MKL1888:Athlētik

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Athlētik“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 10131014
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Athlētik. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 1013–1014. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Athl%C4%93tik (Version vom 26.03.2023)

[1013] Athlētik (v. griech. athlos, „Wettkampf“), die Kunst der Athleten, d. h. Ringer und Wettkämpfer, oft identifiziert mit Gymnastik, doch im strengen Sinn das handwerksmäßige, auf Geldgewinn durch Wettkämpfe abzielende Betreiben der gymnastischen Kunst. Bezog sich demnach die zuerst bei den Griechen aufgekommene A. auf das ganze Gebiet der Gymnastik (s. d.), so geht doch aus der gegebenen Definition hervor, daß die bei letzterer maßgebende Rücksicht auf die gleichmäßige Ausbildung des ganzen Körpers bei ihr zurücktrat und dem Streben nach Virtuosität in einer oder einzelnen Leistungen Platz machte. Insofern zeigt die A. die Ausartung der Gymnastik, aus der sie ursprünglich hervorgegangen, und mit der sie noch jahrhundertelang zusammen bestand, von den Einsichtigen ebenso getadelt und gering geschätzt, wie die Gymnastik gepriesen. Nicht mit Unrecht; denn während die letztere Körper und Geist in gleicher Weise belebte und stärkte, erstickte, wie Platon sagt, die A. die Wißbegierde, machte stumpfsinnig und war, da sie oft schon im Knabenalter betrieben wurde, der Entwickelung der Gestalt und dem gleichmäßigen Wachstum nachteilig. Die der A. vorzugsweise eignen Kämpfe, Pygme (s. d.) und Pankration (s. d.), erforderten eine gewaltige Muskelkraft und Körperschwere; beides wurde durch eine strenge, vom Aleipten (s. d.) angeordnete Diät und durch langes Schlafen erreicht. Die Masse von Lebensmitteln, welche die Athleten ihrem Körper zuführten, war enorm, so daß von dem Athleten Astydamas erzählt wird, er habe einst ein für neun Personen hergerichtetes opulentes Mahl ganz allein verspeist. Dem entsprechend waren auch die Leistungen, welche von ihnen vielfach erzählt werden. Polydamas aus Thessalien soll einen Löwen mit bloßen Händen erwürgt haben; derselbe, wie auch ein gewisser Keras aus Argos, soll den stärksten Stier so lange an einer Hinterklaue festgehalten haben, bis derselbe sich schließlich mit Gewalt losriß und die Klaue in der Hand des Athleten zurückließ. Trotz dieser außerordentlichen Körperkraft aber waren die Athleten Krankheiten leicht unterworfen; ihre gewaltige Fleischmasse machte ihnen die Hitze unerträglich, und wegen jeglichen Mangels an Fett waren sie nicht minder empfindlich gegen die Kälte. Die Lehrer der Athleten hießen Gymnasten. Nachdem sie bei diesen die nötige Geschicklichkeit erlangt, ihre Muskeln durch schwere Kraftübungen gestärkt hatten, zogen sie zu den Wettkämpfen bei den Spielen der Nation wie der einzelnen Staaten und erwarben sich dadurch oft erhebliche Summen. Hatte jemand bis zum 35. Jahr, in welchem man den Gipfel der Kraft erlangt zu haben glaubte, keinen Sieg errungen, so verließ er seinen Beruf, um Lehrer der A. oder Gymnastik zu werden, wozu sich auch vielfach ausgediente Athleten wandten. Trotz der Verkehrtheiten, welche die A. dem unbefangenen Blick zeigte, war dieselbe bei der großen Menge der Griechen hoch angesehen; glaubte man doch in ihr die Fortführung einer altehrwürdigen Tradition und in ihren Jüngern die rühmlichen Nachfolger eines Herakles und Theseus zu sehen. Bemerkenswert jedoch ist, daß Sparta, eben weil es vorzugsweise die kriegerische Tüchtigkeit in seinen Söhnen auszubilden suchte, in richtiger Beurteilung der A. derselben in seine Palästren und Gymnasien keinen Eingang gewährte und demnach in den spezifisch athletischen Kämpfen, der Pygme und dem Pankration, keine Olympiasieger aufzuweisen hatte. Von den Griechen kam die A. nach Rom, wo nach Livius die ersten Athleten 186 v. Chr. auftraten. Zur Zeit der Kaiser, unter denen die Athleten viele Vorrechte genossen und förmliche Zünfte bildeten, gehörten ihre Vorstellungen zu den üblichsten Volksbelustigungen, bis das zur Macht gelangende Christentum der A. im Altertum ein Ende machte. Ein Überbleibsel der alten A. scheint in England das jetzt noch eifrig geübte [1014] Boxen (s. d.) zu sein. Sonst kommen eigentliche Athleten nur noch einzeln auf Volksfesten, Messen und Jahrmärkten vor, wo sie sich meist in Ringkämpfen produzieren. Auch das Heben und Tragen schwerer Gewichte etc. gehört zum Handwerk solcher Athleten. – Bei der Schwierigkeit, die A. von der Gymnastik zu trennen, lassen sich auch nicht viele Bildwerke aus dem griechisch-römischen Altertum, welche Athleten darstellen, mit Sicherheit nachweisen. Eine Ausnahme macht das in den Caracalla-Thermen zu Rom gefundene, jetzt im Lateran daselbst befindliche Mosaik, welches unzweifelhaft Athleten mit massigen, stark aufgedunsenen Körperformen darstellt. Athletenstatuen[WS 1] scheinen auch zu sein: der Apoxyomenos (s. d.), der Ringer mit dem Ölfläschchen (in Dresden und im Palazzo Pitti zu Florenz), der Diskoswerfer (s. d.), der Faustkämpfer in Dresden und die Ringergruppe in Florenz. Vgl. Gymnastik.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Atheletenstatuen