MKL1888:Cykloide

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Cykloide“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 4 (1886), Seite 381382
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Cykloide. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 4, Seite 381–382. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Cykloide (Version vom 06.06.2021)

[381] Cykloide (griech., „Radlinie“), die ebene Kurve, welche ein Punkt auf dem Umfang eines Kreises beschreibt, wenn letzterer, ohne zu gleiten, auf einer geraden Linie, der Basis, hinrollt. Zur Veranschaulichung

Fig. 1. Fig. 2.

dient die Fig. 1, wo O, O1, O2, O3 … die verschiedenen Lagen sind, welche der Kreismittelpunkt nach Ablauf von je 1/8-Umdrehung einnimmt; A, A1, A2, A3 … sind die entsprechenden Lagen des Punktes, der die C. beschreibt. Wie die Figur zeigt, steigt die Kurve anfangs auf und erreicht ihren höchsten Punkt A4, wenn der Kreis eine halbe Umdrehung gemacht hat; dann steigt sie wieder ab, beständig ihre hohle Seite nach unten kehrend, und erreicht in A8 wieder die Basis, wobei AA8 gleich dem Kreisumfang ist. Von da beginnt wieder ein Kurvenstück, das dem frühern gleich ist. Wo diese Kurvenstücke zusammenstoßen, wie bei A8, entstehen Spitzen. Ist a der Halbmesser des Kreises, und rechnet man die Abscisse x von A aus auf der Basis AA8, die Ordinate y senkrecht dazu, so ist , , wobei φ den Winkel bedeutet, um welchen sich der Kreis gedreht hat (Wälzungswinkel). Die ganze Länge des Bogens von A bis A8 ist , die Fläche zwischen ihm und der Basis AA8 , also gleich der dreifachen Kreisfläche. Die bisher besprochene Kurve heißt eine gemeine C. Dagegen beschreibt ein Punkt B, der im Innern des Kreises auf dem Radius OA in dem Abstand OB = b vom Mittelpunkt liegt, bei der Bewegung des Kreises eine geschweifte oder gedehnte C., die in Fig. 1 durch die Folge der Punkte B, B1, B2, B3 … angegeben ist. Dieselbe kehrt, wie man sieht, in der Nähe von B und B8 ihre hohle Seite nach oben, sonst aber nach unten. Ein [382] Punkt C endlich, der auf der Verlängerung des Radius OA liegt, beschreibt eine verkürzte oder verschlungene C., C, C1, C2, C3 …, die um A und A8 Schleifen bildet. Die Gleichungen der gedehnten und der verkürzten C. sind , , wenn sowohl OB als OC mit b bezeichnet sind. Erfolgt die Bewegung des Kreises nicht auf einer geraden Linie, sondern auf der Außenseite eines festen Kreises, so beschreibt ein Punkt A auf der Peripherie des erstern eine Epicykloide; vgl. Fig. 2, wo der feste und der bewegliche Kreis gleich groß sind, O, O1, O2, O3 … die verschiedenen Lagen vom Mittelpunkt des letztern und A, A1, A2, A3 … die zugehörigen Lagen von A sind. Bewegt sich aber der Kreis auf der Innenseite eines festen Kreises, so beschreibt ein Punkt seiner Peripherie eine Hypocykloide. Ein Punkt auf der Innenseite des rollenden Kreises gibt eine gedehnte, ein Punkt auf der Außenseite eine verkürzte Epicykloide, beziehentlich Hypocykloide. Gefährtin (socia, comes) der C. heißt eine Kurve, bei welcher die Abscissen gleich denen des Mittelpunkts des Wälzungskreises, die Ordinaten aber gleich denen der zugehörigen Punkte der gemeinen C. sind; sie hat also die Gleichungen , . Die gemeine C. hat zahlreiche von Galilei und andern Mathematikern des 17. Jahrh. entdeckte merkwürdige Eigenschaften. Sie ist Brachistochrone (s. d.) und auch Tautochrone oder Isochrone, d. h. ein schwerer Punkt, der auf einer die hohle Seite nach oben kehrenden, in einer vertikalen Ebene gelegenen C. bis zum Scheitel herabfällt, braucht dazu immer dieselbe Zeit, in welchem Punkt er auch seine Bewegung beginnt. Huyghens’ Versuch, diese Eigenschaft beim Uhrpendel zu benutzen (Cykloidenpendel), ist indessen erfolglos geblieben.