MKL1888:Delille

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Delille“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 4 (1886), Seite 644
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Delille. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 4, Seite 644. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Delille (Version vom 07.06.2021)

[644] Delille (spr. dö̆lihl), Jacques, franz. Dichter, geb. 22. Juni 1738 zu Aigue-Perse in der Auvergne als der natürliche Sohn des Advokaten Montanier, erhielt im Collège Lisieux zu Paris eine vorzügliche Schulbildung und wurde Lehrer an den Gymnasien von Beauvais und Amiens, dann in Paris. Schon früh bewies er ein großes poetisches Talent, berühmt aber wurde er erst 1769 durch seine Übersetzung von Vergils „Georgica“. Die ganze litterarische Welt, besonders Voltaire, verherrlichte den Dichter. 1772 wurde er in die Akademie gewählt, seine Aufnahme verzögerte sich aber wegen seiner Jugend bis 1774. Nachdem er seine Lehrthätigkeit mit einer Professur der lateinischen Poesie am Collège de France vertauscht hatte, erschien 1782 sein erstes größeres Originalwerk, das Lehrgedicht „Les jardins, ou l’art d’embellir les paysages“, mit welchem er einen großen Erfolg errang, besonders da er zugleich ein vorzüglicher Vorleser war. Nach seiner Rückkehr von einer Reise nach Konstantinopel, wohin er den französischen Gesandten Grafen von Choiseul-Gouffier begleitete, fand er seine Lage durch die Revolution vollständig verändert; er behielt zwar seine Freiheit, verlor aber seine Einkünfte von 30,000 Frank aus der Abtei von St.-Séverin, die ihm der Graf von Artois verliehen hatte. Unter dem Direktorium machte er eine Reise durch Deutschland und England, kehrte 1802 nach Frankreich zurück und übernahm wieder seine Professur sowie seine einflußreiche Stellung in der Gesellschaft. Er starb 1. Mai 1813, nachdem er in den letzten Jahren vollständig erblindet war. Sein bestes Werk ist die Übertragung der „Georgica“; hier treten seine Vorzüge, Korrektheit der Sprache und des Rhythmus, Eleganz und Leichtigkeit des Versbaues, Feinheit des Geschmacks und Reichtum der Phantasie, aufs glänzendste hervor; aber oft ist das Original vergewaltigt, und sein gezierter Stil und seine gesuchten Bilder lassen erkennen, daß er zu sehr auf den Geschmack seiner Zeit Rücksicht nimmt. Viel geringer sind seine eignen Leistungen: meist lose aneinander gereihte Bilder ohne Plan, ohne Einheit, ohne Zusammenhang; selbst Stil und Versbau sind zuweilen schwach. Am tiefsten stehen seine spätern Übersetzungen; es sind meist Nachahmungen ohne Saft und Kraft. Seine Werke (gesammelt von Michaud, 1824, 16 Bde.; Didot, 1847) erschienen in folgender Ordnung: „Les Géorgiques de Virgile“ (Par. 1769, 1782 u. öfter); „Les Jardins“ (1782); „L’homme des champs, ou les Géorgiques françaises“ (1800); „Poésies fugitives“ (1802); „Dithyrambe sur l’Être suprême et l’immortalité de l’âme“ (1802); „Le malheur et la pitié“ (1803); „L’Éneïde de Virgile“ (1804); „Le paradis perdu“ (1805); „L’imagination, poème en huit chants“ (1806); „Les trois règnes de la nature“ (1809); „La Conversation“ (1812). Eine Übersetzung des „Essay on man“ von Pope erschien acht Jahre nach seinem Tod.