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MKL1888:Bogen

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Bogen“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 3 (1886), Seite 124126
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Wiktionary: Bogen
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Bogen. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 3, Seite 124–126. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Bogen (Version vom 16.07.2024)

[124] Bogen, in der Geometrie ein Teil einer krummen Linie, besonders einer Kreislinie. Derselbe ist stets größer als die seine Endpunkte verbindende gerade Linie oder Sehne. Über den Kreisbogen vgl. Kreis.

In der Baukunst bezeichnet B. meist die Linie, nach welcher ein Überbau ausgeführt wird. Man unterscheidet den Bogenscheitel als den höchsten, den Bogenfuß als den tiefsten und den Bogenschenkel als den mittlern, zwischen beiden gelegenen Teil des Bogens. Steinerne B. werden gewölbt, hölzerne meist aus gebogenen Bohlen oder Balken, selten aus krumm behauenen Balken gebildet. B. aus Gußeisen werden meist aus einzelnen unter sich verschraubten Platten, solche aus Walzeisen meist aus einzelnen unter sich vernieteten Blechplatten und Profileisen zusammengesetzt. Bei den gewölbten B. (Mauerbogen) unterscheidet man den an deren Fuß befindlichen Bogenkämpfer, welcher dem schrägen, nach außen gerichteten Druck des Bogens zu widerstehen hat, und den an dessen Scheitel befindlichen Bogenschluß oder den Schlußstein, durch welchen die beiden Schenkel des Bogens zu Einem Gewölbebogen verbunden werden. Erhalten die Brücken steinerne, hölzerne oder eiserne B. zur Unterstützung ihrer Brückenbahn von unten, so nennt man sie Bogenbrücken und die Überbaue ihrer einzelnen Öffnungen Brückenbogen. Nach Ort und Zweck sind die B. Tragbogen, wenn sie zur Unterstützung einer Last dienen; Entlastungsbogen, wenn sie den Druck, z. B. auf einen Architrav, vermindern; Gurtbogen, wenn sie den Druck der Gurte (Längen- und Quergurte) von Gewölben zu übertragen haben; Gratbogen, wenn sie durch erhabene Kanten von sich durchsetzenden Gewölben, z. B. von Kreuzgewölben, Schildbogen, wenn sie durch den Schnitt von Gewölben und lotrechten Mauern, z. B. den Umfangsmauern, gebildet werden; Strebebogen, wenn sie, wie in der gotischen Baukunst [125] (s. Tafel „Kölner Dom II“, Fig. 4 u. 8), einseitig ansteigen und höhern Pfeilern zur Stütze dienen, und Erd- oder Grundbogen, wenn sie einzelne Gebäudepfeiler zu verbinden und dadurch deren Belastung auf eine größere Fläche des Baugrundes zu verteilen haben. Man unterscheidet als Hauptbogenformen zunächst Rundbogen und Spitzbogen. Die Rundbogen werden entweder so konstruiert, daß die Bogenlinie von einem und demselben Mittelpunkt aus, oder so, daß sie in ihren einzelnen Stücken von mehreren (3–11) Mittelpunkten aus beschrieben wird. Im ersten Fall entsteht entweder ein Zirkelbogen (voller, römischer B., Fig. 1), wenn ein voller Halbkreis, oder ein Stichbogen (Fig. 2 u. 3), wenn ein kleinerer B. gewählt wird, wobei man wieder den flachen (Fig. 2) und hohen Stichbogen (Fig. 3) unterscheidet; im zweiten Fall ein Korbbogen (Fig. 6), welcher aus drei oder mehreren Teilen eines Kreisbogens mit ab- oder zunehmenden Durchmessern gebildet und, wie in Fig. 6, 7 und 8, verschieden konstruiert wird; den letztern verwandt ist der elliptische B. Ein Spitzbogen (Fig. 4 u. 5) entsteht, wenn ein gebrochener B. gewählt wird, wobei man den flachen (Fig. 4), worin eh kleiner als ef, höchstens eg = ef, und erhöhten Spitzbogen (Fig. 5) unterscheidet. Nähert sich die Bogenlinie so sehr der Geraden, daß auf die Bogenformen nur aus der Richtung der Steinfugen zu schließen ist, so heißt der B. scheitrecht (Fig. 15). Nach der Verschiedenheit der Wölbungslinie werden unterschieden: der unterhöhte (flache, gedrückte) B., dessen Höhe, d. h. der Abstand des Scheitels von der Grundlinie, weniger als die Hälfte der Weite, und der überhöhte (gestelzte, gebürstete) B., dessen Höhe mehr als die Hälfte der Weite beträgt. Andre B. sind der Kettenbogen, welcher nach der Linie einer an beiden Enden aufgehängten Kette gebildet ist, der gedrückte Spitzbogen (Tudorbogen, Fig. 9), der einhüftige B. (Fig. 10 u. 11), der maurische Hufeisen- und Kielbogen (Fig. 12 u. 18), von denen jener ein über die Halbkreislinie fortgeführter, nach unten sich wieder verengernder Rundbogen, dieser eine Art Spitzbogen mit in doppelter Krümmung ausgeschweiften Schenkeln, und der Hufeisenspitzbogen (Fig. 14), welcher ein sich nach unten verengernder Spitzbogen ist. Letztere beiden Bogenformen haben weniger konstruktive als ornamentale Bedeutung. An Treppenbauten kommt der aufsteigende B. (Fig. 10 u. 11) in Anwendung; beim abschüssigen B. sind die Widerlager von ungleicher Höhe; beim verschobenen B. endlich bildet die innere Fläche mit der äußern einen schiefen Winkel. Bei Brückengewölben mit gerade abgeglichener, entweder von beiden Seiten nach der Mitte steigender oder wagerechter Brückenbahn entsteht als Gleichgewichtskurve der Klinoidenbogen, der am Scheitel flach abgerundet ist, und dessen Schenkel nach dem Bogenfuß hin eine fast gerade Form und eine stets mehr oder minder geneigte, aber nie lotrechte Lage annehmen. Der Spitzbogen entsteht, indem man aus den Endpunkten e und f (Fig. 4) der Widerlager mit einem Radius, welcher größer ist als die halbe Entfernung zwischen beiden genannten Punkten, Kreise beschreibt, welche einander schneiden müssen, ehe jeder die Größe eines Viertelkreises erreicht hat. Der Spitzbogen besteht demnach aus zwei Kreissegmenten von beliebig großen Radien und kann zu beliebiger Steilheit emporgeführt werden. Der Spitzbogen hat in formeller Beziehung vor dem Rundbogen den Vorzug,

