MKL1888:Cypresse

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Cypresse“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 4 (1886), Seite 387388
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Cypresse. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 4, Seite 387–388. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Cypresse (Version vom 15.09.2022)

[387] Cypresse (Cupressus Tourn.), Gattung aus der Familie der Koniferen, immergrüne Bäume oder Sträucher mit zerstreuten oder gebüschelten, abstehenden oder aufrechten Ästen, von den Blättern allseitig bedeckten, häufig vierkantigen Zweigen, dekussierten, vierreihig dachziegeligen, mit der größern untern Hälfte angewachsenen, mit der schuppenförmigen Spitze freien, auf dem Rücken meist mit einer Öldrüse versehenen Blättern, monözischen Blüten auf verschiedenen Ästen und rundlichen Zapfen mit geflügelten Samen. Elf Arten in den wärmern Gebieten der nördlichen Hemisphäre, besonders in den Gebirgen von Persien, Ostindien, China, Mexiko und Kalifornien. Die immergrüne (gemeine) C. (C. sempervirens L.), ein Baum aus dem wärmern Persien, vielleicht auch aus dem Himalaja, seit sehr langer Zeit in Südeuropa, Kleinasien, Nordafrika eingeführt, wird 30 m hoch und ähnelt im Wuchs der italienischen Pappel; doch kultiviert man außer der säulenförmig (fälschlich pyramidenförmig genannt) wachsenden Hauptform noch eine mit ziemlich wagerecht stehenden Ästen, welche eine wirkliche Pyramide bildet (C. horizontalis Mill.). Junge Cypressen gedeihen nicht im südwestlichen Deutschland. Der Baum gelangte aus seiner Heimat im Gefolge des iranischen Lichtdienstes weiter nach Westen; in der schlanken, obeliskenartigen Gestalt der C. schaute die Zendreligion das Bild der heiligen Feuerflamme, und durch ganz Iran prangte sie in alten Exemplaren vor den [388] Feuertempeln und in den Höfen der Paläste. Mit den ältesten assyrisch-babylonischen Eroberungszügen war sie in die Länder des aramäisch-kanaanitischen Stammes gelangt, auf den Libanon, nach Cypern, und ward auch hier ein heiliger Baum. Bei den Phönikern gewann der Baum auch technisch-praktischen Wert und behielt ihn durch das ganze griechische und römische Altertum. Das harte, duftende, mit angenehmem Geruch verbrennende Holz galt für unvergänglich und unzerstörbar; aus Cypressenstämmen bauten die Phöniker ihre Handelsschiffe; das Holz diente bei Griechen und Römern zu Tempelthüren, Gedenktafeln, Särgen, Götterbildern, und wegen dieser Verwendung ward die C. allgemein verbreitet. Homer kennt bereits ihr Holz; Cypressenhaine finden sich häufig erwähnt. Weit später kam die C. nach Italien und galt nun auch hier in orientalischer Weise als Symbol der Trauer; zur Zeit des Augustus wurden schon allgemein Leichenaltar und Scheiterhaufen mit Cypressenzweigen umsteckt. Aber bei aller Pflege gedieh die C. in Italien doch weniger als im Orient, und Cypressenhaine finden sich in Italien nirgends. Berühmt sind die von zahllosen hohen Cypressen beschatteten Kirchhöfe der Türken auf der asiatischen Seite von Konstantinopel. Die Alpen hat die C. nicht überstiegen. Holz und Früchte der C. waren ehemals offizinell, und in duftende Cypressenwälder schicken arabische Ärzte die Brustkranken. Die großfrüchtige C. (C. macrocarpa Hartw.), ein 18 mhoher Baum aus Kalifornien, mit breiter, etwas pyramidenförmiger, ziemlich geschlossener Krone und Beerenzapfen von 2,6 cm Durchmesser, gedeiht noch bei Metz sehr gut. Die C. von Goa (blaugrüne C., C. pendula L’Hérit.), baumartig, mit verlängerten, oft überhängenden Nebenästen, bildet eine ziemlich durchsichtige, hell blaugrüne Pyramide und trägt kleine Beerenzapfen, stammt wahrscheinlich aus Mexiko. Die Weihrauchcypresse (C. thurifera H. B. K.), ein hoher Baum mit abstehenden Haupt- und Nebenästen, gleicht erwachsen einem Lebensbaum, hat kleine Beerenzapfen, stammt aus den höhern Terrassen Mexikos und schwitzt ein wohlriechendes, dort wie Weihrauch benutztes Harz aus. Die Trauercypresse (C. funebris Endl., C. pendula Staunt.), ein ziemlich hoher Baum mit länglicher Krone, überhängenden Ästen und meist etwas länglichen Beerenzapfen, aus Japan und China, wird in der Heimat auf Gräber gepflanzt. Bei den Lebensbaumcypressen (Chamaecyparis Spach) stehen die letzten Verästelungen stets flach und blattartig, und die Beerenzapfen reifen im ersten Jahr (bei den echten Cypressen erst im zweiten). Die Zedercypresse (weiße Zeder, C. Thyoides L., Chamaecyparis sphaeroidea Spach), ein hoher Baum mit nicht geschlossener Krone, abgestumpft blau- oder graugrünen Nadeln und rundlichen, bereiften Beerenzapfen, in Nordamerika, südlich bis Carolina, gedeiht auch bei uns und wird in mehreren Varietäten kultiviert. Das Holz kommt als weißes Zedernholz im Handel vor. C. Lawsoniana A. Murr., ein bis 30 m hoher Baum mit pyramidenförmiger, dunkel- und mattgrüner Krone und rundlichen, bereiften Beerenzapfen, aus dem westlichen Nordamerika, eine der besten neuern Erwerbungen unsrer Gärten, wächst schnell, wird aber bei uns nicht hoch. Als C. bezeichnet man häufig auch den Lebensbaum, Thuja occidentalis, als virginische C. Taxodium distichum, als Gartencypresse oder unechte C. Santolina Chamaecyparissus.