MKL1888:Astarte

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Astarte“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 961
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Astarte. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 961. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Astarte (Version vom 15.09.2022)

[961] Astarte (hebr. Aschtoret), Göttin der Phöniker, das weibliche Gegenbild der Baaltis oder Aschera (s. d.), jungfräulich und der Zeugung feindlich, eine Göttin des Kriegs und des Todes. Sie hatte Tempel zu Tyros und Sidon, auf Kypros und Kythera, zu Karthago etc. Als Kriegsgöttin erscheint sie mit dem Speer bewaffnet und bald auf einem Löwen, bald auf einem Stiere reitend. Wie Moloch (s. d.), dessen weibliches Seitenstück sie darstellt, tritt sie auch mit einem Kuhkopf auf; endlich trägt sie bisweilen die Mondsichel auf dem Haupte, denn der Mond war das Gestirn der Göttin. Ihren Priestern war Ehelosigkeit, ihren Priesterinnen strengste Keuschheit zur Pflicht gemacht; in ihren Tempeln brannte, wie in denen des Moloch, ein ewiges Feuer, und wie diesem Jünglinge, so wurden ihr Jungfrauen geopfert. Das wohlgefälligste Opfer war aber, wenn Priester und Nichtpriester der jungfräulichen Göttin zu Ehren sich selbst entmannten, und dies geschah vornehmlich während ihres großen Festes, das im Frühling gefeiert wurde. In der spätern Zeit gab es Tausende von verschnittenen Dienern in den Tempeln der A.; andre zogen in weiblicher Kleidung bettelnd und ihr Fleisch peinigend durch das Land. Wie aber Baal und Moloch, die wohlthätige und die verderbliche Naturkraft, in der Person des Melkart (s. d.) vereinigt erscheinen, so verschmelzen auch Aschera, die Göttin der Zeugung und Fruchtbarkeit, und A., die todbringende Kriegsgöttin, zu Einem göttlichen Wesen, das abwechselnd Segen und Verderben, Liebesgenuß und Krieg, Geburt und Tod brachte. Gleich dem Melkart (Sonnengott) war nämlich auch A. (Mondgöttin) eine wandernde Göttin; als solche heißt sie bei den Karthagern Dido („die Schweifende“), der Menschenopfer durch Feuer dargebracht wurden. Bei Neumond war sie im Westen in der Finsternis verschwunden, und die Tyrer begingen dann den „bösen Abend“, ein Trauerfest; aber Melkart sucht die Entwichene und findet sie endlich, worauf sich beide vermählen und die strenge Kriegsgöttin A. sich in die freundliche, der Zeugung günstige Aschera verwandelt. Bei den Griechen wurde die umherwandernde A., welche auf dem Stiere reitet und mit der Mondsichel dargestellt wird, zur Europa, welche der Stier-Zeus aus Phönikien entführt, und welche Kadmos (s. d.) vergeblich sucht.