1. Römischer B. 2. Flacher Stichbogen. 3. Hoher Stichbogen.
4. Flacher Spitzbogen. 5. Erhöhter Spitzbogen. 6. Gedr. B., Korbbogen.
7. 8. Gedrückte Bogen, Rathebogen. 9. Tudorbogen.
10. 11. Ansteigende oder einhüftige Bogen. 12. Hufeisenbogen.
13. Eselsrückenbogen. 14. Hufeisenspitzbogen. 15. Scheitrechter B.
16. Sternbogen. 17. Karniesbogen. 18. Kielbogen.
19. Gerader Kleebogen, Kragsturzbogen. 20. Sternkleebogen.
21. 22. 23. Runde Klee- oder Nasenbogen, Fächerbogen.
24. 25. 26. Oben gespitze Kleebogen, Eselsrücken mit Nasen.
27. Nasenbesetzter Rundbogen. 28. Nasenbesetzter Spitzbogen. 29. Nasenbesetzter Eselsrückenbogen.

[126] daß man mittels desselben verschiedene Dimensionen in gleicher Höhe überspannen kann, indem man ihn bei kleinern steiler, bei größern flacher konstruiert. Auch für die ästhetische Ausbildung der architektonischen Formen sind die B. von höchster Wichtigkeit, indem sie den einzelnen seit der Bekanntschaft mit dem Wölben entstandenen Stilen ein verschiedenes Gepräge geben. So zeigen die Gewölbebauten des römischen, altchristlichen und romanischen Stils sowie deren verschiedene Ausläufer im Morgen- und Abendland vorwiegend den Rundbogen, während diejenigen des gotischen Stils und seine Ausläufer im Süden und Norden vorzugsweise den Spitzbogen zur Anwendung bringen. Zusammengesetzte B. verschiedener Baustile zeigen die Figuren 12–29, worunter der in Fig. 15 dargestellte vermittelte scheitrechte B. der modernen, der Kielbogen (Fig. 18) der maurischen, der Karniesbogen (Fig. 17) der zopfigen, der Sternbogen (Fig. 16 u. 20) sowie Kragsturzbogen (Fig. 19) der gotischen Architektur angehören. Die in Fig. 21, 22 und 23 dargestellten Kleebogen haben vorzugsweise in dem romanischen, die in Fig. 24–29 dargestellten Nasenbogen besonders in dem gotischen Stil Anwendung gefunden, und zwar gehört der in Fig. 28 dargestellte Nasenbogen der besten, der in Fig. 13 u. 29 enthaltene sogen. Eselsrückenbogen der bereits ausgearteten Periode dieses Stils an.

