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MKL1888:Autographensammlungen

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Autographensammlungen“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 2 (1885), Seite 170171
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Autographensammlungen. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 2, Seite 170–171. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Autographensammlungen (Version vom 30.11.2024)

[170] Autographensammlungen (hierzu zwei Tafeln: „Autographen berühmter Personen“), Sammlungen von Originalhandschriften als solchen. Dergleichen A. sind daher keine Archive oder Manuskriptsammlungen; doch wie es der Bibliothekar als eine erfreuliche Zugabe anzusehen hat, wenn das durch seinen Inhalt wertvolle Manuskript zugleich die Eigenschrift des Verfassers ist, so wird auch dem Autographensammler selten der Inhalt eines Papiers vollkommen gleichgültig sein. Obwohl Autographen nicht die Aufgabe haben, dem historischen Studium zu dienen, auch ihrer Natur nach nicht einen Kunstgenuß, wie Sammlungen von Bildwerken, oder einen Nutzen, wie naturhistorische Kabinette, gewähren können, so sind sie doch keineswegs als bloße Kuriositäten zu betrachten. Es hat einen eigentümlichen Reiz, dem geheimnisvollen Zusammenhang zwischen dem Charakter eines Menschen und seiner Handschrift nachzuspüren, und daß das häufige Bestehen eines solchen Zusammenhangs nicht in Abrede gestellt werden kann, beweist z. B. der bekannte Umstand, daß weibliche Handschriften von männlichen in der Regel leicht unterschieden werden können. Die Liebhaberei an Autographen kam Ende des 16. Jahrh. zuerst in Frankreich auf, und zwar pflegten diese Sammlungen damals vorzugsweise historische Aktenstücke, Gesandtschaftsberichte, Memoiren, Urkunden und Briefe berühmter Personen zu enthalten, wie sie auch vornehmlich zum Zweck der geschichtlichen Forschung und der Publizistik angelegt wurden. Die großartigste derartige Sammlung autographischen Materials von Anfang des Mittelalters an bis auf die neueste Zeit herab besitzt die öffentliche Bibliothek in Paris. Von Frankreich aus fand das Sammeln von Autographen zunächst in England, wo, abgesehen von zahlreichen Privatsammlungen, das Britische Museum eine auserlesene Sammlung birgt, und von da seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrh. auch in Deutschland Eingang, wo es besonders in den letzten Jahrzehnten sehr in Schwang kam. Infolge davon wurden die Autographen Gegenstand des Verkehrs, und es bildete sich der Autographenhandel zu einem besondern Gewerbszweig aus, welcher meist mit dem Antiquar-, Buch- und Kunsthandel verbunden ist. Der Ein- und Verkauf findet teils durch Auktionen, teils aus freier Hand, d. h. durch Kataloge mit fest bestimmten Preisen, statt. Der erste Versuch, eine von Richelieu herrührende Sammlung öffentlich zu versteigern, wurde 1801 zu Paris gemacht, während der erste Autographenkatalog, die Sammlung von Pixerécourt enthaltend, 1822 ebenfalls in Paris erschien. Im J. 1838 gründete Charon in Paris das erste Autographengeschäft, welches nach einiger Zeit Aug. Laverdet, dann Gabriel Charavay und nach dessen Tod sein Sohn Eugène Charavay übernahm. In Deutschland ward die erste Autographenauktion 1838 in Wien durch den Buchhändler Gräffer veranstaltet; ihr folgte 1843 die zweite, von T. O. Weigel in Leipzig bewerkstelligte. Im Lauf der Jahre hielt der letztere sowie auch Herm. Hartung in Leipzig noch mehrere Autographenauktionen ab, während sich seit 1864 List u. Francke in Leipzig diesem Geschäftszweig mit Eifer widmen. Die bedeutendsten Autographenhändler in Deutschland sind O. A. Schulz in Leipzig, L. Liepmannssohn, J. A. Stargardt, R. Zeune (A. Spitta) in Berlin. Im Ausland sind Etienne Charavay u. Eugène Charavay in Paris, Thibaudeau und John Waller in London, Arrigoni in Mailand und Burns and Son in New York zu nennen. Eine der bedeutendsten Sammlungen (mit verkäuflichen Dubletten) besitzt Wilhelm Künzel in Leipzig. Die große Nachfrage nach Autographen, besonders nach den Koryphäen der klassischen Epoche der deutschen Litteratur, hat auch zu Fälschungen Veranlassung gegeben; so wurde 1856 zu Weimar einem Architekten v. Gerstenberg der Prozeß gemacht, weil er Autographen Schillers in großer Anzahl angefertigt und verkauft hatte. Großes Aufsehen in ganz Europa erregten später die angeblichen Autographen von hervorragenden Männern fast aller Zeiten (seit Cäsar), die der französische Mathematiker Chasles (s. d.) erworben hatte und teilweise veröffentlichte, bis er 1869 zugestehen mußte, von einem Fälscher damit getäuscht worden zu sein. Zur Verifikation zweifelhafter Autographen dienen dem Sammler besonders Faksimiles, die durch Lithographie, Kupferstich oder Holzschnitt

