MKL1888:Bluterkrankheit

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Bluterkrankheit“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 3 (1886), Seite 8283
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Bluterkrankheit. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 3, Seite 82–83. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Bluterkrankheit (Version vom 31.10.2022)

[82] Bluterkrankheit (Blutsucht, Haemorrhaphilia), eigentümliche Krankheitsanlage, welche darin besteht, daß auf die geringste Veranlassung ungewöhnlich lange und hartnäckige Blutungen eintreten, so daß sonst ganz unerhebliche und oberflächliche Verletzungen einen Blutverlust herbeiführen, der bis zur Lebensgefahr andauert und fast allen Mitteln trotzt. Ein kleiner Stich, das Ausziehen eines Zahns, namentlich gerissene Wunden, bluten unaufhaltsam, und Verletzungen am Kopf, an den Lippen, an den Fingerspitzen scheinen besonders gefährlich zu sein. Oft entstehen auch spontan Blutungen (Nasenbluten), und die Menstruation gibt zu heftigen Blutverlusten Veranlassung. Das Blut kann auch im Innern der Gewebe austreten, so daß eine Menge durch alle Organe des Körpers zerstreuter Blutflecke erscheint. In der Regel sind solche Blutaustretungen Folge leichter äußerer Einwirkungen, und es sind Fälle bekannt, wo ein längerer Druck eines Teils, z. B. des Gesäßes beim Sitzen, blaue Flecke hinterließ. Was die Ursache dieser außerordentlich großen Neigung zur Zerreißung der Gefäße sei, ist noch nicht aufgeklärt; zuweilen liegt mangelhafte Bildung des Gefäßapparats (Chlorose), zuweilen Klappenfehler des Herzens zu Grunde. In der Regel ist die B. angeboren und vererbt sich von Geschlecht zu Geschlecht, so daß oft ganze Familien daran leiden. Es sollen jedoch vorzugsweise die männlichen Glieder der Familien dazu disponiert sein. In den Entwickelungsperioden soll die Neigung zur B. sich steigern, im höhern Lebensalter verliert sich allmählich die Neigung zu derselben, so daß auch größere Operationen günstig verlaufen; man hat jedoch auch Greise von 70 Jahren noch infolge derselben sterben sehen. Im allgemeinen besteht die Befürchtung, daß die mit der B. Behafteten kein hohes Alter erreichen; die meisten Bluter sterben schon als Kinder an Verblutung. Am gefährlichsten sind immer die Blutungen in der frühsten Lebensperiode, bei Neugebornen aus den Nabelgefäßen und später aus der Nase. In einigen Fällen kamen unstillbare Blutungen aus ganz unbedeutenden Wunden dadurch zum Stillstand, daß man die Wunde mit dem Messer ausgiebig erweiterte. Die Behandlung der B. richtet sich auf das Fernhalten aufregender Affekte, Vermeidung schwerer Getränke, Sorge für geregelte, leichte Diät; kühlende Mittel, wie Weinsteinsäure, Tamarinden und leicht abführende Salze, namentlich Glaubersalz und Bittersalz, wirken sehr wohlthätig. Es versteht sich von selbst, daß bei der B. alle Blutentziehungen und auch alle [83] kleinern Operationen womöglich vermieden werden müssen (s. Blutung). Vgl. Grandidier, Die Hämophilie oder B. (2. Aufl., Leipz. 1877).