Bogen. In der Notenschrift unterscheidet man zunächst den zwei auf derselben Stufe unmittelbar aufeinander folgende Noten verbindenden B., welcher andeutet, daß die zweite dieser beiden Noten nicht von neuem angeschlagen, sondern, mit der ersten ununterbrochen fortklingend, zusammengezogen werden soll (Haltebogen). Ein B. über oder unter Noten auf verschiedenen Stufen zeigt an, daß diese Noten legato vorgetragen, d. h. streng miteinander verbunden oder geschleift, werden sollen (Bindebogen, Legatobogen). Ein B. über oder unter Noten, die zugleich das Zeichen des Staccato haben, bedeutet, daß diese Töne nicht gebunden, aber auch nicht abgestoßen, sondern ziemlich lang gehalten und nur leicht abgesetzt werden sollen (non legato, Halbstaccato, Portament). Die Notierung für Streichinstrumente überspannt die Noten mit einem B., welche mit demselben Bogenstrich gespielt werden sollen (s. Bogenführung); diese B. enden meist mit dem Taktstrich oder der Takthälfte, und es ist anzunehmen, daß die große Zahl sinnwidriger B. der Klaviermusik darauf zurückzuführen ist, daß die Komponisten gewohnheitsmäßig die B. setzten wie für Streichinstrumente. Neuerdings ist man bestrebt, den B. zugleich als Zeichen der motivischen Gliederung anzuwenden (Phrasierungsbogen).

Als musikalisches Instrument bedeutet B. (ital. Arco, franz. Archet) dasjenige Werkzeug, mit dem die Saiten der Geigeninstrumente gespielt werden; dasselbe ist aus sehr hartem Holz (Schlangenholz, Brasilienholz, Pernambukholz) gefertigt, mit Pferdehaaren bezogen, die mittels eines Gewindes am Griffende (Frosch) straffer gezogen werden können und vor dem Spiel mit Kolophonium bestrichen werden. Die Vorschriften „a punto d’arco“ (mit der Bogenspitze) und „am Frosch“ fordern jene ein besonders leichtes, diese ein hartes Spiel. Endlich heißen B. auch die Einsatzstücke für die Schallröhre der Wald- und Ventilhörner, welche den Stimmungston verändern, so daß aus einem F-Horn ein B-Horn gemacht werden kann etc.

Bogen, eine Waffe, mit welcher Pfeile abgeschossen werden. Sie ist aus elastischen Stoffen, aus Ahorn- oder Eibenholz, Fischbein, Horn, zwei Antilopenhörnern (Griechen, Fig. 1), mehr oder minder

Fig. 1.
Griechischer Bogen.

halbmondförmig gefertigt, zwischen den beiden Enden ist eine Sehne aus Pflanzenfasern oder Tiersehnen (Bogensehne) straff ausgespannt. Unter den alten Völkern haben sich die Thraker, Kreter, Kureten, Parther, Numidier und Skythen (Fig. 2), unter den neuern die Engländer als Bogenschützen (Bogner) ausgezeichnet. Bei den Griechen waren die Bogenschützen nie geachtet, sie führten daher, wie die Römer, nicht selbst den B., sondern bedienten sich hierzu der Hilfstruppen. Da Mohammed den Gebrauch des Bogens zur Religionspflicht erhob, so waren Türken, Perser und Araber vorzügliche Bogenschützen. Wie der B. bei allen Völkern auf den ersten Kulturstufen eine Hauptwaffe ist, so ist er es noch jetzt bei den Völkern Inneramerikas, Afrikas und Ozeaniens.

Fig. 2.
Skythischer Bogen.
Fig. 3. Fig. 4.
Köcher.

Im Mittelalter waren die englischen Bogenschützen sehr berühmt; ihr B. war 1,8, der deutsche 1,2, der italienische 1,5 m lang, erstere beiden vorzugsweise aus Eibenholz, letzterer aus Stahl gefertigt. Der Pfeil, aus Eschen- oder Tannenholz, war bis 0,9 m lang und dessen Spitze nicht nur bei manchen Wilden, sondern auch häufig bei europäischen Völkern vergiftet. Der an der rechten Schulter oder am Gürtel getragene Köcher (Fig. 3 u. 4) enthielt 12–14 Pfeile, die bis 200 Schritt noch von tödlicher Wirkung waren. Armbrust und Feuerwaffen verdrängten den B., der aber, z. B. in England, noch bis Ende des 17. Jahrh. im Gebrauch blieb; vgl. Archers. Über prähistorische B. s. Moorfunde.

Bogen, Marktflecken in Niederbayern, am linken Ufer der Donau, nordöstlich von Straubing, Sitz eines Bezirksamtes und eines Amtsgerichts, mit besuchten Viehmärkten und (1880) 1401 Einw.; große Ziegelei im nahen Bogenberg. Die Pfarrkirche auf dem Bogenberg enthält ein steinernes Marienbild, zu dem eifrig gewallfahrtet wird. B. war ehedem Sitz der Grafen von B., welche 1242 ausstarben, worauf die Grafschaft mit Unterviechtach, Milterfels und Deggendorf an Bayern fiel.