[Beilage]

[Ξ]

Autographen berühmter Personen I.
Reformatoren, Engländer, Männer des Dreißigjährigen Kriegs, Gelehrte.

[Ξ]

Autographen berühmter Personen II.
Fürsten, Staatsmänner, Feldherren etc.

[Ξ]

Autographen berühmter Personen III.
Deutsche Schriftsteller und Gelehrte.

[Ξ]

Autographen berühmter Personen IV.
Musiker; englische, französische und deutsche Schriftsteller.

[171] vervielfältigt und in besondern Werken zusammengestellt sind. Das bedeutendste derselben ist die 1843 in Paris erschienene „Isographie des hommes célèbres“ (4 Bde.). Von deutschen Werken sind zu erwähnen: Dorows „Faksimiles von Handschriften“ (Berl. 1836); Weigels „Autographen-Prachtalbum“ (Dreißigjähriger Krieg, Leipz. 1848); „Sammlung historisch berühmter Autographen“ (Stuttg. 1845); Schlottmanns „Deutsches Stammbuch“ (3. Aufl., Leipz. 1858); „Geliebte Schatten“, herausgegeben von Götz (Mannh. 1858); für die Gegenwart das vom „Deutschen Familienblatt“ veröffentlichte „Selbstschriftenalbum des Deutschen Reichs“ („Aus Sturm und Not“, Berl. 1881) und „Deutsche Dichter und Denker der Gegenwart“ (hrsg. von Wasmuth, das. 1885). Eine kleinere Sammlung bieten unsre beiden Tafeln. – Anweisungen für Sammler geben Fontaines „Manuel de l’amateur d’autographes“ (Par. 1836) und Günther und Schulz’ „Handbuch für Autographensammler“ (Leipz. 1856), letzteres mit Angabe der damaligen Durchschnittspreise auf Auktionen. In diese Rubrik ist auch die von Etienne Charavay in Paris seit 1862 herausgegebene Zeitschrift „L’amateur d’autographes“, ferner Eugène Charavays „Revue des autographes“ zu rechnen, welchen sich seit 1884 die bei List u. Francke in Leipzig erscheinende Monatsschrift „Mitteilungen für Autographensammler“, herausgegeben von Fischer v. Röslerstamm, anreiht. – Bei der Bestimmung des materiellen Werts der Autographen kommen verschiedene Gesichtspunkte in Betracht. Die hauptsächlichsten derselben sind zunächst das Interesse an der schreibenden Person und der mehr oder minder interessante Inhalt des Schriftstücks; ferner das seltenere oder häufigere Vorkommen von Autographen der betreffenden Persönlichkeit sowie die mehr oder minder gute Erhaltung der Handschriften. Von großer Wichtigkeit ist, ob das Schriftstück ganz eigenhändig geschrieben, mit voller Unterschrift, Datum und Adresse versehen, oder ob dasselbe von andrer Hand ausgefertigt und nur die Unterschrift eigenhändig ist. Groß ist die Verschiedenheit in der Anlage von A.; während manche Sammler soviel wie möglich alle Namen berühmter Persönlichkeiten zu vereinigen suchen, beschränken sich andre auf bestimmte Geschichtsepochen, auf einzelne Nationen oder auf bestimmte Berufskreise und Gebiete der menschlichen Geistesthätigkeit. In neuerer Zeit werden mit Vorliebe die Autographen von Künstlern gesammelt. Ebenso werden interessante eigenhändige Briefe historisch bedeutender Fürsten, Feldherren und Staatsmänner, namentlich der neuern Zeit, stets gesucht und hoch bezahlt.