MKL1888:Daru

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Daru“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 4 (1886), Seite 562
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  1. Pierre Daru
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Daru. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 4, Seite 562. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Daru (Version vom 22.11.2023)

[562] Daru (spr. -rü), 1) Pierre Antoine Noël Bruno, Graf, franz. Finanzmann, Dichter und Geschichtschreiber, geb. 12. Jan. 1767 zu Montpellier, trat im 16. Jahr in den Militärdienst und war Kriegskommissar, als er sich 1789 der Revolution anschloß. 1793 als verdächtig verhaftet, erhielt er erst 9. Thermidor seine Freiheit, nicht aber seine Stelle wieder. 1795 ward er Chef einer Abteilung im Kriegsministerium und bald darauf Chef der Intendantur bei der Donauarmee. Während dieser Geschäftsführung vollendete er seine vortreffliche Übersetzung des Horaz („Traduction en vers des poésies d’Horace“, Par. 1800; 6. Aufl. 1823, 2 Bde.), die seinen litterarischen Ruf begründete. Napoleon I. benutzte ihn bei der Kriegsverwaltung und zu immer wichtigern Geschäften, erhob ihn in den Grafenstand und ernannte ihn zum Minister und Bevollmächtigten bei den Friedensschlüssen von Preßburg, Tilsit und Wien. 1805, 1807 und 1809 war er Generalintendant in Preußen und Österreich. 1811 ward er Staatssekretär und bekämpfte im Ministerkonseil Napoleons Eroberungspläne. Nach der Restauration teilte er anfangs mit andern Anhängern Napoleons das Los der Zurücksetzung, ward aber 1818 zum Pair ernannt und stimmte nun im Sinn der gemäßigten Partei. Seit 1828 Mitglied der Akademie der Wissenschaften, starb er 5. Sept. 1829 auf seinem Landsitz Becheville bei Meulan. Seine „Cléopédie, ou théorie des réputations littéraires“ (Par. 1800) ist ein Gedicht voll Geist und feiner Wendungen. Sein Hauptwerk ist jedoch die „Histoire de la république de Venise“ (Par. 1819, 7 Bde.; 4. Aufl. 1853, 9 Bde.; deutsch von Ruprecht, Leipz. 1854, 4 Bde.). Minder anziehend und gründlich ist die „Histoire des ducs de Bretagne“ (4. Aufl., Par. 1828, 4 Bde.; deutsch von Schubert, Leipz. 1831, 2 Bde.). Ein nachgelassenes didaktisches Gedicht, „L’astronomie“ (Par. 1836), gehört zu Darus besten poetischen Leistungen.

2) Martial Noël Pierre, Graf, Bruder des vorigen, geb. 2. Juli 1774, war ebenfalls einer der treuesten Anhänger Napoleons I., unter dem er mehrere militärische und administrative Ämter bekleidete, namentlich als Armeeintendant thätig war. Er starb 18. Juli 1827. – Sein Sohn Charles Martial, Graf D., geb. 14. April 1816, hat sich als Schriftsteller im Fach der Rechtsgelehrsamkeit und Nationalökonomie einen Namen gemacht.

3) Napoléon, Graf, Sohn von D. 1), geb. 11. Juni 1807 zu Paris, besuchte die polytechnische Schule, trat in die Artillerie ein und nahm 1847 als Kapitän seinen Abschied. Seit 1832 Mitglied der Pairskammer, war er ein eifriger Anhänger des Julikönigtums und beteiligte sich namentlich an der Erörterung volkswirtschaftlicher Fragen. Nach der Februarrevolution war er Vertreter des Departements Manche, wo er reichen Grundbesitz hat, in der Nationalversammlung und schloß sich den gemäßigten Republikanern an. Wegen seines Protestes gegen den Staatsstreich vom 2. Dez. 1851 ward er auf kurze Zeit verhaftet und lebte dann in Zurückgezogenheit, aus der er erst 1869 bei den allgemeinen Wahlen heraustrat; er siegte als konservativ-liberaler Kandidat über den offiziellen Kandidaten de Tocqueville. Er gehörte zu den Führern der neuen liberalen Mittelpartei und war Haupturheber der Interpellation der 116, welche die Einführung des parlamentarischen Systems verlangten. Anfang 1870 trat er in das Ministerium Ollivier als Minister des Äußern und zeigte sich als entschiedenen Gegner der Kurie beim vatikanischen Konzil. Als er bemerkte, daß Napoleon III. durch die Veranstaltung des Plebiszits sich die Rückkehr zum frühern Absolutismus ermöglichen wollte, reichte er mit Buffet 13. April seine Entlassung ein und zog sich ins Privatleben zurück, aus dem er erst nach Beendigung des deutsch-französischen Kriegs wieder hervortrat, indem er 1871 zum Mitglied der Nationalversammlung gewählt wurde. Er saß hier im rechten Zentrum und gehörte zur monarchistischen Partei. Seit 1876 Senator, wurde er dieser politischen Richtung wegen 1879 nicht wieder gewählt. D. ist seit August 1860 Mitglied der Akademie für moralische und politische Wissenschaften. Er schrieb: „Le comte Beugnot“ (1865).


Jahres-Supplement 1890–1891
Band 18 (1891), Seite 181
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[181] Daru, 3) Napoléon, Graf, seit 1879 vom politischen Leben zurückgetreten, starb 19. Febr. 1890.