos hin erstrecken, zu betrachten. Diese verschiedenen den A. oder das Ägeische Meer (ein Name, dessen Deutung nicht feststeht) durchsetzenden Inselketten teilen denselben in mehrere Teile. Der nördliche hieß bei den Alten Thrakisches Meer; der südöstliche Teil war das Ikarische, der südwestliche zwischen den Cykladen und dem Peloponnes das Myrtoische und der zwischen den Cykladen und Kreta das Kretische Meer (die geologische Beschreibung der Inseln s. unter Griechenland, das neue). Wie die Inseln des Griechischen [774] A. hinsichtlich der Bodenbeschaffenheit sowie der Tier- und Pflanzenwelt den Charakter der benachbarten Kontinente tragen; so waren dieselben auch hinsichtlich ihrer Schicksale von Griechenland und Kleinasien abhängig. Vor Alexander d. Gr. teils frei und eigne Staaten bildend, teils, vornehmlich seit den Perserkriegen, von Athen oder Sparta beherrscht, wurden sie endlich mit allen diesen Ländern dem makedonischen Reich einverleibt, kamen dann zum Teil an Ägypten und später mit Griechenland und den Staaten der Diadochen unter römische Herrschaft. Erst Vespasian aber errichtete aus ihnen eine Provinz mit der Hauptstadt Rhodus. Nach der Teilung des römischen Reichs stand der A. unter byzantinischer Gewalt, nur 823–961 wurde er von den Sarazenen, die sich auf Kreta festgesetzt hatten, beherrscht. Nachdem die fränkischen Kreuzfahrer Konstantinopel eingenommen, eroberte der Venezianer Marco Sanudo, vom lateinischen Kaiser Heinrich I. dazu ermächtigt, 1207 die Inseln Naxos, Paros, Antiparos, Santorin, Anaphi, Argentiera, Milo, Siphno, Polikandro u. a., machte sich zum unabhängigen Herrn derselben und nahm den Titel eines „Herzogs der Dodekanesos“ an. Seine Nachkommen herrschten als Herzöge von Naxos bis 1383, dann die Familie der Crispi über die meisten der genannten Inseln, bis 1566 Sultan Selim II. den letzten Herzog, Jacopo Crispo, nachdem derselbe schon einige Jahre vorher sich als seinen Vasallen bekannt, gefangen setzte und die Inseln dem Juden Don Joseph Nasi verlieh. Bald darauf (1579) wurden sie dem osmanischen Reich einverleibt bis auf Kreta, das erst 1669 den Venezianern endgültig entrissen wurde, und blieben unter türkischer Herrschaft bis zur Stiftung des Königreichs Griechenland (1830), an das die Cykladen, die nördlichen Sporaden und Skyros abgetreten werden mußten, während die Inseln an der thrakischen wie an der kleinasiatischen Küste bei der Türkei verblieben. Die große Mehrzahl der Bewohner aller dieser Inseln, mit Ausnahme der nördlichen Sporaden, wo es viele Albanesen gibt, besteht aus Griechen, bekannt als kühne Seefahrer.