MKL1888:Ascidĭen

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Ascidĭen“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 906907
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Ascidĭen. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 906–907. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Ascid%C4%ADen (Version vom 28.04.2023)

[906] Ascidĭen (Ascidiae, Seescheiden), Ordnung der Tunikaten (s. d.) oder Manteltiere, besitzen in ihrer einfachsten Form die Gestalt eines Sackes mit zwei Öffnungen, einer vordern zur Aufnahme des frischen Wassers und einer seitlichen zur Entleerung des unbrauchbar gewordenen samt den Kotballen und Geschlechtsprodukten. Im Vorderteil liegt in der sehr geräumigen Atemhöhle die sackförmige Kieme, an welche sich hinten oder seitlich der Darm nebst den übrigen Eingeweiden anschließt. Der Mund befindet sich im Grunde der Kieme und erhält die Nahrung, d. h. die kleinen, im Wasser, das zur Atmung dient, schwimmenden tierischen und pflanzlichen Teilchen, durch eine besondere Flimmerrinne zugeführt; der Darm richtet sich in einem Bogen wieder nach vorn und mündet in der Nähe der Ausfuhröffnung. Im übrigen s. Tunikaten. Interessant sind namentlich die Fortpflanzungsverhältnisse. Die A. sind zwar alle Zwitter, befruchten sich jedoch nicht selbst und haben auch meist nicht zur gleichen Zeit reifen Samen und reife Eier. Letztere entwickeln sich entweder in der Atemhöhle oder der Kloake weiter, zum Teil schlüpft der Embryo noch innerhalb des mütterlichen Körpers aus dem Ei aus. Die junge Larve besitzt meist einen Ruderschwanz mit einem Stab aus Knorpelsubstanz im Innern, ähnlich, wie ihn die Wirbeltiere als sogen. Chorda dorsalis oder Rückensaite haben. Bei den festsitzenden A. geht aber, nachdem das Tierchen kurze Zeit umhergeschwommen, der Schwanz ein, und so erleidet, da auch noch andre Rückbildungen stattfinden, die junge Ascidie eine sogen. regressive Metamorphose. Bei den sogen. einfachen A. ist hiermit gewöhnlich der Lebenscyklus beendet; bei den zusammengesetzten hingegen bildet schon die junge [907] Larve, indem sie sich durch Knospung vermehrt, die Anfänge zu einer Kolonie. In letzterer sterben die ältern Individuen allmählich ab, sorgen jedoch vorher durch neue Knospen für die Vergrößerung der Kolonie. In dieser selbst gruppieren sich unter Umständen viele Individuen rings um eine gemeinschaftliche Kloake (s. Abbildung von Botryllus auf Tafel „Mollusken und Tunikaten“). In der Entwickelung haben die A. mancherlei Gemeinsames mit den Wirbeltieren, speziell mit dem niedrigsten Vertreter derselben, dem Amphioxus (s. d.); es ist daher auch eine enge Verwandtschaft zwischen ihnen vorhanden (s. Tunikaten). – Man teilt die A. in vier Gruppen: 1) Appendicularidae; der Schwanz besteht zeitlebens und dient zur Fortbewegung der im Meer schwimmenden Tierchen. Kolonien werden nicht gebildet. 2) Einfache A. (Ascidiae simplices); vielfach einzeln (wie Ascidia microcosmus, s. die genannte Tafel), aber auch durch Knospung zu Stöcken von meist wenigen Individuen vereinigt (z. B. Clavellina, s. Tafel); bis zu 30 cm lang. 3) Zusammengesetzte A. (A. compositae). Die Einzeltiere liegen in einer gemeinsamen Mantelschicht und sind meist regelmäßig um gemeinsame Kloaken angeordnet. Die Kolonien überziehen alle möglichen Gegenstände im Meer und bestehen häufig aus Tausenden von Individuen. 4) Die Feuerwalzen (Pyrosoma), eigentümliche Kolonien vom Aussehen einer hohlen, an dem einen Ende offenen, bis über 30 cm langen Walze mit dicker Wandung, schwimmen frei umher und leuchten nachts stark; die Zentralhöhle der Walze ist für alle Einzeltiere die Kloake.